Die Steinmühle von Sa Pobla hebt sich malerisch im grünen Reisfeld ab, im Hintergrund zeigt die Tramuntana eine kinoreife Kulisse, darüber spannt sich ein oktoberblauer Himmel. Ein perfekter Tag, um Reis zu ernten, der goldgelb auf den Feldern von Sa Pobla steht und jetzt reif ist. Menschen, die mit den Füßen im Wasser stehend und Strohhüte tragend büschelweise Reis schneiden, sieht man nirgends. Nur einen großen roten Mähdrescher, der über das Feld fährt und Stoppeln hinter sich zurücklässt. Denn die Reispflanzen stehen in Sa Pobla nicht im Wasser, sie wachsen wie Getreide und Mais auf dem Acker, wo sie mit Sprühregen aus dem Schlauch bewässert werden.

"Zwischen früher und heute liegen Welten", sagt Catalina Serra Crespí, die mit einer Sichel am Feldrand Unkraut jätet, während ihr Sohn die Erntemaschine im Blick behält. Catalinas Eltern kultivierten Reis noch in der Albufera, wie das Feuchtgebiet östlich von Sa Pobla heißt. „Der Reisanbau war damals mühsam", erinnert sich die heute über 80-jährige Catalina. Die Reispflanzen wurden per Hand in den Schlick gesetzt, mit der Sichel geerntet, per Maultier und Karren auf die Finca gebracht und die Reiskörner von Hand gedroschen und an der Sonne getrocknet. Als Mitte der 50er-Jahre die Erntemaschinen aufkamen, zu groß für die kleinen Felder der Albufera, begannen Sa Poblas Bauern Reis im Trockenanbau zu kultivieren. Für die Reisernte konnten sie die gleichen Maschinen nutzen, mit denen sie auch das

Getreide einholten.

Heute bauen in Sa Pobla noch rund ein Dutzend Landwirte Reis für den privaten Bedarf an oder verkaufen ihn an Restaurants weiter. Catalina vertreibt ihren Reis als einzige offiziell, ihre Kinder Margalida und Joan gründeten vor zehn Jahren zusammen mit zwei weiteren Landwirten aus Sa Pobla die Firma Es Grif. Kiloweise im Baumwollsäckchen verpackt findet man den Rundkornreis Arròs Pobler Tradicional von Es Grif in Feinkostläden und in den Hipercentro-Märkten der Insel.

Rund 45 Tonnen betrug die Reisernte von Es Grif im vergangenen Jahr, die Hälfte stammt von den Feldern der Familie Serra Crespí, die andere von denen der Geschäftspartner. Auch in diesem Jahr bestellten Joan und Margalida gut die Hälfte ihrer zwölf Hektar großen Finca mit Reis, die andere Hälfte mit Kartoffeln, Zwiebeln und Artischocken. Doch während die Preise für Kartoffeln und Zwiebeln in den vergangenen Jahren fielen, verkauft sich Reis von Mallorca mit jedem Jahr besser. Seit August müssen die Geschwister ihre Abnehmer bereits vertrösten, da der Reis vom vergangenen Jahr verkauft ist.

