Mehrere Gärtner sind an diesem Wintermorgen mit strahlend blauem Himmel mit Schere und Säge unterwegs. Auf dem Anwesen im Südosten der Insel bekommen Mastix- und Gamanderhecken ein geometrisches Outfit, in den Beeten beim Haus stutzt man die Rosensträucher. Auf die Baumschneider wartet man noch.

Der Garten hat vor ein paar Jahren Andi Lechte (49) entworfen. Sie stammt aus Rendsburg, lebt seit zwölf Jahren auf der Insel und war an der Gestaltung bekannter Gärten wie Es Fangar und Son Muda beteiligt. Heute ist sie hier, um gemeinsam mit dem mallorquinischen Baumexperten Ramón Galmés (61) - er gilt auf der Insel als Meister seines Fachs und arbeitet für das Unternehmen Plantyserv in Manacor - Bäume zu schneiden. Genauer gesagt, zwei Sorten Olivenbäume (Olea europaea bot., olivo span., olivera kat.). „Ob ein Schnitt gut ausgeführt ist, kann man nur richtig beurteilen, wenn man selbst schon einmal mitgearbeitet hat", sagt sie.

Als der Mallorquiner ankommt, verliert er keine Zeit, packt sein Werkzeug zügig aus und nimmt sofort einen hohen, alten Olivenbaum der Sorte picual ins Visier, die neben der Einfahrt zum Gebäude wachsen. „Hier kommt es darauf an, dass der Stamm bis obenhin sichtbar wird", sagt Galmés. Der Besitzer hätte die Bäume ihrer alten Stämme wegen pflanzen lassen, diese müssten nach dem Schnitt wieder zur Geltung kommen.

Stünde der alte Olivenbaum in der Serra de Tramuntana und wäre er für die Fruchtbildung bestimmt, würde man die Krone radikal zurückschneiden. Doch auf die Oliven kommt es hier nicht an. Bei diesem Baum soll der Schnitt dafür sorgen, dass der Baum seiner dekorativen Funktion in der Auffahrt gerecht wird. Doch nicht nur das. Laut Galmés ist ein fachgerechter, regelmäßig ausgeführter Schnitt - im Spanischen poda genannt - der beste Schutz gegen Krankheiten und Schädlingsbefall.

Nachdem er die unteren Äste abgetrennt hat, wird der Blick auf den am oberen Ende zweigeteilten Stamm frei und ebenso auf das Innere der Krone. Hier geht die Gartenarchitektin dem Baumexperten mit der Astschere zur Hand. Denn - wie alle Holzgewächse - braucht auch der Olivenbaum eine Hohlkrone, in der die Luft zirkulieren und die Sonne ins Innere des Baumes gelangen kann.

Sich kreuzende oder sich beim Wachsen behindernde Äste werden jetzt entfernt. Dabei hat Ramón Galmés immer im Blick, welchen Ast er dieses Jahr stehen lässt, aber vielleicht im nächsten Winter stutzt. Mehrmals schaut er sich den Baum aus verschiedenen Perspektiven an. „Die Krone soll flach, langgezogen und symmetrisch sein", kommentiert dies Lechte „das ist fast so wie beim Friseur".

Das Werkzeug wird nun wieder eingepackt und die beiden gehen zu dem ersten von mehreren - noch jungen arbequina-Bäumen. Sie wachsen außerhalb des gärtnerisch gestalteten Fläche des Anwesens und sollen gemeinsam mit Johannisbrotbäumen einen möglichst natürlich wirkenden Übergang zu den Feldern bilden, die das Grundstück umgeben. Mehrere junge Olivenbäume - sie sind an die Bewässerungsanlage angeschlossen - werden in ein paar Jahren so viele aceitunas liefern, dass ein hauseigenes Öl gepresst werden kann.

Die Fruchtbildung kann durch den Schnitt gefördert werden. Erst durch ihn schickt der Baum seine Kräfte in die Früchte, anstatt sie in die Blätter und Äste zu verschwenden. Galmés trennt als Erstes diejenigen ab, die weit nach unten hängen. Auch vertrocknete Zweige schneidet er so fix ab, dass man dies kaum verfolgen kann.

Jetzt sind die vier dicken Hauptäste am Ende des Stamms erkennbar, die bereits in der Baumschule beim Erziehungsschnitt angelegt wurden. Sie bilden jetzt die Basis für die schon zuvor erwähnte Hohlkrone. Von den an der Basis abgehenden Verzweigungen - manchmal sind es vier an einem Zweig - entfernt Lechte mit der Gartenschere jeweils die Hälfte, damit die verbliebenen kräftiger werden. Bevorzugt lässt sie diejenigen Äste stehen, die an ihren äußeren Enden Fruchtansätze zeigen, Denn auch der Olivenbaum bildet seine Früchte dort, wo sie am meisten Sonne abbekommen.

andilechte@gmail.com