Der bärtige Barkeeper winkt aus der Küche. „Komm her", ruft er. Also geht's in die Küche. Dort bekomme ich eine orangefarbene Perücke und eine rosafarbene Brille aufgesetzt. „Du bist jetzt die Sekretärin." „Und was soll ich machen?" „Du tippst einfach mit", sagt der Barkeeper, und drückt mir eine Art Taschenrechner in Tabletgröße in die Hand.

In der Sifoneria an der Avinguda Joan Miró, 73, in Palma kann das passieren. Dass man einfach mitmachen muss bei dem, was sich Juan Carlos Montoro, der Mann mit dem dichten Bart, ausgedacht hat. Dabei geht es ihm einfach da­rum, dass sich die Gäste untereinander ­kennenlernen.

Schon von außen sieht man, dass diese Bar nicht so wie andere ist. Was wohl mal eine Fensterfront war, ist mit Getränkekisten ausgefüllt. Von der Straße aus nimmt man gar nicht wahr, wie groß die Sifoneria wirklich ist.

Bunte Kisten und Sifonflaschen

Auch im ersten Raum, in dem der Tresen steht, türmen sich die bunten Kisten und die Sifon­flaschen. Unter der Bar ist eine Riesensammlung an Kassetten verstaut. Die Wände sind mit einer handgeschriebenen Speise- und Getränkekarte und diversen Sprüchen verziert. An anderen Teilen der Wand findet man Schallplattencover von spanischen Musikern aus den 60er-Jahren. Das Chaos wirkt gemütlich. Die bunten Farben sind nicht aufdringlich. Alles ist irgendwie improvisiert. Und folgt gleichzeitig einem stringenten Muster. Dieser Laden ist in sich stimmig.

Durch einen engen Gang geht es in einen zweiten Raum, der an diesem Abend aber leer bleibt. Dahinter eröffnet sich eine Terrasse mit Blick auf Häuserfassaden und eine Baustelle. Es ist ein lauschiges Örtchen, viel kühler als in den etwas stickigen Räumen. Wie eine kleine Oase in diesem von Riesenhotels und leer stehenden Wohnhäusern geprägten Dschungel namens El Terreno.

Der Plattenspieler am Tisch

Der Rotwein kostet 1,40 Euro, ob man einen Eiswürfel möchte, wird man gleich bei der Bestellung gefragt. Dazu gibt es eine großzügige Schale Oliven. Am Nachbartisch hat sich eine Gruppe Pizza bestellt. Die kostet hier vier bis sechs Euro und wird stilecht im Karton serviert. Grundsätzlich sind die Preise ziemlich moderat. Das Glas Cava kostet 2,50 Euro.

Zur Pizza bekommt die Gruppe einen Plattenspieler neben den Tisch gestellt, auf dem unter anderem „Azzuro" läuft und der die Musik, die ansonsten in der Bar läuft, deutlich übertönt. Keiner der Gäste - zumeist junge Leute, zumeist Mallorquiner - hat damit ein Problem. Das Chaos ist vorprogrammiert in einer Bar, die sich früher in der Altstadt befand, dort aber wegen Lärmproblemen mit den Nachbarn schließen musste und nun den Geist des ehemaligen Ausgehviertels El Terreno wiederbeleben möchte. Seit diesem Sommer versteht sich die Sifoneria als „Post-Beach-Club".Wie eine Gameshow aufgezogen

Bei dem Spiel, bei dem man als Sekretärin verkleidet wird, stehen acht Sifonflaschen in einer Kiste. Unten haben sie ein Stück Klebeband, auf denen entweder „Sí" oder „No" steht. Wer die richtige Flasche zieht, bekommt einen Kurzen ausgeschenkt.

Das Ganze könnte sich vielleicht auch in einer billigen Touri-Falle abspielen, in der Sifoneria aber wird es als Gameshow aufgezogen. Inklusive eines mit einer gelben Perücke versehenen Moderators und einer selbst gesungenen Melodie. Bei jedem Fingerzeig der fünf Kandidaten auf eine Flasche wird das Publikum nach seiner Meinung gefragt. Die beiden Zuschauer rufen grundsätzlich Nein. Und ja, dann gibt es noch die Sekretärin, die eigentlich keine Aufgabe hat, außer so zu tun, als ob sie mittippt. Und die immer wieder gefragt wird: Was sagt die Sekretärin? Applaus, Applaus.

Sifoneria, Avinguda Joan Miró, 73, Öffnungszeiten: Di., Do., Fr., Sa. 20.30 bis 1 Uhr. Buslinien 3,20 und 46 über El Terreno. Linie 1 und Nachtbusse über den Paseo Maritimo.