Es braucht oft wenig, um das ­Leben zu genießen. Im Süden geht das so: ein lauer Sommerabend, ein Dorfplatz, hübsch dekoriert, Musik aus großen Boxen - und schon kann's losgehen. Der erste Song ist Tush Push („Chattahoochee" by Alan Jackson), was so viel heißt wie „Beweg deinen Hintern". Und genau darum sind die geschätzt hundert Menschen hier. Der Dorfplatz von Santa Margalida im Nordosten der Insel füllt sich, Jung und Alt, Frauen und Männer beginnen zu tanzen. Nicht irgendwie, sondern geordnet in Reihen, weil man beim Line Dance, wie das Motto der Veranstaltung heißt, in Linien vor- und nebeneinander tanzt. Die Schritte sind passend zur Musik choreografiert, die meisten Stücke stammen aus der Country- und Popmusik, dazu Rock, Klassik und regionale Musik.

Auf den sommerlichen trobadas, den Dorffesten, treffen sich Line Dancers von der ganzen Insel. Inzwischen gibt es in jeder größeren Gemeinde Mallorcas einen Club. Los ging die Insel-Euphorie für den aus den USA stammenden Tanz vor 17 Jahren, in einer Bar in Cala Major. Dort stand Ingrid Monti hinter dem Tresen, und da die Belgierin aus Bergen nicht das übliche Programm bieten wollte, legte sie im La Bandera Country-Musik auf. Als ein holländisches Paar dazu Line Dance tanzte und die Gäste aufforderte, mitzumachen, war es um Ingrid geschehen. Sie lernte „wie irre" Schrittfolgen und bildete bald erste Lehrer in Line Dance aus. „In den Hochzeiten gab es drei Kurse pro Abend, wir tanzten von 18 Uhr bis Mitternacht", erinnert sich Ingrid, die inzwischen die Bar verkauft hat und jetzt in der Yachtbranche arbeitet.

Elena Llodrá packte vor 15 Jahren die Line-Dance-Euphorie, auch in Ingrids Bar. Die zwei Frauen bildeten zusammen über 20 Lehrer aus und gründeten 2013 den Verein Line Dancers Mallorca, der seine Adresse im Pueblo Español hat, wo auch mehrmals wöchentlich Tanzkurse stattfinden (Kurs circa 12 Euro/Monat). Line Dance, der in den 60er-Jahren nach Europa kam und durch den Film „Saturday Night Fever" mit John Travolta richtig bekannt wurde, lässt sich zum Rhythmus von Bolero, Cha-Cha-Cha, Merengue, Samba und vielem mehr ­choreografieren. Weltweit entstehen jede Woche mindestens 50 neue Choreografien, die per Youtube ­international verbreitet werden - auch von Mallorca aus. So kommt es, dass Line Dancers weltweit zu einem bestimmten Musiktitel dieselben Figuren tanzen. Als Anfänger lernt man zunächst ein Repertoire von zehn bis 20 Tänzen, mit denen man zu fast jeder Musik passende Schrittfolgen improvisieren kann. Fortgeschrittene beherrschen oft hundert oder mehr Tänze. Line Dance ist zwar ein Einzeltanz, doch es gibt Stücke, wo man gegenüber, im Kreis oder auch paarweise tanzt.

Ungeübte, die in Santa Margalida spontan vom Rand der Tanzfläche­ in die Linie einsteigen wollen, haben beim Mediterranean's Tirol („Cowboy Yodel" by Cliona Hagan) eine Chance. Die Schrittfolgen sind einfach und dennoch schwierig, versucht man ihnen spontan zu folgen. Am besten, man orientiert sich an einem Vordermann, der es kann. Zu fröhlichen Jodlern (ja, die gibt's auch auf spanischen Dorfplätzen) tanzen je zwei Reihen gegenüber, dann geht's mit dem Nebenmann oder der Nebenfrau Arm in Arm im Kreis herum, auf die Schritte kommt es jetzt nicht so genau an, Hauptsache man hat Spaß.

„Das Schöne beim Line Dance", sagt Ingrid, „ist ja, dass auch Personen zusammen tanzen können, die sich nicht kennen und nicht dieselbe Sprache sprechen." Viele Club-Kontakte entstehen übers Internet, wenn Touristen „Linedance Mallorca" googeln, bevor sie auf die Insel kommen. „Man findet sofort Anschluss und hat Freunde überall auf der Welt", sagt Elena, die schon wieder in Bewegung ist. Weiter geht's mit You Shook Me All Night Long (Steve N'Seagulls), eines der momentanen Top-Ten-Stücke aus den Line Dance Charts - und definitiv nichts für Anfänger. Die haben jetzt Zeit für ein kühles Getränk in einer der Bars und für das erste zarte Line-Dance-­Fachgesimpel.

www.linedancersmallorca.webs.com