Für die Tomate läuft dieses Jahr alles bestens. Doch auf dem Weg über die Felder zu ihren Stauden brennt die Sonne an diesem Morgen unerbittlich und dabei ist es noch nicht mal zehn Uhr. Den Schwitzenden voran schreitet Biel Torrens, der mit seinem Bruder in der dritten Generation den Biohof Ca'n Caló, nahe dem Weiler Ruperts an der alten Landstraße nach Palma betreibt. Der 49-jährige ist Vorsitzender der balearischen Slow-Food-Bewegung sowie der Vereinigung der Landwirte Unió de Pagesos de Mallorca.

Vom Feld zum Markt

Auf Ca'n Caló werden 100 Hektar Land ökologisch bestellt, die über das Bio-Zertifikat des Inselrats verfügen. Auf dem Weg zu den Tomatenfeldern kommt man an langen Reihen Stauden der mallorquinischen Paprika pebre vermell de tap de cortí vorbei. Die Schoten sitzen auf den Pflanzen obenauf und sind derzeit noch tiefgrün. Ist die Gewürzpaprika rot und reif, wird sie innerhalb weniger Tagen geerntet und ausgeliefert.

Nicht so die Tomaten. „Sie ist der Star im sommerlichen Gemüsegarten", sagt Torrens. Nach ihnen schaut er täglich. Haupterntetage sind im Juli und August die Donnerstage und die Freitage. Denn verkauft wird samstags auf dem Biomarkt in Santa Maria del Camí und sonntags in Palma auf der Plaça dels Patins. 1.100 tomateras sind dieses Jahr gepflanzt worden und wenn nichts dazwischen kommt, können bis Ende August 2.200 bis 2.500 Kilogramm gepflückt werden. Noch kosten Öko-Salat und Eiertomaten 2,50 Euro das Kilogramm, wenn in Bälde die Tomaten auf der ganzen Insel reif sind, werden sie 1,50 kosten. Wenn alles gut geht, halten sich die Preise für Ochsenherz und Ramallet bei 3,50 Euro.

Doch noch ist es nicht so weit. Derzeit reifen die Früchte, die zuunterst am Strauch hängen. Das ist nicht so wie bei den Orangen, die am Baum zuerst dort süß werden, wo sie am meisten Sonne abbekommen. Die einjährige Tomatenpflanze bildet die ersten Blüten, wenn sie noch klein ist, danach wachsen sie und der Vorgang wiederholt sich: es kommen neue Blüten und immer neue Früchte, die oben hängen reifen zum Schluss.

Für die diesjährige Saison wählte der Biobauer niedrige, buschige Stauden, die nicht an Schilfrohren aufgebunden und höchstens 50 Zentimeter hoch werden. Es überrascht den Besucher, wie schwer sie an ihren Früchten tragen, wie erschöpft und welk die Pflanzen auf dem Höhepunkt ihrer Produktion wirken. Sie rollen ihre behaarten Blätter ein und schützen die Früchte trotzdem vor allzu viel Sonne. Um den Strauch zu entlasten, werden reife Früchte umgehend gepflückt.

Dass die Ernte so üppig ausfällt, liegt auch an der Behandlung des Bodens. Zwischen den langen Reihen liegt Unkraut auf der Erde, das wird ausgerupft und als Mulchschicht auf die Erde gelegt. So schützt es den Boden vor Verdunstung, später dann wird es mit dem Traktor unter die Erde gemischt. Dabei wird die Erdkrume nicht umgedreht, wie das beim Pflügen geschieht. Der Boden wird nur leicht aufgelockert, das macht ihn durchlässig für Wasser und Luft. Das untergemischte vertrocknete Kraut versorgt die Erde mit zusätzlichen Nährstoffen.

