Es ist in jeder Hinsicht ein Geister­friedhof. Rund 5.000 Gräber verteilen sich in konzentrischen Kreisen um einen zentralen Platz. Die Erdhügel vor den Holzkreuzen sind von Unkraut überwuchert. Und die Gräber sind leer. Der Friedhof ist die vergessene Kulisse des Filmklassikers „The Good, the Bad and the Ugly" - in den deutschen Kinos lief er unter dem Titel „Zwei glorreiche Halunken" -, und zwischen den Gräbern drehte Sergio Leone im Jahr 1966 den wohl berühmtesten Showdown der Filmgeschichte.

„Man wusste gar nicht mehr, wo der Friedhof überhaupt lag", meint Luisa Rosselló. Die ­junge Frau, die von Mallorca stammt, ist Produzentin der Dokumentation „Sad Hill Unearthed", die nicht nur erzählt, wie der Friedhof von einer Schar internationaler Fans rekonstruiert wird, sondern auch die Protagonisten des Filmklassikers rund 50 Jahre später noch einmal zu Wort kommen lässt - darunter Schauspieler Clint Eastwood und Filmkomponist Ennio Morricone.

Spanien bot regelmäßig die Kulisse für Italo-Western, die sich von einer Kopie der US-Western zu einem eigenen Genre emanzipieren sollten. Kennzeichnend sind Anti-Helden in schmutziger Kulisse, extreme Nahaufnahmen, die sich mit Supertotalen abwechseln, und vor allem die Musik von Morricone, der den Protagonisten eigene Leitmotive auf den Leib komponierte. Während Drehorte in Almería allgemein bekannt sind und noch heute besichtigt werden können, wurden die Kulissen andernorts wie in Madrid eingestampft - oder gerieten wie in Burgos in Vergessenheit.

Es war Ende 2014, als Regisseur Guillermo de Oliveira durch Zufall von dem Vorhaben erfuhr, den Friedhof zu rekonstruieren. Der Lebenspartner von Rosselló war schon immer davon fasziniert, Drehorte von Leinwandklassikern zu besuchen, dachte aber zunächst an ein Video für seinen Youtube-Kanal. Vor Ort ließ ihn dann das Thema nicht mehr los, zumal die Landesregierung von Kastilien-León 2015 die Genehmigung für den Wiederaufbau des Friedhofs gab. „Es war nebelig, ich konnte nur zehn Meter weit sehen, aber es lag ein Zauber in der Luft", so Oliveira. „48 Jahre nach dem Dreh konnte man die Originalgräber noch erkennen."

Mit einer Drohne wurde zunächst das Gelände vor und während der Arbeiten gefilmt. Das Projekt für einen abendfüllenden Dokumentarfilm entstand nach einem Interview mit Christopher Frayling in London, dem Biografen von Sergio Leone. „Er zeigte uns, dass es hinter der Geschichte des Friedhofs noch eine viel spannendere gibt, nämlich wie der berühmteste Western der Film­geschichte damals entstand."

Von da an machten sich Rosselló und Oliveira auf die Jagd nach Interviews mit den damaligen Machern, allen voran Eastwood und Morricone. Deren Agenturen sagten immer wieder Nein, „ich wurde sogar gebeten, bitte nicht mehr anzurufen, so penetrant waren wir", erzählt die mallorquinische Produzentin. Dass es dann doch noch klappte, war im Fall von Eastwood Glück - er erfuhr zufällig von dem Vorhaben und war begeistert - sowie im Fall von Morricone dessen Frau zu verdanken. Sie habe solange auf ihren Mann eingeredet, bis er sie erst schlecht gelaunt, dann aber doch bereitwillig in seinem Haus und Studio in Italien empfing.

Die Filmlegenden erinnerten sich reihenweise an Anekdoten während der Dreharbeiten, für die das Umfeld des Amerikanischen Bürgerkriegs im spanischen Burgos nachgestellt wurde. Da war beispielsweise das kooperationsfreudige Heer von Diktator Franco, das allerdings nicht vor Missgeschicken gefeit war. Die Soldaten hatten eigens für einen Tageslohn von 150 Peseten eine Brücke errichtet, die im Film in die Luft gesprengt wird. Eastwood bewunderte damals die Explosion von einem nahen Hügel - bis er erfuhr, dass sie zu früh eingeleitet worden war und die Kameras noch gar nicht liefen. Dem verantwortlichen Offizier war die Sache so peinlich, dass er die Brücke noch einmal aufbauen ließ, während das Team von Leone zwei Wochen in Almería filmte. Und der Offizier kam schließlich auch dem Wunsch nach, dass seine Untergebenen doch bitte 5.000 Gräber aufschütten sollten.

Hier kommt es zum Finale der verschlungenen Geschichte, hier treffen Auftragskiller Sentenza, ein blonder Revolvermann sowie Bandit Tuco auf der Suche nach der Regimentskasse der Südstaatenarmee zusammen, die in einem der Soldatengräber vergraben ist. Der Clou: Die Filmmusik gab es schon vorher, Morricone spielte sie den Schauspielern am Drehort vor, Kamera und Schnitt folgten der Partitur, wie der Komponist der Mallorquinerin im Interview verriet.

Das Hauptthema, das an das Heulen eines Kojoten und galoppierende Pferde erinnert, die wiederkehrenden Leitmotive für die drei Protagonisten - Flöte für den Blonden, Okarina für Sentenza, Gesang für Tuco -, dann die „Ekstase des Goldes" auf dem Friedhof und die Solo-Trompete beim Schluss-Duell: Die Komposition gilt als eine der besten Filmmusiken aller Zeiten. „Es war die zweite Version, Leone hatte die erste abgelehnt", berichtet Rosselló über die Filmmusik für die Friedhofszene, die im Übrigen auf einer halben Seite im Drehbuch basierte, letztendlich aber 20 Minuten lang werden sollte.

Dass sich noch heute Fans aus aller Welt für den Film interessieren, erklärt sich die 39-Jährige auch mit einer Art Pseudo-Religion um den Mythos. So kamen denn auch in Crowdfunding-Kampagnen bislang mehr als 50.000 Euro zusammen, die Produktionskosten sind abgedeckt. Ein Anreiz war wohl auch, dass die Fans nun selbst auf dem Friedhof verewigt sind. Ab einem Beitrag von 15 Euro wird ihr Name auf den bislang 1.500 restaurierten Grabsteinen eingetragen - mit Geburts-, aber ohne Sterbedatum.

Die Dokumentation „Sad Hill Unearthed" kommt im September in Spaniens Kinos. Website der Fanvereinigung: www.acsadhill.es