Ihr Reis gehört zur Sorte bombeta und ist verwandt mit der Varie­tät arros bomba aus Valencia. Als Anfang des 20. Jahrhunderts die Valencianer Reispflanzen mit nach Mallorca brachten, wählten die Bauern mit jeder Ernte die Samen der gesündesten Pflanzen aus. So entstand im Laufe der Jahre die Sorte bombeta mit kleinen harten Reiskörnern, die sich beim Kochen auf die drei- bis vierfache Größe ausdehnen. Dadurch kann der Reis viel Würze und Geschmack aus der Brühe annehmen, in der er auf Mallorca gekocht wird, beispielsweise in der sopa de conejo (Kaninchensuppe), als arròs brut (Brühe mit Fleischeinlage) und natürlich in der Paella. Catalina vermengt den Reis im Verhältnis eins zu drei mit kochender Brühe und lässt ihn auf kleiner Flamme gar köcheln. Die Kochzeit ist etwas länger als bei anderen Reissorten, ist die Flüssigkeit aufgesogen, sollte man den Reis noch knapp zehn Minuten ziehen lassen. Preisgünstig ist der Inselreis mit 6,50 Euro pro Kilo nicht gerade. Dafür sei er sehr ergiebig, laut Catalina benötigt man pro Person nur etwa die Hälfte der Menge von Langkornreis. Das Besondere am Inselkorn: Es bleibt al dente und wird auch nach längerer Kochzeit nicht pampig. „Wenn ich mittags einen caldo mit Reis zubereite, schmeckt der aufgewärmt am Abend oder am nächsten Tag genauso gut", sagt Catalina. Im Kühlschrank hält sich der gekochte Reis mehrere Tage, Mallorcas Klima und Wasser seien dafür verantwortlich, glaubt die Köchin.

Wie schon ihre Großeltern benutzen Joan und Margalida für den Reisanbau ihre eigenen Samen. Die Aussaat erfolgt im April, geerntet wird zwischen September und Oktober. Das Wasser zur Bewässerung stammt aus dem eigenen Brunnen, mit dem Unterschied, dass früher die Windmühle das Nass aus dem Boden pumpte, während heute eine elektrische Pumpe den Job übernimmt. Bis zur Ernte werden die Reispflanzen zwei- bis dreimal gespritzt, zum Beispiel gegen den schädlichen Pyricularia-Pilz. Für

Joan „kein großes Thema", seine Kartoffeln müsse er fast wöchentlich gegen Ungeziefer und Krankheiten behandeln, so der Landwirt. Überhaupt sei der Reisanbau unkompliziert. Die Gefahren sind neben dem Pilzbefall zu viel Regen oder starker Wind kurz vor der ­Ernte, denn dann können die Pflanzen knicken und die reifen Körner frühzeitig zu Boden fallen.

Um das letzte Reisfeld in diesem Jahr zu ernten - es sind etwa 2,5 Hektar -, braucht der Mähdrescher gut drei Stunden. Die Reis­ähren werden in einem großen Anhänger gesammelt, den Joan später zur cooperativa fahren wird. Dort wird der Reis gedroschen und maschinell getrocknet, sehr kleine sowie gebrochene und unreife Körner werden entfernt. Eine Reismühle trennt die Spelzen und zurück bleibt die eigentliche Reisfrucht, die aus Mehlkörper, Keimling und Silberhäutchen besteht. „Anschließend lagern wir den Reis noch mindestens 20 Tage, damit er geschmacklich reift", erklärt Joan. Um den Reis zu verkaufen, entfernt man das Silberhäutchen und den Keimling durch Schleifen, dann werden die Körner in die Säckchen verpackt.

Läuft der Verkauf gut an, will Joan die Anbaufläche im nächsten Jahr vielleicht erhöhen. Wa­rum so zögerlich, mag man fragen und sieht Mallorcas Reis bereits als Insel-Verkaufsschlager, sollten zukünftig noch mehr Bauern in Sa Pobla Reis anbauen. Doch Joan wiegelt den Kopf hin und her: „Die Maschinen kosten Geld, man muss eine Marke gründen, die Verpackung entwerfen ..."

Es habe mal zwei Reis-Kooperativen in Sa Pobla gegeben, doch die Mitglieder hätten sich im Laufe der Zeit zerstritten, erzählt er. Auch bei Gesprächen in der Bar spiele das Thema Reis unter Landwirten keine große Rolle. „Wir in Sa Pobla

sind eigenbrötlerisch und lassen uns nicht gern von jemand anderem reinreden", sagt Joan und spricht damit auch über sich selbst.

Wer Mallorcas Reis probieren möchte, sollte ab Ende November nach dem schwarzen Drachen, Sa Poblas Stadtwappen, auf grünem Untergrund Ausschau halten. Dann kommt die neue Reisernte von Es Grif in die Läden.

www.arrosgrif.com