Eigene Hofsorten

Torrens arbeitet nach den Prinzipien der Permakultur, aber noch wichtiger ist für ihn, dass er sein Land so wie sein Großvater bestellt. Er ist Landwirt aus Leidenschaft und sieht sich als Hüter einer Inselkultur, die es verdient, nicht in Vergessenheit zu geraten. Dazu gehört unter anderem, die Tomaten aus den hofeigenen Samen zu ziehen und den großen Saatgutkonzernen die Stirn zu bieten. Er wählt Sorten, die frisch auf den Tisch kommen, sich aber auch zum Trocknen, Einwecken oder für die Lagerung als Zöpfe eignen, ohne dass umweltbelastende Konservendosen ins Spiel kommen.

Während Torrens die Stauden entlang geht, und die Sorten erklärt, pflückt er von jeder Sorte ein Exemplar ab. Wie beispielsweise eine Eiertomate, die durch langjährige Zuchtauswahl länger und dünner als die herkömmliche ist, schnell reift und für ihre Produktivität bekannt ist. Jede der Stauden hat zwei bis drei Kilogramm tomàtigues de ­pera zu tragen. Weil sich die „Birnentomate" gut in Scheiben schneiden lässt und wenig Saft enthält, wurden sie traditionell durch Trocknen konserviert. Dafür gibt es neuerdings auf Can'n Caló einen mit Mandelschalen oder Holz beheizbaren Trockenofen. Ende August wird der Biolandwirt die ersten Versuche starten: Die ­Scheiben kommen mit etwas Salz bestreut auf Holzleisten in den Spezialtrockner. Dabei verlieren sie 95 Prozent ihres Gewichts. Das erklärt auch den stattlichen Preis von 22 Euro pro Kilogramm.

Auch die Zopftomate (tòmatigua de ramallet) reift schnell und muss im Juli und August geerntet werden. Danach scheint die Sonne seltener und die Intensität des auf dem pa amb oli so beliebten Geschmacks lässt nach. Derzeit wird die Ramallet-Tomate nicht mehr gegossen, das bewirkt, dass ihre Haut dick und fest gerät, was sie zehn Monate lagerfähig macht. Damit sie später zu einem Zopf gebunden werden kann, ist diese Sorte mit einem Gelenk am Stiel ausgestattet. Wenn sie gepflückt wird, bleibt gerade so viel vom Strunk übrig, dass sie an den Zopf geknüpft werden kann.

Die Salattomaten sind ebenfalls aus hauseigenen Samen gezogen und erfüllen alle Kriterien, einer tomàtiga d'ensalada. Sie sind groß, rund und mit glatter, feiner Haut ausgestattet. In ihren Kammern verbirgt sich saftiges Fruchtfleisch mit hohem Zuckergehalt. Deshalb ist sie für Salate und zum Einwecken geeignet.

Das Ochsenherz hat unter den mallorquinischen Tomaten das größte Format. Sie muss als Erste auf das Feld ausgepflanzt werden, denn bis sie reift, dauert es lange und die ersten Herbstregen können der feinen Haut Schaden zufügen. Ihre Stauden in Ca'n Caló sind extrem produktiv, die riesigen herzförmigen Tomàtigues de cor de bou liegen der Schwere wegen dicht am Boden. Wenn sie reif sind, bieten sie viel süßes Fruchtfleisch.

Es werden immer mehr Tomaten, die Torrens in einer Hand hält. Liegen bleiben dagegen Früchte, die durstige Rebhühner angepickten. Seit Kurzem steht eine Vogelscheuche auf dem Feld und die Gefiederten wagen den Anflug auf die Stauden nicht mehr.

Als am Ende des Rundgangs keine Tomate mehr in seine Hand passt, holt der Mallorquiner zwei hellgrüne Paprika mit der anderen. Vom Nachbarfeld holt er noch eine weiße süße Zwiebel, die ceba blanca dazu, die auf der Insel ebenfalls roh gegessen wird. „Jetzt haben wir alle Zutaten für ein trempó", sagt Torrens lachend. Das ist der inseltypische Sommersalat, der mit Öl und Salz am besten dann schmeckt, wenn das Gemüse noch sonnenwarm vom Feld kommt. Die Hitze wird unerträglich und Torrens zieht sich zur merienda in das kühle Haus zurück.

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