Einmal im Jahr ist es still im lauten Spanien. Am 22. Dezember - also am Freitag nächster Woche - ziehen Kinder der Madrider Schule San Ildefonso die Preise der Weihnachtslotterie. Und da zuvor fast jeder Spanier richtig Geld in diese Lotterie investiert hat, verfolgen die meisten die Ziehung live über Fernsehen oder Radio.

Das hat sich auch international herumgesprochen. Mittlerweile werben auch mehrere deutsche Lotto-Unternehmen für die Teilnahme an der spanischen Lotterie. Die Scheine können dafür problemlos im Internet gekauft werden. Und es gibt dieses Jahr auch erstmals ein deutsches Pendant zur Lotería de Navidad. Doch dazu später.

Erst einmal gilt es, ein paar Eigenarten des spanischen Erfolgskonzeptes zu verstehen. Da sind zunächst die teuren Lose (billetes), die je 200 Euro kosten und daher meist als Zehntellose (décimos) gekauft werden. Aufgrund der hohen Nachfrage gibt es jede der 100.000 Losnummern zudem 170 Mal (series). Wer sich also eine komplette Nummer sichern will, muss dafür 34.000 Euro zahlen (170 x 200). Jedes der 170 Gewinnlose gewinnt vier Millionen Euro, also 400.000 Euro pro Zehntellos. Alles klar?

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Doch die werden mitunter noch weiter aufgeteilt. Denn erstens bilden sich über Stammtische, Arbeitskollegen, Familien oder Freundeskreise Loskauf-Gemeinschaften. Außerdem reservieren sich Vereine, Schulklassen oder Restaurants Losnummern und verkaufen sie in ihrem Umfeld als Gewinnbeteiligungen (participaciones).

Wer also beispielsweise in seiner Bäckerei auf Mallorca für 3 Euro ein Los mit dem Logo der örtlichen Musikschule kauft, beteiligt sich für 2,50 Euro an der Weihnachtslotterie (das wäre dann ein Achtel von einem Zehntellos) und spendet 50 Cent dem Förderverein der Musikschule. An diesen muss man sich wenden, sollte das Los gewinnen. Meist gibt es dafür ein Abkommen mit einer örtlichen Bankfiliale.

Der Hauptpreis, gordo genannt, fällt also selten in die Hände einer einzigen Person, sondern wird fast immer aufgeteilt. So kommt es, dass am 22. Dezember im Fernsehen oft ganze Dörfer zu sehen sind, wie sie auf der Straße feiern und die Korken knallen lassen. Außerdem gibt es eine Vielzahl von kleinen Gewinnen. Dieses Jahr werden insgesamt rund 26 Millionen Losscheine prämiert. Wer dieselbe Endnummer des Hauptpreises auf dem Los stehen hat, erhält seinen Einsatz zurück (reintegro). Die Gesamtausschüttung beträgt mit rund 3,4 Milliarden Euro 70 Prozent des Verkaufserlöses.

Geliebte Außerirdische: Werbespot zur Weihnachtslotterie 2017

Der Durchschnitts-Mallorquiner ist übrigens verhältnismäßig los-müde. Im vergangenen Jahr gab jeder Balearen-Bewohner nur rund 36 Euro für die Weihnachtslotterie aus. Also deutlich weniger als das spanische Mittel von 57 Euro. In der Region Kastilien und León gaben die Bewohner 2016 im Schnitt sogar 86 Euro für Lose aus.

"Navidad" nur im Namen

All dies funktioniert so gut, dass seit einigen Jahren nicht nur der Staat die Hand aufhält (20 Prozent der Gewinne über 2.500 Euro müssen abgeführt werden), sondern das Konzept auch kopiert wird. Dieses Jahr erstmals in Deutschland. Mit einer millionenteuren Kampagne - inklusive ganzseitigen Anzeigen in der „Bild" - wirbt der offizielle Vertriebspartner GoLotto für die „Deutsche Weihnachtslotterie".

Dahinter steckt die Navidad-Foundation mit Sitz in Köln, die außer dem halbspanischen Namen nichts mit der spanischen lotería zu tun hat. Es handelt sich also keineswegs um einen Ableger des spanischen Erfolgsmodells. Der Gründer, der Kölner Marcus Geiß, hat wenig Bezug zu Spanien, dafür aber langjährige Erfahrung im digitalen Lotterie-Geschäft. Sollte es ihm gelingen, die Tradition in Deutschland einzuführen, könnte er damit richtig reich werden.

Danach sieht es aber vorerst nicht aus. Denn die deutsche Kopie lässt sich nur schwer mit dem spanischen Original vergleichen. Zwar kosten die Lose mit den fünfstelligen Nummern auch in Deutschland 20 Euro. Und statt eines Riesen-Jackpots sollen die Gewinne auch hier über kleinere Summen unter möglichst viele Mitspieler gestreut werden. Aber die Lose können nur online oder vereinzelt an Tankstellen gekauft werden. Los-Gemeinschaften wie in Spanien gibt es keine. Und während die Spanier die Ziehung am Freitag über drei Stunden lang auf allen Kanälen verfolgen, findet die deutsche Ziehung am 26.12. statt, dauert knapp 20 Minuten und wird über den Privatsender Sat.1 (19.40 Uhr) ausgestrahlt.