Wenn man jemandem erklären möchte, wie Landschaftsschutz auf Mallorca nicht gehen sollte, dann könnte die Finca Son Coll bei Artà als Beispiel dienen. Boris Becker hat das abgelegene Haus 1997 gekauft und erst einmal eingezäunt. Dann hat er es erweitert, umgebaut - und schließlich kaum benutzt. Seit Jahren steht der 25 Hektar große Landstrich nun zum Verkauf.

Für Menschen wie Bartolomé Bisbal ist das ein Albtraum. Der 69-jährige Rentner stammt aus Artà. Er liebt seine Heimat, obwohl ihm so gut wie nichts davon gehört: ein Haus und ein kleines Grundstück in dem Küstenörtchen Colònia de Sant Pere. Trotzdem findet er, dass Landschaft gepflegt und zugänglich sein sollte. „Es ist eine Schande, wie die Insel verkommt", sagt er.

Daran soll sich nun etwas ändern. Die balearische Landesregierung will Ländereien kaufen, mit den Einnahmen der Steuer für Nachhaltigen Tourismus (Impost de Turisme Sostenible). Nur knapp 14,8 Prozent der Landfläche der Balearen sind geschützt. In Deutschland sind es rund 28 Prozent. Eingeführt wurde die Steuer am 1. Juli 2016, in eineinhalb Jahren sind 108 Millio­nen Euro zusammengekommen. Zufällig ebenfalls 108 Projekte sollen damit finanziert werden, mit Beträgen zwischen 16.800 Euro und 8 Millionen Euro. Investiert wird in Umweltschutz, Förderung von nachhaltigem Tourismus, Schutz des kulturellen Erbes, Forschung und Ausbildung sowie Schaffung von Arbeitsplätzen. Diese fünf Investitionslinien sind gesetzlich festgelegt, über die konkreten Projekte entscheidet eine 32-köpfige Kommission.

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Es Canons - der Name „Die Kanonen" rührt von einer Artilleriestellung her - ist das erste Grundstück, das mit der Touristensteuer gekauft wird. Die Landesregierung investiert acht Millionen Euro, gezahlt wird in zwei Raten. Der Kauf des Landguts in Artà ist die vorerst größte Investition. Sie erstreckt sich über 1,5 Kilometer im Gebiet von Artà an der Küste zwischen Colònia de Sant Pere und Betlem und reicht über insgesamt 180 Hektar bis in die Berge der Serra de Llevant. Bartolomé Bisbal kennt den Hof und das Land gut. Er hat dort die ersten zwölf Jahre seines Lebens verbracht. Sein Vater war hier Vorarbeiter. Das Leben zwischen Schweinen und Schafen, unter Obst- und Olivenbäumen, nicht weit von der Küste, das war im Rückblick eine Idylle. Das Anwesen war gepflegt, die Finca bewirtschaftet. Heute besucht der Rentner noch oft den Ort seiner Kindheit, geht durch verwildertes Land und über holperige Wege. Das Dach, unter dem er einst schlief, ist mittlerweile eingefallen.

Der Eigentümer, die Bau- und Immobilienfirma Cala Veya S.L. mit Sitz in Alcúdia, hat den Besitz verkommen lassen, denn die ursprünglichen Absichten, an der Küste zu bauen, hat die Gemeinde zunichte gemacht. Seit dem Jahr 2000 steht das Grundstück unter Schutz. Jahrelang stand Es Canons dann zum Verkauf, Cala Veya verlangte bis zu 22 Millionen Euro. Der Bürgermeister von Artà, Manuel Galán, hat die Landesregierung geradezu bedrängt, das Anwesen zu kaufen. Die Leute im Ort hätten Angst gehabt, erzählt er, dass „irgendein ausländischer Millio­när kommt und es einzäunt." Den Besitzern ist Galán dankbar dafür, dass sie beim Angebot von acht Millionen Euro eingewilligt haben. Wer nun das gute Geschäft gemacht hat, sei dahingestellt, denn das geschützte Anwesen war offensichtlich unverkäuflich.

