In römischen Geschichtsbüchern werden sie zum ersten Mal erwähnt. „Einige Eingeborene versuchten, unsere Flotte mit kleinen, rudimentären Booten anzugreifen", schreibt ein Chronist des römischen Generals Quintus Caecilius Metellus bei der Eroberung der Balearen im Jahre 123 vor Christus. Es ist die erste bekannte urkundliche Erwähnung der sogenannten llaüts, die noch heute vereinzelt an den Stegen vieler Häfen auf Mallorca und ihrer Nachbar­inseln anzutreffen sind.

In dem kürzlich veröffentlichten Buch „El llaüt - la barca de la Mediterrània" gehen der Historiker Bernat Oliver Font und der Journalist Tomeu Ramon Homar Bestard der jahrtausendealten Geschichte dieser typischen hölzernen Mittelmeer-Boote nach. Sie beginnt nach Ansicht der beiden Autoren nicht nur weit vor der römischen Invasion, sondern auch fern der Balearen. „Die Llaüts sind keine mallorquinische Erfindung. Wir gehen davon aus, dass diese Art von schmalen, segelbaren Booten erstmals vor rund 3.000 Jahren an den Küsten Nordafrikas zu Meer gelassen wurden. Im Laufe der Jahrhunderte verbreiteten sie sich im gesamten Mittelmeerraum und wurden in ihrer Erscheinung und Bauweise dem jeweiligen lokalen Verwendungszweck angepasst", sagt Bernat Oliver.

Dass die Llaüts arabischen Ursprungs sind, spiegelt sich schon in ihrem Namen wider. „Auch wenn es nicht wissenschaftlich bewiesen werden kann, ist anzunehmen, dass die Bezeichnung vom arabischen Wort „ûd" für „Laute" stammt. Das am Bug nach oben zeigende Kielholz

erinnert ein wenig an den nach unten knickenden Hals dieses antiken Zupfinstrumentes", meint Bernat Oliver.

Eine einheitliche Bauweise für die vom Mittelalter bis zur Neuzeit sowohl auf den Balearen als auch in Katalonien weitverbrei­teten Boote sucht man trotz vieler Gemeinsamkeiten aber vergeblich. Dennoch: „Llaüts waren im Laufe ihrer Geschichte in der Regel zwischen vier und zehn Meter lang und wurden in Spantenbauweise hergestellt. Als Antrieb diente ein Dreiecksegel, das an einem im vorderen Teil der Boote befestigten Mast angeschlagen wurde. Um dem Segel seine dreieckige Form zu geben, hing das Leinentuch an einer sogenannten Spiere, ein Rundholz, das mindestens doppelt so lang wie der Mast war und bei Nichtbenutzung quer über dem Boot aufgehängt wurde", erklärt der

Historiker. Diese Art der Segelführung wurde im Laufe des 16. und 17. Jahrhundert als „Lateiner-Segel" in ganz Europa bekannt.

Auf Mallorca begann die Blütezeit der Llaüts im späten 18. Jahrhundert. Die Boote wurden in dieser Zeit nicht nur für den küstennahen Fischfang eingesetzt, sondern auch für den Warentransport zwischen den Inseln und dem Festland. „Damals entwickelte sich der Bootsbau auf den

Balearen zu einer regelrechten Kunst. Die mestres d´aixa, die Schiffszimmerermeister der Insel, gelangten im westlichen Mittelmeer wegen der hohen Präzision und zeitlosen Eleganz ihrer Arbeiten zu Ruhm und Ansehen", sagt Oliver. Im Gegensatz zu ihren eher plump wirkenden Vettern an der katalanischen Küste besaßen mallorquinische und menorquinische Llaüts einen schmaleren Rumpf und eine präzisere sowie leichtgängigere Ruderanlage.

Doch es gab auch lokale Unterschiede beim Llaüt-Bau auf den Inseln. „Ein Llaüt, das beispielsweise in Pollença gebaut wurde, unterscheidet sich wegen der unterschiedlichen Wind- und Wellenbedingungen beispielsweise von denen im Süden der Insel", so Bernat Oliver.

Mit der Entwicklung kleinerer Motoren ab Anfang des 20. Jahrhundert änderte sich das Aussehen der Llaüts dann jedoch grundlegend. „Um Platz für die Dieselmaschine zu schaffen, mussten die Rümpfe verbreitert werden. Mast und Segel verschwanden im Laufe der Zeit. Stattdessen wurden die Boote mit kleinen Kabinen-aufbauten versehen, in denen sich der Kapitän bei längeren Fahrten vor Sonne, Sturm und Regen schützen konnte.

Mit dem drastischen Rückgang der Berufsfischerei auf den Inseln in den 50er- und 60er-Jahren begann auch das langsame Aussterben der Llaüts. „Zwar wurden die Boote von Einheimischen noch als Freizeityachten benutzt, der Großteil der einstigen Llaüt-Flotte verstaubte jedoch still und leise in Garagen und Werfthallen", meint Oliver. Mit dem europaweiten Siegeszug von Polyester und Plastik im europäischen Bootsbau Ende der 70er-Jahre war es um die aus wartungsempfindlichem und teurem Holz gebauten ehemaligen Fischerboote dann ganz geschehen. „Eine in den 90er- Jahren erlassene EU-Verordnung, die vorsah, dass Berufsfischer eine Subvention für den Kauf von neuen Booten erhielten, wenn sie ihre alten im Gegenzug verschrotteten, führte schließlich dazu, dass selbst noch gut erhaltene historische Llaüts in drei Teile zersägt wurden. Eine echte Schande", ärgert sich Bernat Oliver.

Immerhin: In seinem Buch listet er alle noch auf den Balearen erhaltenen historischen Exemplare mit Namen und Registrierungsnummer auf. Es sind insgesamt 778. Die Letzten ihrer Art.