Links herum, durch die Öse, rechts herum, wieder durch die Öse, festzurren. Immer und immer wieder wiederholt Joan Mercant den Vorgang, stundenlang, wenn es sein muss. Der 29-Jährige ist einer der wenigen verbliebenen xarxers auf Mallorca - also jenen Fischern, die die langen Netze der Schleppnetz-Kutter flicken. Er hätte studieren können. Oder in der Gastronomie seinen Weg gehen. So, wie fast alle Altersgenossen in seinem Heimatdorf Cala Ratjada. Drei Sommer über habe er in Hotels gearbeitet, danach nie wieder, erzählt er, den Blick weiter auf das giftgrüne Plastikgarn vor sich gerichtet. Seine Hände scheinen wie von selbst zu arbeiten, schnell und präzise.

Schon mit zehn, elf Jahren kam er immer wieder in den Hafen, verbrachte viele Stunden seiner Sommerferien zwischen Tauen und Anlegestellen, den Geruch des Meeres in der Nase. Er sah seinem Vater und Großvater zu, wie sie am Nachmittag nach langen Arbeitstagen in den Hafen einliefen, die Netze voller Fisch - und teilweise gerissen. „Das Netze-flicken lernt man da automatisch", sagt er. Es gehöre zur Fischerei dazu, und irgendwie auch zu ihm selbst. Seit einigen Jahren ist er Geschäftsführer des Kutter-Betriebs seines Vaters. Er erledigt die Dinge, die an Land anstehen. Papierkram, Organisation, und eben Netzeflicken. So werde es weitergehen, sagt er. Irgendwie. Denn rosig sieht die Zukunft der Fischerei nicht aus.

Zukunft, was ist das?

„Zukunft", sagt Pedro Mercant und wirft seinem Neffen Joan einen schrägen Blick zu. „Die Fischerei wird es bald nicht mehr geben." Pedro Mercant ist groß, bärtig und braun gebrannt. 30 Jahre auf See haben sein Gesicht wettergegerbt, sein Humor ist rau. Die ganze Familie habe mit der Fischerei zu tun gehabt, sagt er. Schon sein Urgroßvater war Fischer in Cala Ratjada, dann sein Großvater und Vater, sein Bruder und er, und nun sein Neffe. Nur sein Sohn wolle nicht einsteigen. „Zum Glück", findet Pedro Mercant.

Auch er ist xarxer, neben Joan der zweite von insgesamt vieren in Cala Ratjada. Denn es gibt vier Schleppnetz-Kutter im Hafen, und jedes Boot hat seinen eigenen Flicker. „Natürlich hilft man sich mal gegenseitig aus", sagt Mercant. Aber meist will dann doch jeder Bootsbesitzer seinen eigenen xarxer. Jeder habe da so seine kleinen Geheimnisse und -individuellen Techniken, seinen Aberglauben, wie die Netze bestmöglich für den Fang zu präparieren sind. „Das versteht nur, wer die Fischerei kennt", sagt Pedro Mercant.

Als er anfing mit der Fischerei, damals, in den 80er-Jahren, habe es noch zwölf Schleppnetz-Kutter und zwölf Flicker in Cala Ratjada gegeben. Heute gibt es auf ganz Mallorca nur noch knapp 50 xarxers. Wo sich die Fischerei kaum noch lohnt, da braucht es auch niemanden, der die Ausrüstung wartet. Drei Jahrzehnte fuhr Pedro Mercant selbst zur See, flickte nur ab und an. Vor zehn Jahren kaufte er dann selbst ein Boot, den 20-Meter-Kutter „El Nuevo Pep Domingo". Gebraucht. Für einen Haufen Geld. „Ein Fehler", sagt Mercant heute. Die Geldsorgen seien groß, die Konkurrenz im Ausland unbesiegbar, die immer strengeren Vorgaben vom Staat ermüdend.

Heute fahren seine vier Angestellten für ihn morgens um fünf auf See. Kapitän Joan - sein Cousin -, Mechaniker Juan Ramón - „nach all den Jahren wie ein Bruder" - und die beiden Matrosen Xisco und Mohammed. „Ohne Marokkaner oder Senegalesen würde unsere Zunft gar nicht mehr funktionieren", sagt Pedro Mercant. Denn kaum ein Mallorquiner würde freiwillig für einen Hungerlohn zwölf Stunden pro Tag auf dem Meer schuften wollen.