Nun soll es in das angrenzende Naturschutzgebiet Parc natural de la península de Llevant eingegliedert werden: 1.700 Hektar hügeliges Buschland, wo Schmutzgeier, Wanderfalken und Rotmilane ihre Kreise ziehen, und Kiefern- und Eichenwälder, Heidelandschaft, Dünen, Kalksteinfelsen, kleine Sandbuchten, die Lebensraum für Korallenmöwen, Fischadler und Kormorane bieten. Dazu kommt ein 5.000 Hektar großes Meeresreservat. Aus dem Wirtschafts­gebäude sollen eine Wanderherberge und ein Interpretationszentrum werden: Der Fernwanderweg GR-222 von Artà nach Lluc führt quer über das Grundstück.

Für die balearische Finanzministerin Catalina Cladera ist das Steuergeld ein „Schatz, der Gerechtigkeit symbolisiert", denn viele Mallorquiner hätten das Gefühl, „dass auf der Insel viel Geld verdient wird und wenig zurückfließt". Es Canons war ein relativ leicht umsetzbares Projekt, denn es musste nur ein Kaufvertrag unterschrieben werden. Bei den anderen Projekten hakt es dagegen. Erst zwei Vorhaben sind realisiert, beide auf Formentera: Straßenarbeiten in dem Küsten­örtchen Es Pujols für 484.000 Euro und der Kauf eines Hofes, um darin ein Museum einzurichten, für eine Million Euro. Sechs Projekte sind in Arbeit: Die Kläranlagen von Porreres und Camp de Mar und eine Meerwasser­entsalzungsanlage auf Ibiza werden verbessert, das balearische Sinfonieorchester bekommt einen Probenraum in einer ehemaligen Textilfabrik in Palma, es gibt neue Pendelbus-Linien zu Naturstränden und an verschiedenen Orten werden Auenwälder aufgeforstet.

Catalina Cladera gibt zu, dass die unterschiedlichen Zuständigkeiten die Umsetzung verzögern. Gemeinden, Inselräte und die Abteilungen der Regionalregierung selbst können Anträge zur Finanzierung einreichen. Um den Prozess zu beschleunigen, ist seit Kurzem die Agència de Turisme Balear (ATB) zuständig. Das eingenommene Geld wird von Hoteliers oder Fincabesitzern an das balearische Finanzamt abgeführt, dieses gibt es an die ATB weiter, die es verwaltet und verteilt.

Für 2018 wird zudem ein zusätzliches Auswahlkriterium gelten: Die Vorschläge müssen schnell umsetzbar oder zumindest gut vorbereitet sein, denn im Frühjahr 2019 sind Regionalwahlen. Bis dahin muss noch etwas Überzeugungsarbeit geleistet werden, denn die Steuer ist umstritten. Eine Klage des Hoteliersverbands FEHM läuft weiter. „Die Steuer diskriminiert Touristen", sagt die Vorsitzende Maria Frontera, „oder verbrauchen Bewohner etwa keine Ressourcen?" Der Hoteliersverband fürchtet auch um Mallorcas Wettbewerbsfähigkeit.

Cladera fordert von der FEHM mehr soziale Verantwortung. Außerdem kämen von den Touristen selbst so gut wie keine Klagen. „Diese Steuer kann nur funktionieren, wenn sie eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft und bei den Unternehmern hat," sagt Catalina Cladera.

In Artà ist diese Akzeptanz garantiert. Jaume Alzamora, Leiter der ATB, weiß das sicher. Er stammt aus Artà. Er war dort Bürgermeister. Heute stehen fast die gesamte Küste und mehr als 80 Prozent der Gemeindefläche unter Schutz. „Dafür sind wir auf die Straße gegangen", sagt der 46-jährige Politiker. Artà sei eine Gemeinde von Besitzlosen, sagt er. Früher gehörte das Land „fünf oder sechs Familien", der Rest habe für diese Großgrundbesitzer gearbeitet. Diese Mehrheit habe dann später für „ihr" Land gekämpft, gegen Bebauung, gegen Zersiedelung, gegen Umzäunung. Im Fall der Becker-Finca hat sie das nicht geschafft. Ein Albtraum für Leute wie Bartolomé Bisbal. Aber seitdem er weiß, dass die Regierung Es Canons kauft, kann er ein bisschen besser schlafen.