Wenn man vormittags in Calvià das Radio auf die Frequenz 107.4 FM stellt, hört man eine bunte Mischung aus austauschbarer, spanischer und englischsprachiger Radiomusik. Eher flott im Beat und ganz grundsätzlich „gute Laune". Wie auf so vielen anderen kommerziellen Radiosendern auch. Aber etwas ist anders. Denn die Nachrichten und Veranstaltungstipps, die von den Moderatoren - übrigens auf Spanisch - gelesen werden, handeln nur von der Gemeinde Calvià.

Am vergangenen Freitag (17.11.) feierte Radio Calvià seinen 30. Geburtstag. Es ist damit einer der ältesten der zurzeit elf Gemeinde­radiosender der Balearen. „Calvià ist eine weit zerstreute Gemeinde. Die Berge erschweren zudem den Empfang von bestimmten Radiosendern", sagt Radio-Chef Jaime Mora. „Unser Sender war stes der Versuch, den Zusammenhalt und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen hier zu fördern."

Die Bedeutung der Gemeinderadiosender sei in dieser Hinsicht nicht zu unterschätzen, sagt Mar Cerezález, die Chefin des regionalen Radiosenders IB3. „Diese Sender sind vor Ort, sie stehen in direktem Kontakt zu den Bürgern. Das ist ihr Kapital. Wenn sie es verlieren, ist es für so einen Sender schnell vorbei."

Bestes Beispiel für ein hochprofessionelles Lokalprogramm sei Radio Pollença, sagt Cerezález. Der Sender besteht seit 2003.„Besonders erfolgreich sind unsere Sondersendungen", sagt Joana Solivellas, die Programmleiterin des Radios aus der Gemeinde im Norden. „Immer wenn es Dorffeiern gibt, sind wir draußen auf der Straße. Diese Programme werden auch von Leuten aus Pollença, die im Ausland leben, im Stream gehört." Acht Stunden werden täglich von Montag bis Freitag auf 107.9 FM produziert. Zum Programm gehören unter anderem Interviews mit Künstlern, die in der Gemeinde auftreten sowie Talkshows zu verschiedenen Themen. Auch eine wöchentliche Fragestunde mit dem Bürgermeister gibt es. „Und wir gehen immer wieder in Schulen", sagt Solivellas. „Die Kinder bereiten dann ein Programm vor. Das ist häufig sehr gutes Radio."

Radio Calvià hat vier Vollzeitkräfte, bei Radio Pollença sind es zwei. „Wir leben von der Arbeit unserer Freiwilligen", sagt Solivellas. Knapp 60 Leute sind zurzeit an der Produktion beteiligt. „Manche haben abends nach unserem Hauptprogramm ihre eigene Sendung, andere nehmen an den Talkshows teil oder liefern kleine Berichte." In den Stunden, in denen weder Hauptprogramm noch Gastbeiträge laufen, ist dank einer Kooperation mit IB3 dessen Programm zu hören.

Ehrenamtlich in Felanitx

Doch nicht überall auf der Insel lassen die Rathäuser Geld für Angestellte springen. „Es war eine Gruppe von Freunden, die vor sechs Jahren Radio Felanitx gründete", sagt Bernat Artigues, stellvertretender Leiter des Lokalradios. „Noch heute sind wir alle Freiwillige, der Sender finanziert sich dank der Werbung von örtlichen Geschäften." Aktuell liege die Produktion brach, man sei mit einer personellen und finanziellen Umstrukturierung, beschäftigt, so Artigues. „Zurzeit läuft auf 94,7 FM 24 Stunden Musik."

So löblich die ehrenamtliche Arbeit sei - ein Modell wie Felanitx berge viele Gefahren, sagt IB3-Chefin Cerezález. „Das sind junge Leute, die das ohne Geld und mit viel Engagement machen. Wenn die zum Studium wegziehen, einen Job annehmen oder eine Familie gründen, kann das schnell vorbei sein." Es sei ein Fehler der Lokalpolitik, wenn man so wichtige Projekte dem Zufall überlasse.

Radio Calvià wurde 1987 auf Bestreben des damaligen Bürgermeisters Paco Obrador gegründet. Die Finanzierung durch die Gemeindekasse sei für den Sender essen­ziell, sagt Cerezález. „Zu viel Einfluss aus der Politik kann aber auch viel Schaden anrichten."

Das weiß niemand besser als Eli Gallardo. Bis vergangenen Freitag war er der Pressebeauftragte der Gemeinde Marratxí - und damit auch für Radio Marratxí verantwortlich. Der Sender begann in den 90er-Jahren als Piratenstation, die man auf der ganzen Insel hören konnte und die sehr beliebt war. „Da dies so nicht weitergehen konnte, hat die Gemeinde den Sender 2003 übernommen", so Gallardo. „Da fingen die Probleme an."

Der Betrieb des Senders sei zwar extern ausgeschrieben worden, das Rathaus habe aber immer wieder Einfluss ausgeübt. Gallardo hat es am eigenen Leib erlebt. „Ich war im Wahlkampf 2015 in eine Talkshow als Politologe eingeladen. Zu der Zeit machte ich aber auch Pressearbeit für die Sozialisten. Als das Rathaus davon Wind bekam, wurde meine Teilnahme verboten." Es kam noch absurder. Die Sozialisten gewannen die Wahl, und keine zwei Monate später war Gallardo der Chef des Senders auf der Frequenz 92.9 FM. „Dann ist vor einem Jahr der Vertrag mit der Betreiberfirma ausgelaufen. Seither können wir nicht senden", sagt Gallardo. Einen von ihm befürworteten Ethikcode für den Radio­betrieb, der beispielsweise die politische Einflussnahme einschränkt, habe er nicht durchsetzen können.

Der Blick aus dem Fenster

Nicht nur Marratxí sucht einen Neustart. Auch in Calvià will man sich trotz der langjährigen Erfolgsgeschichte nicht ausruhen. „Wir wollen den Sender noch besser verfügbar machen, bieten die Sendungen jetzt auch als Podcast an", sagt Jaime Mora, erst seit wenigen Wochen Radio-Chef.

Die neuen Medien sowie die sozialen Netzwerke hätten viel zur Vereinfachung der Radioproduktion beigetragen, sagt Mar Cerezález. „Die Technik ist jetzt relativ günstig, man kann sich auf die Produktion guter Inhalte konzentrieren." Das sich die Bedeutung der Gemeinderadios deshalb verändert habe, glaubt Cerezález nicht. „Gut, früher lief in den meisten Haushalten tagsüber ununterbrochen das Radio, das ist jetzt etwas anders." Auch habe das Radio durch die sozialen Netzwerke den alleinigen Status als „schnellstes Medium" verloren. „Aber für viele Menschen ist das Gemeinderadio immer noch ein wichtiger Begleiter. Wie ein akustischer Blick aus dem Fenster in die Straßen ihrer Gemeinde."

Eines der Projekte, das Radio Calvià im Zuge der Umstrukturierung anstrebt, sind Sendungen auf Deutsch und Englisch. „Ich glaube, im Januar könnte es so weit sein", gibt sich Mora optimistisch. In Pollença macht man das schon seit Jahren. „Irgendwann bekamen ein paar Engländer in der Gemeinde mit, dass man bei uns Radio machen kann. Seither bestreiten sie das Wochenendprogramm", sagt Solivellas. Das sei sehr erfolgreich. „Auch die Briten haben unglaublich viele Leute, die mitmachen. Sie freuen sich, über eine Plattform zu verfügen, in der sie sich auf ihrer Muttersprache über die Insel austauschen können."