In der Cafeteria Es Castellet in Cala Ratjada im Nordosten von Mallorca prallen in den Sommermonaten jeden Morgen zwei kulinarische Weltanschauungen aufeinander. In der typisch mallorquinischen Bar der Gebrüder Juan Carlos und Gonzalo Barrantes kehren sowohl deutsche als auch spanische Gäste ein. Bei einer Gruppe haben die Kellner deutlich mehr zu schleppen.

„Deutsche mögen gerne ausgewogenes Frühstück, sie bestellen Rührei, belegte Brötchen und Orangensaft", sagt Inhaber Juan Carlos. Die Spanier dagegen belassen es meist nur bei einem Kaffee. „Vor allem die Frauen, die bestellen höchstens mal eine tostada mit Marmelade, aber meistens bleibt es beim café con leche oder einem Espresso", sagt der Wirt und deutet zum Beweis auf den Nachbartisch. Dort sitzt eine Spanierin vor ihrem Espresso, lacht und schlägt die Hände vor die Augen. „Ich weiß, es ist schlecht, nicht zu frühstücken. Aber mehr als Kaffee kriege ich morgens nicht runter. Meine erste Mahlzeit ist das Mittagessen um 2 Uhr", verrät sie und fügt fast entschuldigend hinzu: „Das machen viele meiner Bekannten genauso."

Ihre Kinder dagegen würden gleich zwei Mal frühstücken berichtet sie und stellt sich als Gabriela vor. „Vor der Schule gibt es Kekse mit Kakao, und dann nehmen sie ein Brötchen mit, das sie gegen 11 Uhr in der Pause essen. Wir nennen das merienda." Nur am Wochenende sei es etwas anderes. „Sonntags mache ich oft churros con chocolate, oder wir gehen in einer Bar um die Ecke frühstücken. Dann gibt es napolitanas oder Ensaimada. Hauptsache süß." Ihr Besuch im Es Castellet unter der Woche diene vor allem dem kurzen Plausch mit Freundinnen und weniger der Nahrungsaufnahme. Wieder muss Gabriela verschämt lachen. „Ich glaube, wir Spanier sind fatal, was das Frühstücken angeht."

Tatsächlich schafften es die Ergebnisse einer neuen Studie des Centro Nacional de Investigaciones Cardiovasculares Carlos III (CNIC) Anfang Oktober in die spanischen Schlagzeilen: Nicht oder wenig zu frühstücken erhöhe das Schlaganfall- und Herzinfarkt-Risiko im gleichen Maße wie Rauchen, so die Wissenschaftler. Auch der spanische Fernsehsender TVE griff das Thema auf, und unterlegte die ­Mahnung, regelmäßig zu frühstücken, mit Bildern von Menschen, die beherzt in Süßgebäck beißen oder sich Öl auf ihre getoasteten Weißbrote kippen. Keine Spur vom typischen deutschen Vorzeigefrühstück mit Obst, Müsli, Vollkornbrötchen, Aufschnitt und Ei. Frühstücken um jeden Preis - ist das gesund?

„Frühstücken ist immer wichtig. Nicht zu frühstücken ist, als würde man einen Motor mit zu wenig Benzin starten", bewertet Ernährungsexpertin Ursula Peer im Gespräch mit MZ. Sie berät Menschen auf Mallorca und in Österreich rund um das Thema gesunde Ernährung. „Tatsächlich hat das Frühstück in den südlichen Ländern einen geringeren Stellenwert." Das sei sogar in Österreich so. Zumindest bei Kindern. „Ich bin viel in österreichischen Schulen unterwegs und auch da erzählen mir etwa 60 Prozent der Kinder, dass sie zu Hause gar nicht frühstücken." Peer ist überzeugt: Nicht zu frühstücken ist nicht nur ungesund, sondern auch hinderlich für Menschen, die abnehmen wollen. Es sei ein Irrglaube zu denken, dass man sich Kalorien vom Frühstück sparen könne. „Langfristig ist es auf gesunde Art und Weise nicht möglich, abzunehmen oder sein Gewicht zu halten, wenn man nicht frühstückt." Denn Nahrungsaufnahme am Morgen regt den Stoffwechsel an und verhindert Heißhungerattacken. „Es ist auch nicht notwendig, direkt nach dem Aufstehen etwas zu essen. Aber es sollte bis 11 Uhr geschehen."

Und was ist nun das ideale Frühstück? Die spanischen Süßwaren oder die deutsche Brötchen- und Müsli-Ei-Variante? Peers Meinung überrascht: Zwar seien die spanischen Süßwaren wegen des hohen Zuckergehalts in keinem Fall eine besonders gute Wahl, aber auch das typisch mitteleuropäische Morgenmahl sei nicht immer optimal. Hier käme es darauf an, genau hinzuschauen. „Neben Zucker sollte man auch auf Weizen verzichten und wenn möglich auch auf Nahrungsmittel, die Laktose enthalten", bewertet Peer. Diese Voraussetzungen erfüllen aber bei Weitem nicht alle Brötchen-, Müsli- und Milchsorten. Kommt dann noch die bei Deutschen beliebte Schokocreme als Belag ins Spiel, ist das Ideal in weiter Ferne.

Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, täglich höchstens 25 Gramm Zucker pro Tag zu sich zu nehmen. Hier schneiden die mallorquinischen Frühstücksnaschereien besonders schlecht ab: Ein cremadillo mallorquín de chocolate oder ein robiol enthält bereits rund 50 Gramm Zucker, und auch in 100 Gramm Ensaimada (ohne Füllung!) finden sich immerhin 21 Gramm Zucker. Schokocremes wie Nutella kommen auf etwa 56 pro 100 Gramm.

Doch nicht nur die Inhaltsstoffe sind entscheidend für die Gesundheit, so Peer. Auch das Sich-Zeit-nehmen gehöre zu einer guten Mahlzeit dazu. „Mittags und abends tun die Menschen in den südlichen Ländern das meist ausgeprägter als die Mitteleuropäer." Vielleicht, vermutet sie, sind die Südländer deshalb unterm Strich gesünder - trotz der wenig ausgeprägten Frühstückskultur hierzulande.

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