Wenn heute auf Mallorca das Gespräch auf Drogen fällt, dann ist meist sehr schnell von Son Banya die Rede. Die Barackensiedlung am Flughafen Son Sant Joan hat sich in den vergangenen Jahren den Beinamen Drogen­supermarkt redlich verdient. Gerade am Wochenende stehen die Autos mit den Junkies Schlange, um sich mit Stoff einzu­decken. Doch das war nicht immer so. Noch Anfang der 70er-Jahre, Spanien wurde noch von Diktator Franco regiert, kannten die meisten Mallorquiner Drogen allenfalls vom Hörensagen.

Es waren die Tabakschmuggler, die sich als Erste mit dem Thema Drogenhandel beschäftigten. Sie hatten schnelle Boote, erfahrene Seeleute, die den Weg nach Afrika und seine Tücken auswendig kannten sowie beste Verstecke an den Felsküsten. Zudem waren sie seit Jahrzehnten darin erfahren, Politiker und Polizisten zu bestechen. Schmuggel hatte auf Mallorca Tradition und war gesellschaftlich kaum geächtet. Etliche große Vermögen gründeten auf dem illegalen Tabak- und Zigarettenhandel.

Es begann mit Haschisch

Mit dem Aufkommen des Haschischkonsums wurde das Schmugglerdasein nicht uninteressanter - im Gegenteil: Die Gewinnmargen waren plötzlich ungleich höher. Schmugglergrößen wie Alberto Barber Pons (genannt „El Mana", das Manna), Juan Palau Alonso („El Carnicero", der Fleischer) oder Jaime Llull Riera („El Taxista", der Taxifahrer) sattelten einfach von einem Geschäft auf das andere um.

Natürlich bekam auch die Polizei Wind von der Sache. 1975 gründete die Guardia Civil die ersten beiden Antidrogeneinheiten auf den Balearen. Eine in Palma, die andere auf Ibiza, wo die wachsende Zahl von Hippies und Aussteigern gleichbedeutend mit großen Mengen von Drogen war, die aus der ganzen Welt auf die kleine Insel geschaffen wurden.

Zunächst ging alles eher beschaulich zu. „Auf der einen Seite gab es den Konsum von auf dem Schwarzmarkt gehandelten legalen Medikamenten, die Amphetamine enthielten", erinnert sich ein früherer Ermittler. „Auf der anderen Seite war da eine kleine Minderheit, die mit Kokain, Haschisch oder LSD zu experimentieren begann. Sie war eher dem Jetset zuzurechnen."Eine Heroin-Epidemie griff um sich

Das änderte sich Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre. Nicht nur der Haschischkonsum breitete sich rasant aus. Auf der Insel griff eine regelrechte Heroin-Epidemie um sich, die in einigen Vierteln Palmas eine ganze Generation von Jugendlichen erfasste. Drogenabhängige, die Geld für ihre Sucht benötigten, überfielen Banken und Geschäfte und schreckten dabei auch vor Schusswechseln mit der Polizei nicht zurück. Ihren Stoff kauften sie in Stadtteilen wie Sa Gerreria, Es Jonquet, der Plaça Drassana nahe der Lonja sowie dem Viertel La Soledat.

Nach und nach stiegen auch die Clans von Son Banya in den Drogenhandel ein. Die 1970 erbaute Siedlung am Flughafen war zu diesem Zeitpunkt ein gescheitertes soziales Experiment: Die 124 Familien, die von den Behörden vom Stadtteil Molinar aus dorthin umgesiedelt worden waren, hatten in Son Banya keine bessere Perspektive gefunden. Gelegenheitsjobs, Schrotthandel und kleineren Gaunereien garantierten gerade so das Überleben. