Seit Juli sind zwei der beeindruckendsten gotischen Gebäude Palmas im abendlichen Lichtermeer zugänglich. Damit soll Offenheit demonstriert werden: Der unorthodoxe Rundgang durch den Regierungssitz Consolat de Mar und die benachbarte ehemalige Seehandelsbörse ist eine Idee der von den Sozialisten geführten Balearen-Regierung.

Und so beginnt die Visite im Amtsgebäude von Ministerpräsidentin Francina Armengol am Paseo Marítimo auch im Allerheiligsten, dem Arbeitszimmer der Politikerin im ersten Stock. Im Nebenzimmer liegen auf dem Kabinettstisch unter anderem Bücher mit Gesetzestexten.

Die Gruppe

Manch einer aus der 20-köpfigen Gruppe vor allem von der Insel stammender Neugieriger staunt hier Bauklötze. „Ich ­habe den gleichen Radiergummi", haucht ein Mädchen und zeigt auf den Kabinettstisch, wo vor jedem Ministersessel weiße Ratzefummel mit dem Schriftzug Milan 430 liegen. Jaume aus Palma fotografiert derweil so gut wie jedes Detail in dem übersichtlichen ersten Stock, darunter eine steinerne und ellipsenförmige Wendeltreppe aus dem 19. Jahrhundert, die aus Sicherheitsgründen nicht von zu vielen Besuchern auf einmal betreten werden darf. „Bis vergangenes Jahr regierten hier die von der PP (Partido Popular, Volkspartei, Anm. d. Red.), und die ließen keinen rein", sagt er und wendet sich einer verwitterten Statue aus dem Jahr 1843 zu. Sie stellt Jaume Ferrer dar, einen mallorquinischen Seefahrer, der im 14. Jahrhundert vor der afrikanischen Westküste unterwegs war.

Der Guide

Es ist an diesem mit Mondlicht beschienenen Donnerstagabend der ­erfahrenen Reiseleiterin Inma Dezcallar zugefallen, unsere Gruppe durch das im 16. Jahrhundert erbaute Gebäude zu führen, dessen Erdgeschoss von 1950 bis 1978 als Marinemuseum genutzt wurde. Es stehen dort nach wie vor allerlei Schiffsmodelle herum, und an den Wänden hängen großformatige Seefahrtsgemälde aus vergangenen Jahrhunderten sowie Modernes von Joan Miró (1893-1983), der bekanntlich auf der Insel wirkte.

Inma ist seit 1992 Mitglied des Reiseleiterverbandes der Balearen und hauptsächlich in Palma tätig. Bis zum 29. September - danach werden die Führungen erst einmal nicht mehr angeboten - ist die Landesregierung ihr Auftraggeber. Auffallend extrovertiert waltet

Inma routiniert ihres Amtes.

Das Highlight

Nach der Besichtigung des Regierungssitzes führt Inma die Gruppe in den Garten. „Schauen Sie auf die Kapelle des ­Consolat, dort sehen Sie einen gotischen Bogen", sagt sie. Es ist ein Vorgeschmack: In der angrenzenden, bereits ein Jahrhundert zuvor von Guillem Sagrera gebauten, aus einer einzigen großen Halle bestehenden Seehandels­börse Lonja wird man dann von gotischen Bögen fast erschlagen.

Das große Highlight der Führung kommt zum Schluss: Die Gruppe steigt dem ehrwürdigen Bau auf 84 Stufen aufs Dach, das ob der nämlichen Bögen unerwartet uneben ist. Von dort bieten sich ungewohnte Blicke über die Begrenzungszinnen - nicht zuletzt auf die angestrahlte Kathedrale. Inma ermöglicht es uns, mehr als 20 Minuten dort oben zu verweilen, um diesen Blick auf uns wirken zu lassen. Dann geht es auf der zweiten Treppe der Lonja wiedernach unten.

Das nehmen wir mit

Während des Rundgangs fällt auf, dass einen in den beiden ­Gebäuden und im Garten überall Engel ­anblicken - mal in steinerner Form und mal in Fenstern. „Das ist der Schutzengel der Kaufleute, die hier über Jahrhunderte Handel trieben", weiß Inma Dezcallar.

Und noch ein Kuriosum aus der Geschichte der Lonja bleibt hängen: Architekt Guillem Sa­grera baute die gleiche dreischiffige, durch sechs Säulen abgegrenzte Halle im Castel Nuovo in Neapel später noch einmal nach.

Wann, wie, wo

Die knapp einstündigen Gratis-Führungen durch die beiden historischen Gebäude finden nur donnerstags und nur auf Spanisch und Katalanisch statt - jeweils um 20.30 und 21.30 Uhr. Anmeldungen unter Tel.: 971-17 62 35 oder per E-Mail: consolat@caib.es. Für die kommenden Wochen sind offiziell alle Plätze vergeben, aber vielleicht hat man ja Glück. Treffpunkt ist der Haupteingang zum Consolat, dort wo die Kanonen stehen.