Seit er Bootsbesitzer ist, hat das Netzeflicken wieder mehr Raum in seinem Leben eingenommen. Während die anderen auf See sind, sorgt er für die Instandhaltung. „Ich könnte die Netze natürlich an die Herstellerfirma in Barcelona schicken. Aber da kostet die Reparatur 2.000 Euro." Und außerdem kommen seine Männer trotz langer Erfahrung wöchentlich, teils sogar täglich mit kaputten Netzen zurück. Die Fische verstecken sich meist in scharfkantigen Unterwasserfelsen. „Es ist schwer, das Netz nicht zu beschädigen", sagt Pedro Mercant.Ein wenig wie Schneidern

Wenn er an schönen Tagen in der Sonne sitzt und Netze flickt, dann treten die Sorgen manchmal in den Hintergrund. Anders als die Knochenarbeit auf dem Schiff sei das Handwerk beruhigend, fast meditativ. Und irgendwie auch eine Kunst, die man nur durch jahrelange Praxis erlernen könne. Ein bisschen wie Schneidern mit verschiedenen Schnittmustern. „Ich lerne bis heute dazu", sagt Pedro Mercant und erstmals schwingt Stolz in seiner Stimme. Doch solche Tage seien rar. Meist sitze der Zeitdruck im Nacken, weil noch so viel anderes erledigt werden muss. Oder, weil einfach zu viele Netze auf einmal gerissen sind.

Elf Stück besitzt Pedro Mercant. Jedes kostet in der Neuanschaffung rund 9.000 Euro. Etwa alle zehn Jahre muss ein neues her. „Am längsten halten die, die oft reißen. Denn sie sind durch die Flickereien ja praktisch wieder fast neu."

80 Meter messen die Netze in der Länge, 25 in der Breite. Nicht von allen sind die xarxers gern gesehen, in dem kleinen Hafen, der mittlerweile von Cafés und Restaurants umgeben ist. Blaue Linien auf dem Betonboden begrenzen Flächen, auf denen die Netze ausgebreitet werden dürfen. Eine direkt an der Hafenmauer, eine neben der Anlegestelle der „Nuevo Pep Domingo". Die seien irgendwann eingeführt worden. Weil die Urlauber sich an dem Gestank stören. „Nein", korrigiert sich Pedro Mercant. „Wohl eher, weil er diejenigen stört, die mit den Urlaubern Geld machen."

Während er flickt, denkt der 54-Jährige oft an die 90er-Jahre. Damals brauchte es nicht fünf Bildschirme, haufenweise genormte Messgeräte und stabile Internetverbindung im Kutter, um auslaufen zu dürfen. Die Umweltschutzvorgaben waren damals lockerer, man konnte mehr Geld machen. Weil es mehr Fisch gab, und weil die Leute mehr dafür bezahlten. Sogar die Netze waren damals anders, feinmaschiger, als es die heutigen Bestimmungen erlauben. Artenschutz spielte damals noch keine so große Rolle.Leidenschaft und Romantik

Eine Möwe zieht kreischend ihre Runden, hofft auf einen Happen Fisch. Mercant beachtet sie kaum. Ja, er beklage sich gern, gibt er zu. Aber bereuen werde er es niemals, sich für die Fischerei entschieden zu haben. „Es ist Leidenschaft, es ist Romantik", sagt er und klingt auf einmal viel weicher. Es sei toll, Teil der Familie der Fischer zu sein. All die Geschichten und Abenteuer, die Spannung auf See und Entspannung beim Flicken, die vielen Momente - er will sie nicht missen. Weder die guten, noch die schlechten. Wenn er irgendwann mal in den Ruhestand gehen kann, sinniert er, dann werde er weiterhin zum Hafen kommen. „Aber nur, um einen Kaffee in der Sonne zu genießen." Und vielleicht doch das ein oder andere Netz zu flicken, wenn jemand Hilfe braucht.