Spiegelglatt ist das Meer an diesem Morgen. Es ist Freitag, der 26. August, und Clara Montejamo, eine von zwei im Villendorado Port d´Andratx stationierten Müllboot-Fahrerinnen, ist guter Dinge. „Wären die Wellen nur ein bisschen höher, würde uns das sehr durchschütteln, denn dieses Boot hat kaum einen Kiel", sagt die Katalanin. Sie macht den Job seit einem Jahr, in der Hochsaison fährt sie an sechs Tagen die Woche an der Westküste Mallorcas entlang, langsam bis El Toro und zurück. Ihre Kollegin schippert derweil nach Norden bis Estellencs, wo ihr ein Boot aus Port de Sóller entgegenkommt. Die beiden gehören zu einem Team von 18 Mitarbeitern, die derzeit für die von der Balearen-Regierung engagierte Firma FCC Müllboote rund um Mallorca steuern.

Normalerweise ist Clara sechs Stunden am Tag unterwegs - von 9 bis 15 Uhr. Für den eiligen MZ-Reporter fährt sie aber nur zwei Stunden raus bis Camp de Mar und zurück. Müll schwimmt heute wie üblich hier und dort im Meer - Apfelsinenschalen, eine Plastikflasche mit Spülmittel, die von einer Yacht stammen könnte, ein kurzer Baumstumpf, ein aufgeblasener Gummihai und mehrere Plastiktüten, darunter eine mit arabischen Schriftzeichen.

„Von Nordafrika treibt so einiges Richtung Mallorca", weiß Clara aus Erfahrung. Sie fischt die kleineren Objekte mit einem schwarzen Netz aus dem Wasser und befördert sie in Säcke. Wenn sie größere Mengen an Müll ausmacht, betätigt sie mit Knöpfen, die sich neben dem Steuerrad befinden, eine von zwei mit ­deutlich größeren Netzen versehenen hydraulischen Vorrichtungen. Die kommen besonders häufig nach Stürmen zum Einsatz. „Dann wird durch die Wellenbewegung viel Plastik, das auf dem Meeresgrund liegt, an die Oberfläche befördert."

Flaschenpost aus Holland

Ungewöhnliches fischt Clara heute nicht aus dem Wasser. Keine sperrige und mit Kiefernnadeln übersäte Riesen-Matratze aus einem Ehebett, die ihr neulich zu ihrem Leidwesen untergekommen war. Und auch keine Blumensträuße („Die finde ich erstaunlich oft"). Und glücklicherweise keine tote Möwe oder Ziege. „Das müssen wir, so unappetitlich es aussieht, unbedingt einsammeln." Einmal entdeckte Clara sogar den mit einem Tintenfisch gefüllten Magen eines Meeressäugers. „Man muss schon ein dickes Fell haben, wenn man diesen Job macht", sagt sie. Und sich außerdem zuweilen gegen aggressive, hungrige Möwen wehren. Mancher Fund erfreut Clara aber auch: „Neulich fand ich eine Flaschenpost mit einem auf Niederländisch geschriebenen Brief."

Doch an vielen Tagen ist die Ausbeute ziemlich überschaubar. Dann hat Clara viel Zeit, das Meer in Augenschein zu nehmen. „Wenn Wind aufkommt, dann kräuselt sich das ebene Wasser einige Minuten leicht", weiß sie. „Und schneller, als man denkt, ist schon eine Dünung da." Vorsicht ist der Müllboot-Fahrerin zufolge geboten, wenn der Horizont keine klare Linie mehr bildet. „Dann ist rauere See im Anmarsch und ich tue gut daran, den Hafen anzusteuern."

Doch auch wenn alles ruhig ist, muss Clara aufpassen: Die durch schnell fahrende Motoryachten ausgelösten Heckwellen können manchmal richtig tückisch sein. Sie steuert diese in der Regel langsam im rechten Winkel an, damit möglichst wenig Wasser ins Boot spritzt.

Das Müllboot verfügt auch über ein System, mit dem Öl- oder Dieselflecken oder andere Substanzen eingesaugt werden können. „Mich ärgert besonders, wenn Yachtbesitzer ihr Abwasser einfach ins Meer kippen", sagt Clara. „Man erkennt das an Schaumflecken, die sich meterlang wie eine Schlange durchs Wasser ziehen." In diesem Zusammenhang seien ihr schon oft Schiffe mit deutschen Fahnen aufgefallen. Es sei schade, dass man die Urheber nur schwer dingfest machen könne. Immer wieder ärgert sich Clara auch über Yachten, die die Temporegeln nicht einhalten und viel zu schnell statt langsam aus Port d´Andratx rasen. „Das Meer ist leider weiterhin eine gesetzlose Zone."

Meldepflichtige Quallen

Der Müllboot-Fahrerin von Port d´Andratx schwimmt mittags wegen des dann stärkeren Embat-Sommerwindes deutlich mehr als morgens ins Netz. Und wenn Quallen auftauchen, sammelt sie diese ein und meldet die genaue Position über ein Kommunikationssystem namens „Moba" an die FCC-Zentrale auf Menorca.

Clara weiß wohl, dass ihr viel durch die Lappen geht. „Wenn etwas an der Felsküste liegt, komme ich da nicht mehr ran." Insgesamt finde sich aber an der Westküste lange nicht so viel Müll im Meer wie etwa im Osten bei Santanyí oder Portocolom. Früher sei vor Mallorca außerdem mehr Müll eingesammelt worden. Da habe noch eine andere Firma für die Landesregierung gearbeitet. „Die setzte größere Schiffe und ein Spezialflugzeug ein, das größere Müllansammlungen weiter von der Küste entfernt orten konnte."

Den Job macht Clara Montejamo sehr gern, wie sie sagt. „Ich habe an einer Fischerei- und Seefahrt-Fachschule in Barcelona einen Abschluss gemacht, der mich befähigt, diese Arbeit zu machen." Zuvor hatte sie jahrelang als Mechanikerin auf Yachten gewirkt. „Aber es war schwer, Arbeit zu finden, da es Frauen in dieser Branche schwer haben." Jetzt hofft sie, dass die dieses Jahr auslaufende Konzession für die FCC-Müllboote von der Landesregierung verlängert wird. „Dann bin ich auch nächstes Jahr wieder dabei."