Der Zahn der Zeit ist ein harter und beständiger. Fast 30 Jahre schon steht eine vierstrahlige Convair 990 Coronado unweit der Hangars des spanischen Militärs auf dem Gelände der Luftwaffenbasis am Flughafen von Mallorca. Der Rost hat sich ausgebreitet, auf den platten Reifen häuft sich der Vogelkot.

„Niemand hat sich seitdem um diese Maschine gekümmert", klagt Javier Rodríguez von den Freunden des Flughafens Son Sant Joan. „Dabei gibt es nur noch vier von diesem Typ auf der ganzen Welt." Rodríguez begleitet die MZ-Reporter samt einigen Soldaten aufs Flugfeld, um die beeindruckende Coronado in Augenschein zu nehmen. Er weiß alles über die Geschichte dieses von der Firma Consolidated Vultee Aircraft Corporation in San Diego gefertigten Flugzeugs, das im Jahr 1961 erstmals von der Gesellschaft American Airlines eingesetzt wurde. „Die beiden einzigen gut gepflegten Coronados stehen im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern und auf dem Mojave-Flugfeld in Kalifornien", sagt Rodríguez.

Die Mallorca-Coronado wurde 1962 gebaut und flog von 1972 bis April 1987 für den Charterflieger Spantax. Damals gab es zeitweise eine Verbindung zwischen Palma und New York, über Madrid, die Azoren und der kanadischen Stadt Gander auf Neufundland. Nach der spektakulären Pleite der Linie 1988 stand die Coronado einige Zeit im Hangar und wurde dann, als die Miete nicht mehr beglichen wurde, herausgeschoben und sich selbst überlassen. „Die Convair 990 konnte über 1.000 km/h schnell fliegen", begeistert sich Rodríguez. „Um nicht die Schallmauer zu durchbrechen, brachte man oben auf den Flügeln längliche Zusatztanks an, die das Flugzeug bremsten."

Rodríguez und seine Freunde haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den eleganten Jet zu restaurieren, der seit 2011 unter Denkmalschutz steht. Wegen seines schlechten Zustandes eröffnete der Inselrat Ende 2016 ein Verfahren zur Aufhebung dieses Schutzes. Es dauert ein Jahr. Anfang 2017 begannen die Flugzeugnarren mit den ersten Reparaturarbeiten. Sie gehen davon aus, dass der Denkmalschutz erhalten bleibt, wenn die Spezialisten des Inselrats in den nächsten Monaten die Maschine inspizieren. „Wir haben mit einem Sandstrahl­gebläse besonders oxidierte Stellen auf Vordermann gebracht", sagt Arturo Redondo, der Rodríguez begleitet. Die Heckflosse haben die Flugzeugnarren mit Bändern umwickelt, um das Herunterfallen von Teilen zu verhindern. „Und im Innern haben wir eine jahrelang fehlende Notausgangstür wieder eingebaut", so Antonia Guardiola, ein weiteres Vereinsmitglied. Weil alles offen war, konnten Tauben und Ratten in die Kabine mit den 149 bläulichen und in Zeiten von Ryanair & Co. komfortabel anmutenden Sitzen eindringen.

Anders als die Passagierkabine und die geräumigen Bäder sieht das Cockpit aus, als wären dort gleich mehrere Bomben eingeschlagen. „Sämtliche Armaturen wurden auf dem Militärgelände von Unbekannten geklaut, wir werden sie durch Repliken, die ein Experte aus Sabadell für uns herstellt, wieder ersetzen", sagt Arturo Redondo.

So schnittig die Convair 990 Coronado ist, so sehr hatte sie Spantax geschadet. „Die nur 37 gebauten Maschinen waren sehr reparaturanfällig und fraßen Unmengen an Sprit", weiß Javier Rodríguez. „Spantax hatte dennoch mehrere davon aus zweiter Hand gekauft." Es habe sich um eine der „dümmsten wirtschaftlichen Entscheidungen der Luftfahrtgeschichte" gehandelt. Spantax setzte die Maschinen auch dann noch ein, nachdem sie von anderen Airlines schon lange aussortiert worden waren. Diese Fluglinien - SAS, Swissair, American Airlines oder Varig - nutzten in den 70er-Jahren und danach die unproblematischeren Lang- und Mittelstreckenflugzeuge vom Typ Boeing 707 und DC 8.

Vollends das Genick brachen Spantax mehrere Un- und Zwischenfälle. Häufig spielte dabei die Inkompetenz im Cockpit eine Rolle, etwa 1967, als der Airline-Chef persönlich bei einem Demonstrationsflug eine Convair 990 Coronado versehentlich auf einer viel zu kurzen Piste in Hamburg-Finkenwerder landete, statt wie vorgesehen in Hamburg-Fuhlsbüttel. Oder als am 4. April 1978 eine weitere Spantax-Maschine - diesmal keine Coronado - eine Bruchlandung hinlegte, weil die Piloten vergessen hatten, das Fahrwerk auszufahren. Menschen kamen wie durch ein Wunder nicht zu Schaden.

Tragisch verlief dagegen der Crash einer Spantax-Convair 990 Coronado am 3.12.1972 auf dem Flughafen Los Rodeos auf Teneriffa: Der Urlauber-Jet, der nach München-Riem fliegen sollte, überschlug sich im Nebel, alle 148 Gäste - vor allem deutsche Urlauber - kamen ums Leben. Angesichts dieser und weiterer Vorkommnisse verwundert es nicht, dass immer wenige Urlauber mit Spantax fliegen wollten.

Heute ist das alles nur noch ferne Erinnerung. In der über eine verschiebbare Treppe zugänglichen Kabine der verwitterten Coronado macht sich Javier Rodríguez laut Gedanken darüber, was man mit dem Flugzeug nach der Restaurierung anstellen kann. Am liebsten wäre ihm, die Coronado auf einer an den Flughafen grenzenden betonierten Fläche auszustellen, die dessen Betreiber Aena gehört. Sie befindet sich direkt neben einem Kreisverkehr beim Dorf Sant Jordi. „Um den Jet hinzubringen, müsste man nur einen Teil der Flügel kappen und dann wieder anbringen."

Viel schwieriger würde es sich gestalten, die Maschine - wie von den Behörden vorgeschlagen - zum 15 Kilometer entfernten Flugplatz Son Bonet zu schaffen. „Wie müssten sie dann völlig zerlegen und mühsam wieder zusammenbauen."

Um mit der Restaurierung voranzukommen, bemühen sich die Flughafenfreunde um private Sponsoren und um eine finanzielle Unterstützung durch den Inselrat. Zudem wünschen sie sich noch weitere freiwillige Helfer - gern auch technikbegeisterte deutsche Handwerker.

Kontakt: Telefon: 627-72 48 10 (Javier Rodríguez)