Wo ist der geografische Mittelpunkt Mallorcas? So simpel die Frage erscheinen mag, so schwer ist es, eine einzige Antwort da­rauf zu finden. Denn es gibt verschiedenste Möglichkeiten, das Zentrum der Insel zu ermitteln, und sie alle gelangen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Der Geografie-Professor Antoni Ginard, der Geschichtsprofessor Andreu Ramis und der Fern­erkundungs-Spezialist Joan Bauzà haben das Phänomen jetzt in dem Buch „El centre geogràfic de Mallorca" zusammengefasst - und bringen darin noch mehr Möglichkeiten ins Spiel.

Insgesamt gibt es dadurch mittlerweile 15 Anwärter für den Nabel der Insel. Die meisten von ihnen liegen in den Gemeinden Sencelles, Lloret de Vistalegre, Sineu, Costitx und Sant Joan - in der Inselmitte eben. Schon seit Jahrhunderten wird in diesen Orten an Legenden rund um das Zentrum Mallorcas gestrickt. „Die Frage ist bei einer Insel naheliegend, da ihre Grenzen durch das Meer so klar definiert sind", so Buchautor Joan Bauzà. Nicht wenige vermeintliche Mittelpunkte Mallorcas sind denn auch mit Monumenten oder Bauwerken gekennzeichnet.

Für jeden sichtbar

So soll beispielsweise der Glockenturm von Sineu, glaubt man einer alten Legende, sogar direkt auf dem Stellwerk der Welt errichtet sein. Der Llorac-Brunnen in Lloret trug einst den lateinischen Namen „Hic Maioricae Medium", „dies ist Mallorcas Mittelpunkt". Die herzförmigen Steinskulpturen, die sich im Baronia-Brunnen in Sant Joan finden und bis zu seiner Renovierung im Jahr 1999 auch im Judí-Brunnen von Sencelles, sollen ebenfalls symbolischer Bedeutung sein: Hier schlägt das Herz der Insel.

Versöhnlicher, deshalb aber nicht weniger zentral gibt sich die steinerne Markierung, die genau auf den Gemeindegrenzen zwischen Sineu, Lloret und Sant Joan aus dem Boden emporragt, ganz nach dem Motto: Wir sind doch alle mittig.

Hilfe der Wissenschaft

Nicht eingeschlossen fühlen sich da die Bürger von Costitx. Im Jahr 1992 gab das Rathaus der kleinen Gemeinde daher eine Studie bei der Balearen-Universität in Auftrag. Neue technische Methoden sollten Klarheit bringen. Und siehe da: Die Ergebnisse sprachen klar für Costitx.

2005 schlug das Rathaus von Lloret zurück und ließ sich durch eine Madrider Studie belegen, dass die Deinat-Höhle das wahre Inselzentrum ist - selbstverständlich im Gemeindegebiet von Lloret gelegen. Für diejenigen, die davon nichts halten, bietet Lloret alternativ die Höhenmarke von Son Gelabert an, die allerdings kaum jemand kennt.

Die Autoren des auf Katalanisch erschienenen Buches wollten es nicht bei dem Aufwärmen alter Streitereien belassen - und gossen augenzwinkernd neues Öl ins Feuer. Und so wandten auch sie zwei verschiedene Messtechniken an und kamen wiederum zu zwei gänzlich neuen Mittelpunkten: einem in Costitx und einem in Sencelles. Enttäuscht darüber, dass auch sie die Frage nicht abschließend klären können, scheinen die Wissenschaftler aber nicht zu sein.

„Letztlich haben alle recht - und zugleich niemand von ihnen", heißt es gegen Ende des Buches. Mallorca sei nun einmal schwer zu greifen in seiner Vielfalt. „Seine Ecken und Kanten, Ausbuchtungen und Buchten, Höhen und Tiefen, lassen einfach mehrere Ergebnisse zu." Und überhaupt: Eigentlich sei es ja auch vollkommen irrelevant, wo genau das Zentrum der Insel liegt. „Viel spannender sind die alten und neuen Diskussionen darüber." Und die werden mit Sicherheit auch in Zukunft nicht

aufhören.

„El centre geogràfic de Mallorca. Percepció del territori iidentitat local" (Das geografische Zen­trum von Mallorca. Wahrnehmung des Territoriums und lokale Identitäten) El Gall Editor, 12 Euro.