Wer heute die kleine Plaça de la Porta des Camp am Innenstadtring von Palma quert, wird kaum bemerken, dass ehedem hier eine wuchtige Brücke den Festungsgraben der Stadtmauer am Bollwerk Baluard del Príncep überquerte und durch ein Tor führte. Der Platz mit den Parkbänken, einem Flurkreuz in der Mitte und den Rasenflächen ist ein aufgeschütteter Bereich. Das in Richtung Meer angrenzende Areal ist derzeit mit Baugeräten vollgestellt. Nur wer genau hinschaut, wird die Brückenbögen erkennen.

Doch das soll sich zwischen dem kommenden Sommer bis zum Winter 2018/2019 grundlegend ändern: Große Teile des Festungsgrabens unmittelbar neben der Brücke werden zu einem Areal mit Bänken, Pflanzen und einem Touristenbüro umgestaltet. Der zuständige Architekt, der in Barcelona ansässige Elías Torres, braucht allerdings von Madrid noch vier Millionen Euro für die Beendigung der in mehrere Phasen gegliederten Umbauarbeiten im und auf dem Bollwerk, das wie ein Zacken Richtung Meer ragt. Nach einer Ortsbegehung des neuen spanischen Infrastrukturministers Iñigo Gómez de la Serna am 3. Januar ist Torres zuversichtlich: „Ich glaube, dass wir das Geld relativ schnell bekommen." Wenn die Brücke dann endlich freigelegt ist, wird eine Rampe unter ihr hindurchführen, auf der man auf den dann um ein Viertel kleineren Platz gelangen kann.Spezialisten für die Stadtmauer

Spezialisten für die StadtmauerDer ibizenkische Architekt und sein katalanischer Partner José Antonio Martínez Lapeña beschäftigen sich schon seit den 80er-Jahren mit der Stadtmauer und hatten zunächst den Abschnitt südöstlich der Kathedrale auf Vordermann gebracht. Dann knöpften sie sich den äußersten Zipfel vor, den Baluard del Príncep. Ende Oktober 2013 konnte ein erster, inzwischen leider von etlichen Graffitis verunstalteter Abschnitt des Bollwerks eröffnet werden. Zum Jahresende 2016 haben nun etwa 30 Bauarbeiter die Phase E des Großprojekts beendet. Mit 1,4 Millionen Euro, die von der Zentralregierung zur Verfügung gestellt worden waren, wurden 3.126 weitere Quadratmeter auf dem Bollwerk restauriert und eine Treppe herunter in den Festungsgraben angelegt.

Zum Einsatz kommen bei der Umgestaltung vorwiegend Marès-Steine aus Santanyí, Porreres und anderen Regionen Mallorcas. „Diese Steine haben den Vorteil, dass sie schnell altern, also schon bald verwittert aussehen", sagt Elías Torres. Die in den vergangenen Jahrhunderten hier verwendeten Marès-Steine stammten aus einem mittlerweile stillgelegten Steinbruch unterhalb des Castell Bellver. Für den Bodenbelag werden Zementsteine benutzt, die mit einer an Marès erinnernden Farbe eingefärbt sind und schon auf der Mauer bei der Kathedrale verlegt wurden. Ab Ende Januar oder Anfang Februar wird es möglich sein, die Südostspitze der Stadtmauer wieder zu Fuß zu umrunden.

Es ist noch nicht lange her, da war der Festungsgraben eine Art Sperrgebiet. Denn dort hatte das Franco-Regime in den 60er-Jahren mehrere Wohnblocks für Militärs errichten lassen, die auf Teilen der alten Mauer standen und die Sicht auf die Torbögen der alten Brücke völlig verdeckten. Die Gebäude waren bis zum Jahr 2000 bewohnt und wurden 2008 abgerissen. „Dadurch ist endlich wieder eine Verbindung zwischen dem Meer und dem Stadtinneren hergestellt", sagt Elías Torres.

Um bei den Bauarbeiten sicherzustellen, dass Altes nicht zerstört werden konnte, waren während der jetzt beendeten Phase auch der Archäologe Sebastià Munar und sein Team mit von der Partie, denn bei der Umgestaltung entfernten die Leute von Elías Torres die alten Beläge auf der Mauer mit schweren Maschinen. „Wir mussten jeden Tag genau hinschauen", so Munar. Außerdem analysierten die Archäologen die Erdmassen, die von der Baustelle wegtransportiert wurden. Alte Mauerreste durften nicht enthalten sein.Überreste aus der Renaissance

Während der jetzt beendeten Umbauphase E sorgte Sebastià Munar mit seinem Team ferner dafür, Mauerreste aus der Renaissance neben der neu errichteten, in den Festungsgraben führenden Treppe wieder sichtbar zu machen. „Wir fanden dabei auch Reste der mittelalterlichen christlichen und der arabischen Mauer." Diese Entdeckungen werden bei der Umgestaltung allerdings nicht freigelegt.

Bereits vor der Eroberung Mallorcas 1229 durch König Jaume I. hatte hier ein Bollwerk gestanden. „Die Araber hatten eine Mauer aus übereinandergeschichteter gepresster Erde angelegt", weiß Sebastià Munar. Im Mittelalter wurde sie dann nach und nach mit Steinquadern befestigt. Im 17. Jahrhundert erreichte die gewaltige Stadtmauer dann am Baluard del Príncep mit über 20 Metern ihre maximale Höhe. „Die Mauer wurde mit immer neuen Steinen immer mehr in die Höhe gebaut, weil die Waffen besonders vom 13. bis zum 15. Jahrhundert immer schlagkräftiger wurden", sagt Sebastià Munar. „Und gerade hier in unmittelbarer Meeresnähe war Palma besonders verwundbar."

Die Mauer muss weg

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts vervollständigte man das Bollwerk. Doch die Mauer sollte bald ihren Nutzen verlieren und der Stadtentwicklung im Weg stehen. Anfang des 20. Jahrhunderts begann man damit, sie stadteinwärts nach und nach wieder abzubauen. Nur Teile der Befestigung zum Meer hin blieben übrig.

Überall dort aber, wo heute der Innenstadtring Avenidas verläuft, stand früher die riesige Mauer, die auch aus hygienischen Gründen verschwinden musste. „Man wollte das verdreckte Zentrum von diesem ­einschnürenden Etwas endlich befreien", so der Archäologe.

Den neu hergerichteten Baluard del Príncep soll nichts mehr einschnüren. Architekt Torres will ihn zu einem offenen Flanierareal umgestalten. Außerdem graust es ihn, die Vergangenheit zu kopieren. Seine von Schrägen und Spitzen, Quadern und Linien geprägte Umgestaltung des Baluard del Príncep kam 2014 in die Endauswahl des spanischen Architekturpreises FAD. „Wir wollen die Vergangenheit mit der Gegenwart vereinen", sagt er.