Wenn Deutsche an eine typische Spanierin denken, dann haben sie in der Regel eine dunkelhaarige Schönheit mit Flamenco-Kleid im Kopf, die lässig einen Fächer schwingt. Und tatsächlich sieht man auch auf Mallorca im Sommer immer wieder Damen, die sich gekonnt mit ihrem abanico Luft zuwedeln. Was viele nicht wissen: Fächer haben zwar in Spanien Tradition, doch ursprünglich stammen die tragbaren Klimaanlagen aus dem Orient.

Schon die Ägypter setzten auf Frischluftzufuhr mit großen Palmwedeln. Und einer Legende nach kam einst, vor langer Zeit, eine chinesische Kaufmannstochter ins Schwitzen und nahm ihre Augenmaske ab, die sie vor den Blicken neugieriger Männer schützen sollte. Nervös wedelte sie mit der Maske vor ihrer Nase hin und her, um einen kühlen Luftzug zu spüren und gleichzeitig ihr Antlitz zu verdecken. Bald ahmten viele andere Frauen die praktische Geste nach, die Idee des Fächers war geboren.

Maribel Segura schüttelt den Kopf. „Meines Wissens stammt der Fächer aus Japan", sagt sie. Segura betreibt in Palmas Altstadt im Carrer Jaume II. den Laden „Paraguas, Sombrillas, Abanicos & Bastones" . Hier gibt es Fächer in allen Farben und Größen und aus den verschiedensten Materialien. Entsprechend breitgefächert sind - wie könnte es anders sein - auch die Preisklassen. Sie fangen bei einfachen Plastikwedeln an, die lieblos in Kisten unter dem Verkaufstresen gelagert und schon für 2,50 Euro zu haben sind, und enden bei einem großen handbemalten Fächer, der sofort ins Auge sticht. 3.000 Euro müssen Kunden für das antike Stück hinlegen. „Das Gerüst ist aus Elfenbein", rechtfertigt Maribel Segura den Preis. Das Bild da­rauf zeigt feine Leute - vielleicht Adelige - in Kleidung im Stil des 18. Jahrhunderts.

Tatsächlich waren Fächer bis zum frühen 20. Jahrhundert ein nahezu unverzichtbares Accessoire der Dame, ein Statussymbol, das den Wohl- und Anstand der Besitzerin widerspiegelte. Auch der Begriff Fächersprache ist auf diese Zeit zurückzuführen. Bei gesellschaftlichen Veranstaltungen tauschten die jungen Unverheirateten so nonverbale Geheimbotschaften aus. „Fächer geschlossen an der linken Wange gehalten" hieß beispielsweise „ich liebe dich" - und zwar in vielen europäischen Ländern.

„Ich weiß gar nicht, warum Fächer immer so mit Spanien in Verbindung gebracht werden. Früher waren sie in der Oberschicht auch in anderen Ländern Europas verbreitet", so Segura. „Vermutlich liegt es an der Hitze, hier in Spanien sind die abanicos ja auch wirklich sinnvoll." Ebenfalls dazu beigetragen haben wohl auch die frühen, auf das 15. Jahrhundert zurückgehenden Handelsbeziehungen der iberischen Halbinsel mit dem

Orient. Im 17. Jahrhundert machten sich erstmals spanische Künstler wie Juan Sánchez Cabezas und Juan García de la Rosa mit ihrer Spezialisierung auf Fächer-Design einen Namen.

„Heute gibt es nur noch in Valencia kunsthandwerkliche Fächerfabriken", so Maribel Seguras. Auch ihr Geschäft bezieht die Ware von dort - und das bereits seit mehr als 100 Jahren. „Mein Großvater hat den Laden hier eröffnet, ungefähr im Jahr 1910. Zunächst war es eine Regenschirmfabrik, wenige Jahre später wurden auch Fächer und Gehstöcke ins Sortiment aufgenommen", berichtet sie. Erst übernahm ihr Vater, dann Maribel Segura selbst. Obwohl ihre Tochter mittlerweile ebenfalls in das Geschäft eingestiegen ist, steht die 78-Jährige noch immer regelmäßig im Laden. „Es gefällt mir eben", sagt sie, und zuckt mit den Schultern. Sie gibt aber auch zu: „Es sind nicht die besten Zeiten, die der Laden hatte." Das liege nicht daran, dass Fächer nicht mehr im Trend lägen. „Im Gegenteil", so Segura. „Eine Zeit lang hatten sie den Ruf, Schmuckstücke alter Leute zu sein. Aber das ist nicht mehr der Fall." Auch junge Frauen legten sich immer häufiger einen Fächer zu. „Das Problem ist, dass niemand viel Geld dafür bezahlen möchte."

Statt der wenigen traditionellen Geschäfte machen die Souvenir-Shops das Rennen. Die Billigware aus Asien ist nicht nur günstig, sondern auch auf Touristen abgestimmt. „Am besten verkauft sich der mit dem Stieraufdruck", berichtet eine Verkäuferin in einem Laden nur wenige hundert Meter von dem von Maribel Segura entfernt. Dieser Fächer kostet 4,90 Euro. „Und der hier natürlich auch", fügt sie hinzu und deutet auf einen mit „Mallorca"-Schriftzug.

Mit so etwas kann Maribel Segura nicht dienen. Und das, obwohl sie Hunderte von Fächern im Lager hinter dem Verkaufsraum aufbewahrt. „Aber wenn man ein Kleid für eine Hochzeit gekauft hat, kann man damit zu mir kommen. Ich habe sicher die passende Fächerfarbe", sagt sie und lächelt.