Mit Blick auf das prächtige Eingangsportal verharren die Hotelgäste von Son Brull ganz entspannt im Yogasitz. Ein alter Zürgelbaum mit mächtiger Krone und einer Borke rissig wie Elefantenhaut wacht über die Meditierenden im Gras. Im alten, ländlichen Mallorca pflanzte man Zürgelbäume, wenn ein Junge im Haus geboren wurde - vielleicht ein Hinweis darauf, dass vor den Jesuiten im 18. Jahrhundert eine mallorquinische Familie Son Brull bewohnte. „Es gab mal einen marqués Desbrull in dieser Gegend", sagt Mar Suau (42), die das Fünf-Sterne-Hotel mit ihren zwei älteren Geschwistern führt. Eine Straße in Pollenca ist noch heute nach dem Markgrafen benannt.

Mar und ihre Brüder Alejandro und Miguel wuchsen in dieser schlummernden Ecke Mallorcas auf. Ihr Vater kaufte Mitte der 90er-Jahre das dreistöckige Klostergebäude mit 30 Hektar Land, das bis auf den Berg Puig de Maria reicht. Für den Hotelier, der auch in der Cala Sant Vicenç ein Ferien­hotel besitzt, wurde Son Brull zum Lebensprojekt.

Das Erdgeschoss mit großem Innenhof und der alten Ölmühle ist praktisch unverändert, die frühere Kapelle leider nicht mehr erhalten. Die denkmal­geschützten Außenmauern durfte Architekt Sebastian Gamundi nicht anfassen, trotzdem sind aus den ehemaligen Mönchszellen heute 23 großzügige Zimmer mit Whirlpool und Terrasse entstanden (450 Euro bis 1.200 Euro pro Nacht mit Frühstück). „Wir haben die Wände zum Flur hin versetzt", erklärt Mar Suau. Früher waren die Korridore breiter als die Zimmer, weil auch Pferd und Esel hindurchmussten.

Die Inneneinrichtung gestaltete Designer Ignasi Forteza ­konsequent modern. Auch 13 Jahre nach der Hoteleröffnung wirkt das Ambiente aus (Design-) Möbeln skandinavischen Stils, gegossenen Zementböden, Skulpturen und moderner (Foto-) Kunst im jahrhundertealten Mauerwerk noch zeitgemäß. „Wir wollten die starke mallorquinische Linie etwas brechen", sagt Mar Suau, „weil schon das Gebäude mit viel Historie daherkommt."

Genau deshalb finden die vielen Stammgäste aus England, Deutschland und Amerika, ­darunter bekannte Fußballspieler, Politiker und Schauspieler, immer wieder in das Relais & Chateau-Hotel zurück. An Ausstattung und Komfort mag es von anderen Fünf-Sterne-Hotels der Insel übertroffen werden, dafür punktet es aber mit Geschichte und heimischer Lebensart. Der Poolbereich ist überschaubar und schließt an die Restaurantterrasse an. Dafür taucht man direkt neben wilder Macchie ab und blickt vom Tagesbett oder der Massageliege über Weinfelder in die weite Ebene. „Auf Son Brull fühlt man sich wie bei Freunden zu Hause auf dem Land und hat die Möglichkeit, etwas vom ursprünglichen Mallorca kennenzulernen", formuliert Mar Suau das Konzept.

Auf der gepflegten Spa-Terrasse bietet der sattgrüne Rasen einen hübschen Kontrast zur braunen, brockigen Erde des Olivenhains nebenan. Auch auf einem Spaziergang durch den Gemüsegarten Richtung Tennisplatz fällt es leicht, sich in das Landleben der Bauern zu versetzen, die Natur zu beobachten und sich auf die Schätze wie Olivenöl, Wein und Mandeln zu freuen - alles Produkte, die auf Son Brull für die Gäste angebaut werden. Der junge Chefkoch Rafel Perello (arbeitete unter anderen mit Marc Fosh zusammen) kombiniert in seinen mehrgängigen Menüs gerne Biogemüse vom eigenen Acker zu Lamm-Carpaccio oder lokalem Fisch wie Bonito und Gallo de San Pedro. Und im Spa- und Beautybereich wird die natürliche Linie in Form von Massageölen oder einer Vinotherapie mit Traubenkernpeeling wieder aufgenommen.

Auch Mar Suau und ihren Brüdern, alle arbeiteten im Ausland, bevor sie im Familienhotel anheuerten, bedeuten die ursprünglichen, einfachen Dinge ihrer Heimat Luxus: die frische Luft, die Berge, das Meer, die Ruhe. „Mallorca verliert an Qualität, wenn wir so weitermachen wie bisher", sagt Mar Suau.

Wie auch andere ihrer Kollegen glaubt sie, dass die Insel an ihre touristischen Grenzen stößt: „Wir müssen alle noch mehr in Qualität investieren und darüber andere Gäste anziehen." Um ihr Erbe zu schützen, dafür investieren die Geschwister auch in moderne Umweltstandards wie Solarenergie, Mülltrennung, Kompostierung und die Aufbereitung von Brunnenwasser.

„Wir sind reich, denn wir haben alles auf Mallorca, bis auf einen Skilift", sagt Mar Suau. „Der fehlt uns auf der Insel weiß Gott nicht. Lieber rollen wir da schon die Yogamatte unter einem jahrhunderte­alten Zürgelbaum aus."