Die meisten kommen wegen der scharfen Paprikaschoten nach Vilafranca de Bonany, doch wer sie in langen Reihen aufgefädelt und zum Trocknen an den Hauswänden hängen sehen will, muss im estanco im Ort eine Postkarte kaufen. Früher, vor 25 Jahren, teilten sich mal zwölf Gemüse- und Obstgeschäfte einen kleinen Straßen­abschnitt von 300 Meter. Heute ist nur „Alls i melons" von Guillermo Morla übrig geblieben - der vor ein paar Jahren wieder Konkurrenz bekam, als nebenan ebenfalls ein Laden mit getrockneten Paprikaschoten neu aufmachte.

„Früher lebte man gut vom Straßenverkauf", erinnert sich Guillermo, der 1969, mit 22 Jahren, das erste Geschäft von später drei Filialen eröffnete. Bevor die Schnellstraße von Palma nach Manacor gebaut wurde, fuhren täglich im Schnitt 28.000 Autos durch die schnurgerade Dorfstraße. Zusammen mit den Überlandbussen, die in Vilafranca Zwischenstopp machten, war das Geschäft quasi ein Selbstläufer. Heute buhlt der 70-Jährige um jeden Touristen, der sich seinem Laden nähert, schneidet schnell ein Stück Melone ab und hält sie den Passanten mit einem „Hola, ¿cómo están?" entgegen.

Gute Ware, faire Preise

Touristennepp? Von wegen. Guillermo verkauft zu fairen Preisen hochwertige Ware, vieles stammt von den eigenen Feldern, anderes von Produzenten der Insel, wie eingelegte Oliven, Apfelschnaps, getrocknete Feigen, Honig, Würste, süßes Gebäck wie die suspiros oder Marmelade und Balsamico-Creme.

Und die Verkaufsschlager von heute? „Melonen, Ramallet-Tomaten und Knoblauch", antwortet Guillermo. Honigsüße Melonen haben in Vilafranca eine lange Tradition, weil in der fruchtbaren Erde am Fuß des Puig de Bonany auch ohne viel Wasser Obst und Gemüse schon immer bestens gediehen.

Guillermos Großvater transportierte die Melonen noch per Pferde­wagen auf Märkte in Llucmajor und Palma. „Doch seitdem die künstliche Bewässerung erfunden wurde, wachsen die runden Früchte auch in anderen Gegenden Mallorcas", seufzt Guillermo.

Wer eine spezielle Insel-Melone kosten will, fährt trotzdem zum „Alls i melons" - und probiert. Die Melone piel de sapo ist vielleicht die bekannteste Sorte, ihre grün-gelbe, knubbelige Schale, vergleichbar mit der Haut einer Kröte, gab ihr den Namen. Sie hat einen süßen, eher milden Geschmack, die Kerne lassen sich leicht entfernen und ihre Größe ist ausreichend für ein Familien-Mahl. Die Varietät melón blanco, eine hellgelbe Melone mit langer, ovaler Form, wird traditionell zu Mallorcas Schlachtfesten gegessen, die grüne, runde Winter-Melone dagegen erst drei bis vier Monate gelagert (außerhalb des Kühlschranks), bevor sie, etwa zu Weihnachten, auf den Tisch kommt.

Auch Knoblauch und Paprikaschoten waren auf Mallorca schon immer zur längeren Aufbewahrung gedacht. Erstere flicht Guillermo an ihren trockenen Strünken zu Zöpfen, so kann man sie bequem aufhängen und den Winter über verbrauchen. Besonders dekorativ wirken die ­großen Knollen des ajo blanco. Da er im Vergleich zur violetten Sorte eher mild im Geschmack ist, schneidet Guillermos Frau ihn gerne roh in den Salat.

Die Paprikaschoten werden ebenfalls hängend gelagert, dafür fädelt man sie zuerst an dünnen Schnüren auf und trocknet sie anschließend an der Sonne oder im Ofen. „Andersherum würden die Stiele brechen", erläutert Guillermos Tochter Margarita, die wie ihr Bruder Pedro im Geschäft mithilft. Die kleinen kugeligen Ñora-Paprika müssen in speziellen Öfen mehrere Tage lang trocknen, in der Küche verwendet man sie für sofrito und Paella, kombiniert sie auch mit Fisch. Die größeren kirschroten pimientos choriceros, sie ähneln den Schoten des Johannisbrotbaums, kocht man in Gemüsesuppen mit, sie sind nicht ganz so scharf wie ihre dünnen, länglichen Verwandten, die

guindillas, die sich für pikante Soßen und zum Einlegen in Olivenöl eignen. „Die verschiedenen Farben der Paprika spielen für den Geschmack keine Rolle", erläutert Guillermo, es handle sich dabei einfach um unterschiedliche Samen.

„Alles von hier"

„Doch natürlich sieht es auch hübsch aus, wenn der hängende Paprika-Schmuck mehrfarbig ist", findet Francisca Font, die vor drei Jahren ihr Geschäft „Tot d´aqui" (Alles von hier) gleich neben dem von Guillermo eröffnete. Als sie arbeitslos wurde und keine neue Stelle fand, baute sie kurzerhand das Erdgeschoss ihres Wohnhauses in ein Ladenlokal um. Neben verschiedenen Paprikasorten bietet sie auch Kartoffeln, Tomaten, Zwiebeln und Kohl aus dem eigenen Garten an.

Die Melonen kauft sie dazu. Das Ladenkonzept ist moderner ausgerichtet als nebenan, die Wände sind zitronengelb gestrichen, die Produkte werden in geflochtenen Weidenkörbe präsentiert. Im Sortiment gibt´s auch einige ökologische Produkte wie Mehl aus Manacor und jeden Montag und Mittwoch Bio-Brot.

Da Francisca allein im Laden steht, werden ihr die Öffnungszeiten von 9 bis 20 Uhr oft lang. So kocht sie nebenbei mit Leidenschaft Marmelade ein, die Küche befindet sich praktischerweise nur eine Tür weiter. Sie reicht uns einen salzigen Keks mit einem Klecks Paprikamarmelade drauf. So fruchtig können Paprika schmecken? Francisca strahlt. Sie experimentiert seit Längerem an der Schärfe der Marmelade, wir würden sie genauso lassen, wie sie ist - und damit Touristen anlocken. So könnte sie dem Nachbarn mit seinen Melonenscheiben noch ein wenig mehr Konkurrenz machen.

Alls i Melons, Ctra. Palma, 103, Vilafranca, Tel.: 971-56 02 31.Tot d´Aqui, Ctra. Palma, 107, Vilafranca, Tel.: 971-83 21 54.