Von der römischen Galeere dort unten in nur fünf Metern Wassertiefe wussten die Bewohner des ost­mallorquinischen Hafenorts Porto Cristo schon in den 60er-Jahren. Zu Spottpreisen boten sie in Bars oder auf den Straßen kleine tönerne Öl-lämpchen aus dem in den 50er-Jahren entdeckten Wrack an. Die alten Römer hatten mit diesen runden und zuweilen mit Gesichtern versehenen Lämpchen jahrhundertelang ihre Wohnungen beleuchtet.

In den Anfangszeiten des Tourismusbooms war es noch möglich, solche historisch wertvollen Fundstücke aus Spanien herauszuschaffen. Wer dagegen heute mit derlei Kulturgütern erwischt wird, muss mit einer hohen Geld- oder sogar einer Haftstrafe rechnen. Ein Spezialtrupp der Guardia Civil namens GEAS konzentriert sich auf den Schutz der Schätze auf dem Meeresboden. Das Wrack wurde schon seit Jahrzehnten abgedeckt, um weitere Plünderungen zu verhindern. Unterwasser-Archäologe Sebastià Munar konnte so bei einer im Mai beendeten Ausgrabung weitere Lämpchen aus der über 30 Meter langen Galeere holen.

Das für römische Verhältnisse ungewöhnlich lange Schiff stammt aus dem ersten Jahrhundert nach Christus - der Ära des wegen seines Wahns berühmt-berüchtigen Kaisers Nero (37-68). Das Holz des Rumpfes ist überraschend gut erhalten, weil sich Sand darüber aufgetürmt hatte. „Das verhinderte, dass sich ein im Meer lebender Holzwurm daran zu schaffen machen konnte", sagt Sebastià Munar. Die Ausgrabungsarbeiten sollen mit Unterbrechungen bis 2018 dauern. Bislang ist nicht geplant, das gesamte Schiff zu heben. Man wüsste ohnehin nicht wohin damit: Mallorca verfügt trotz zahlreicher Vorstöße und Vorschläge noch immer nicht über ein Meeres-Museum.

Der Mallorquiner Munar steht einem Mini-Institut ohne eigene Räumlichkeiten namens Institut Balear d´Estudis en Arqueologia Marítima (IBEAM) vor. Es besteht aus lediglich vier Archäologen, einem Biologen und diversen Profi-Tauchern. „Mehr Spezialisten gibt es auf den Balearen nicht", sagt Munar, der als Archäologe freiberuflich tätig ist und sich auch an Ausgrabungen an Land beteiligt. „Weil wir so wenige sind, haben wir auch noch ein sehr unvollständiges Bild darüber, wie viele Wracks rund um Mallorca auf dem Meeresgrund liegen."

Eine erste große Ausgrabung fand in den 70er-Jahren in der Bucht von Palma statt: „Es handelte sich um ein aus dem vierten Jahrhundert vor Christus stammendes römisches Schiff, das als El Sec bekannt wurde." In den 80er-Jahren folgten Funde vor Cabrera und Colònia de Sant Jordi, ebenfalls aus römischer Zeit. 2003 und 2004 kümmerten sich die Unterwasser-Archäologen dann um ein griechisches Schiff aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus in der Cala Sant Vicenç im Norden von Mallorca.

Aber dort draußen müssen noch sehr viel mehr Schiffe liegen. Zusammen mit der GEAS-Einheit der Guardia Civil hat Munar in den vergangenen Jahren eine Wrack-Karte rund um Formentera erstellt und dabei zwei bislang völlig unbekannte Schiffe entdeckt - ein Schiff aus dem 17. Jahrhundert mit sechs Eisenkanonen und einem großen Anker sowie eine weitere römische Galeere, die mit Amphoren beladen war.

Auf Mallorca kreuzten sich früher mehrere Handelsrouten des Römischen Imperiums. „Eine davon führte von der Iberischen Halbinsel nach Mittel­italien, eine andere nach Nordafrika", sagt Sebastià Munar. Auch das vor der ostmallorquinischen Küste gesunkene Öllampen-Schiff war wohl auf einer dieser Routen unterwegs, als es sank. „Es könnte sein, dass es in einen Sturm geriet und dass sich die Besatzung vor dem

Untergang noch in Landnähe retten konnte", sagt Sebastià Munar.

Scherben im Salzwasserbad

Das, was er und sein Team vom Meeresgrund hervorholen, wird im Geschichtsmuseum der für Porto Cristo zuständigen Stadt Manacor einem Spezialverfahren unterzogen. Es sind nicht nur Öllämpchen, sondern auch leider in viele Scherben geborstene Amphoren, die mit der zum Würzen von Speisen benutzten römischen Fischsauce Garum gefüllt waren. „Die Gefäße und Scherben werden zunächst weiter in salzhaltigem Wasser gelagert", sagt Munar. „Später werden sie in andere Behälter mit weniger salzhaltigem Wasser gelegt, damit das über die Jahrhunderte in die Gegenstände eingedrungene Salz nach und nach herausgesogen wird." Am Ende werden die Fundstücke in destilliertem Wasser gelagert, bis sie herausgeholt werden können. Würde man eine Amphore ohne diese Behandlung trocken irgendwo aufstellen, würde sie wohl relativ schnell zerbröseln. Metallgegenstände und Holz sind noch erheblich empfindlicher und müssen ebenfalls komplizierteren Verfahren unterzogen werden.

Unterwasser-Archäologen gehen auf dem Meeresboden mit den gleichen wissenschaftlichen Methoden wie an Land vor. „Sie müssen aber eine Ausbildung als Flaschentaucher absolviert haben", sagt Sebastià Munar. „Wir arbeiteten vor Porto Cristo in Neoprenanzügen in 20-Minuten-Schichten." Ansonsten wären die Einsätze nicht nur zu beschwerlich, sondern auch gesundheitsschädlich gewesen. In noch größerer Tiefe

dauern die Schichten kürzere Zeit.

Der Archäologe und seine Leute setzen bei der Arbeit spezielle Sandabsauggeräte ein, um die Reste des Schiffs freizulegen. Diese dürfen nicht zu stark eingestellt sein, um bloß nichts zu beschädigen. „Die Position der Fundstücke wird genauestens festgehalten, sie werden mehrfach fotografiert und gezeichnet", so Sebastià Munar.

Verstärkung gesucht

Da der Unterwasser-Archäologe und seine Leute nicht ständig im Einsatz sein können, decken sie das Wrack nach jedem Einsatz wieder sorgfältig zunächst mit Sand ab. Dann legen sie mittelschwere mit Sand gefüllte Säcke darauf, damit die Meeresströmungen nicht allzu leichtes Spiel haben. Am Ende wird noch eine weitere Sandschicht aufgelegt. „Wir machen das so gewissenhaft, damit kein sich dort herumtreibender Taucher das Schiff auch nur annähernd erahnen kann", so der Archäologe.

Beamte der GEAS hätten das Wrack ohnehin im Auge. Beim nächsten Einsatz muss dann wieder alles freigelegt werden. Das alles ist viel Arbeit, Verstärkung tut not. Das IBEAM bietet vom 13. bis 15.10. einen Einführungskurs in die Unterwasser-Archäologie an. Daran teilnehmen können erfahrene Taucher. Die Teilnahmegebühr beträgt 200 Euro, die Teilnehmerzahl ist auf höchstens 24 begrenzt. Ein weiterer Kurs zur Restaurierung von metallenen Unterwasser-Fundstücken findet zuvor kommende Woche in Formentera statt. Nähere Informationen dazu auf der Website www.ibeam.es.