Mallorca Zeitung

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Warum die Aprikosenernte auf Mallorca früher ein gesellschaftliches Ereignis war

Rund um Pfingsten beginnt in Porreres die Ernte der Aprikosen – und das schon seit Generationen

Im Juni findet auf Mallorca die Aprikosenernte statt Nele Bendgens (Archiv)

Am Ende glaubt es ja doch wieder keiner. Bei der Hitze und der harten Arbeit. Als ob das die Menschen jemals gesund gemacht hätte. Aber der Opa behauptet fest und steif: In der Erntezeit der Aprikose hatten Arzt und Priester in Porreres praktisch nichts zu tun. Niemand wurde krank, niemand starb.

In dem kleinen, aber wunderschönen Band „El Sequer. Una història de l’albercoc de Porreres“ von Margalida Forteza erzählt der Großvater seiner Enkelin die Geschichte einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte im 20. Jahrhundert. Sie verdeutlicht einmal mehr, dass Mallorca auch vor dem Tourismus Einnahmequellen hatte.

Porreres auf Mallorca als wichtigste Aprikosen-Gemeinde Spaniens

Der Anbau der Aprikose begann gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die Früchte aus dem Dorf im „Pla“, im flachen Zentrum der Insel, galten von Anfang an als besonders aromatisch. Der Boden hier ist sehr tonhaltig, was diesem Steinobst einen hohen Anteil an Zitrussäure be-schert. Bereits im Jahr 1915 war Porreres die Gemeinde mit den größten Aprikosenanbauflächen und mit dem größten Ertrag in ganz Spanien.

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Das getrocknete Glück aus Porreres

Illustriert mit einfachen, aber eindrucksvollen und bisweilen witzigen Zeichnungen von Tatúm, erzählt Forteza in dem dreisprachigen Buch (Katalanisch, Spanisch, Englisch), wie das ganze Dorf zur Erntezeit im Juni zusammenkam. Aprikosen sind äußerst empfindliche Früchte, die nur in einem kurzen Zeitfenster geerntet werden können und dann schnell haltbar gemacht werden müssen.

Das Aprikosentrocknen war eine Gemeinschaftsarbeit. Die Männer und Jungs pflückten die Früchte vom Baum und sammelten sie vom Boden auf. Zu Hause warteten die Frauen und Mädchen darauf, sie zerteilen zu können. Bei kleineren Aprikosen wurde häufig auch nur der Kern rausgeknipst, sodass man die runde Frucht erhalten konnte. Zwei oder drei Tage dauerte die Trocknung. Tagsüber an der Sonne, nachts in der Schwefelkammer. Dort verloren die Aprikosen vor allem an Gewicht. Um ein Kilo Trockenaprikosen herzustellen, benötigte man fünf Kilo der frischen Frucht.

Ein großer Teil der Aprikosen wurde zum Export vorbereitet Illustration: Tatúm

Die wirtschaftliche Bedeutung der Aprikose für Porreres war enorm. Ein Viertel der Dorfbevölkerung arbeitete früher in der Verarbeitung der Frucht. 1964 bis 1974 war Spanien der größte Exporteur von Trockenaprikosen – Porreres spielte dabei eine wichtige Rolle. Und das obwohl 1968 der Pfirsichprachtkäfer (Capnodis tenebrionis) auf Mallorca viele Bäume zerstörte.

Die Ernte war ein großes, gesellschaftliches Ereignis, dass ein wenig aus der Routine des Alltags befreite. Zwar war es harte Arbeit, doch das Buch erinnert an gleich mehreren Stellen daran, dass die Pausen – etwa beim Mittagessen unter den Bäumen – umso schöner waren. Und sonntags gab es Eis zum halben Preis.

Buch als Gemeinschaftsarbeit

Auch das Buch ist als generationenüber- greifende Gemeinschaftsarbeit entstanden. Forteza hatte 2013 das Projekt „Abraçades esceniques“ ins Leben gerufen, um mit Jung und Alt die Tradition der Aprikose in ihrem Heimatdorf zu erforschen. Forteza durchforstete Archive und organisierte insgesamt 30 Treffen mit älteren Menschen, um sie von ihren Erinnerungen berichten zu lassen. Je mehr sie sich mit dem Thema beschäftigte, desto mehr drängte sich der Gedanke auf, ein Buch zu machen.

„Vor allem das Fotoarchiv begeisterte uns. Tatúm, mit dem ich schon zusammengearbeitet hatte, war fasziniert von den Bildern, sie sind die Grundlage für seine Illustrationen“, erzählt sie. Zunächst überlegten die beiden, einen Comic zu machen. „Aber dafür gab das Thema zu wenig Handlung, zu wenig Dramatik her.“ Daher ein Buch mit vielen Illustrationen.

Dass die Aprikose in Porreres nicht mehr die Bedeutung von früher hat, liegt an den gesellschaftlichen Veränderungen, die ab den 80er-Jahren begannen. Heute wird die Frucht vor allem frisch auf Mallorca verkauft. Dennoch gibt es immer noch Familien in der Gemeinde, die sich in kleinerem Rahmen der Produktion von Trockenaprikosen widmen. Und auch in Schokoladen, Likören und als Marmelade ist die Aprikose eine beliebte Zutat.

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