Es geht überraschend schnell. Kaum hat der Züchter das Schwein auf der Finca außerhalb von Porreres abgeliefert, machen sich die Männer schon ans Werk. Unter der Aufsicht von Toni Martorell legen sie eine dicke Kette um das rechte Hinterbein des Tieres und verschnüren Maul und Vorderpfoten mit Seilen. Dann wird das Schwein kopfüber an der Schaufel eines Traktors aufgehängt.

Während die Männer das Tier nach Kräften festhalten, greift der 80-jährige Toni Martorell zum Messer und sticht es in die Halsschlagader. Das Blut spritzt in eine blaue Wanne auf dem Boden. Das Schwein schreit, es zappelt, auch nachdem kein Blut mehr aus dem Hals fließt. Es dauert ein paar schwer zu ertragende Minuten, bis es endlich tot ist.

„Früher haben wir das Schwein auf eine Bank gedrückt", sagt der alte Mann mit dem freundlichen Opa-Gesicht, der hauptberuflich Landwirt ist. „Das verlangte enorme Kraft, und die Gefahr, dass etwas schiefgeht, war größer." Die Methode mit dem Traktor sei zudem aus einem anderen Grund von Vorteil. „Das Schwein blutet besser aus. Bei jedem Stoß, den der Körper macht, kommt mehr Blut heraus. Das ist wichtig für die Sobrassada. Aus den Stücken Fleisch, die voller Blut sind, müssen wir andere Würste machen."40 bis 50 Schweine pro Nacht

Toni Martorell ist seit 20 Jahren Vorsitzender der Kooperative von Porreres. Er hat sein ganzes Leben Schweine getötet, nicht nur bei privaten matances, wie die Hausschlachtungen auf Katalanisch heißen. Einer seiner ersten Jobs als matancer war in einer Schlachterei in Felanitx, er hatte gerade den Militärdienst absolviert. „Wir fingen immer um acht Uhr abends an und arbeiteten bis drei Uhr morgens. Nach uns kam die Schicht mit den Leuten, die das Fleisch zu Sobrassada und Schinken verarbeitet haben."

40 bis 50 Schweine habe er damals pro Nacht getötet. Viermal die Woche. Von Mitte September bis Mitte Januar. Über zwanzig Jahre lang. Nein, der alte Mann ist nicht nervös, wenn er das Messer in den Hals des Tieres rammt. „Ich kenne das schon, seit ich klein bin. Wenn ich jedes Mal nervös werden müsste, hätte ich irgendwann keine Nerven mehr." Und ja, ihm mache die Arbeit Spaß. Er weiß, dass so eine Aussage für Missverständnisse sorgen kann. Deshalb betont er noch einmal, dass es nicht das Töten sei, das ihm Vergnügen bereite, sondern die Arbeit an sich. „Ich habe immer großen Respekt vor dem Tier."Der Vater drückte ihm das Messer in die Hand

Auch der 22-jährige Toni Genovart aus Sineu kennt das Schlachten seit seiner frühen Kindheit. „Als er ganz klein war, hat er sich am Tag der matances immer in den Orangenbäumen versteckt", erzählt seine sieben Jahre ältere Schwester Magdalena. „Aber je älter er wurde, hat es ihn immer mehr interessiert - er wollte alles lernen."

Es war vor allem der Vater, der ihm das Handwerk beigebracht habe. „Als ich neun oder zehn war, hat mir mein Vater das Messer in die Hand gedrückt und seine Hand darumgelegt. So habe ich mein erstes Schwein getötet", sagt der junge Mann. Er habe schon als kleiner Junge gewusst, dass er Landwirt werden wollte. Sein Leben dreht sich um Schweine. Er baut das Futter für sie an, züchtet sie, schlachtet sie, verkauft sie. Halbtags arbeitet er zudem in Porreres bei einer Firma, die Sobrassada herstellt.

Genau wie Martorell macht Genovart ausschließlich Hausschlachtungen. Seine Lieblingsaufgabe sei, das Schwein zu schneiden und auszunehmen. Seine Kunden sind ausschließlich Mallorquiner. „Ausländer haben mich noch nie beauftragt, nicht mal forasters, Leute vom Festland." Fünfzig Euro nimmt er dafür, das Schwein zu töten und zu zerteilen. Je nach Entfernung der Finca und dem zusätzlichen Arbeitsaufwand steigt der Preis.Die Schlachtung beim Rathaus anmelden

Bei Martorell gibt es keinen festen Preis. „Es kommt darauf an. Muss ich das Tier nur töten oder auch zerteilen? Muss ich gar bei der Herstellung der Sobrassada helfen? Das macht einen großen Unterschied, gerade wenn man ins Alter kommt." Manchmal tausche er auch Dienstleistungen aus. „Häufig bringt es mir mehr, wenn mich jemand im Austausch für die Schlachtung einen Tag lang auf der Finca unterstützt, anstatt mich zu bezahlen."

Es gibt auf den Balearen keine gesonderten Regeln, was die Schlachtungen angeht, heißt es aus dem Agrarministerium. Alles sei über nationale und EU-Richtlinien geregelt. Laut Martorell ist nur die Überprüfung durch einen Tierarzt erforderlich. Dafür schneidet er, wenn er das Tier zerlegt, ein Stück Fleisch zwischen der Hüfte und der Lunge heraus. Die Schlachtung muss er vorher im Rathaus anmelden. Für 25 Euro bekommt man dort eine Plastiktüte, in die das Stück Fleisch gesteckt wird. Die Tüte wird nach der Schlachtung im Rathaus abgegeben. Wenn der Veterinär seine Proben gemacht hat, bescheinigt er die Gesundheit des Tieres. „Das dauert normalerweise zwei Wochen." Wird irgendeine Krankheit gefunden, muss das Fleisch entsorgt werden.Die Meinung der anderen respektieren

Martorell sagt, er habe kein Problem damit, wenn jemand die matances nicht für richtig hält. „Ich respektiere andere Meinungen. Wer etwa keine Stierkämpfe mag, soll nicht hingehen müssen. Aber wenn man schon ein Schwein oder ein Lamm zu ­Hause hat, dass man nutzen möchte, sollte man auch die Möglichkeit dazu haben." Sein Sohn etwa esse zwar gern Fleisch, wolle aber von den matances nichts wissen. „Er erträgt nicht mal den Geruch. Also lade ich ihn gar nicht mehr ein, wenn wir zu Hause ein Schwein töten."

Früher, sagt Martorell, hatten die matances noch einen ganz anderen Stellenwert. „Wenn die Familie geschlachtet hat, war das ein akzeptabler Grund, um nicht zur Arbeit zu gehen. Heute wäre das undenkbar." Deshalb hat

Martorell praktisch nur noch Aufträge am Wochenende. „Die Arbeit, die ich mache, ist sehr verantwortungsvoll, gerade wenn man in Privathäusern ist. Der Stich muss sitzen. Und beim Aufschneiden muss man auch sehr genau wissen, was man macht, damit man nicht etwa aus Versehen die Innereien aufschneidet."Eine Generation wächst heran, die nicht weiß, wo Lebensmittel herkommen

Ähnlich sieht das Toni Genovart. Er glaubt, dass der Stich in den Hals am besten funktioniert. „Wenn man es richtig macht, ist das Schwein nach weniger als einer halben Minute tot." Probleme mit Tierschützern habe er zwei oder drei Mal gehabt, sagt Genovart. „Sie haben mir vorgeworfen, meine Arbeit nicht richtig zu machen." Auch auf der Straße schauten ihn die Leute manchmal komisch an. „Wenn man etwa die Kleidung voller ­Blutflecken hat, gucken manche, als ob man sonst was wäre. Das verstehe ich nicht. Was glauben die denn, wo das Fleisch herkommt? Mir macht das Angst, was da für eine Generation heranwächst, die nicht mehr weiß, wie ihre Lebensmittel erzeugt werden." Andererseits sehe er aber auch immer wieder Kinder bei den matances, die sich dafür interessierten.

Wir töten, um zu leben, nicht um dem Tier wehzutun", sagt seine Schwester Magdalena. Die Familie habe noch nie Fleisch bei einem Schlachter oder gar im Supermarkt gekauft. „Warum sollten wir? Hier wissen wir nicht nur, wo das Tier herkommt, sondern auch, was es sein ganzes Leben gefressen hat."

Genovart kennt zwei junge Männer in seinem Alter, die ebenfalls matances machen. Womöglich gehören sie zur letzten Generation, die das Handwerk in dieser Form ausübt. Sowohl Genovart als auch Martorell sehen keine große Zukunft für die Hausschlachtungen. „So wie die Welt gerade ist, werden sie es irgendwann verbieten", sagt der junge Mann.

Viele können und wollen sich keine matança mehr leisten

Der alte Schlachter hat nie einen Lehrling gehabt. „Das ist einfach nicht praktikabel. Bei den matances muss es zügig gehen. Da kann man nicht ewig erklären. Und man kann erst recht keinen Anfänger in einem fremden Haus das Schwein zerteilen lassen." Einmal habe er einen Anwärter gehabt. „Aber seine erste Frage war nach dem Gehalt, da habe ich ihn rausgeschmissen. Erst soll ich mit ihm Zeit verlieren und dann auch noch bezahlen? Es ist ja auch kein Job, von dem allein man irgendwann leben kann."

Zudem gelte es eines zu bedenken, sagt Martorell. „Eine matança ist teuer. Nicht nur das Tier und der Schlachter kosten Geld. Man muss auch die ganze Ausrüstung haben, um die Wurst herzustellen. Viele können und wollen sich das nicht leisten." Leiden die Tiere bei der durchgetakteten Tötung in den großen Schlachthöfen der Lebensmittel­industrie weniger? Das ist eine Frage, die matancers immer wieder beantworten müssen. „Ich glaube, es macht keinen Unterschied. Ein Tier, das getötet wird, wird immer leiden", sagt Martorell. „Das Leiden liegt in der Natur der Sache."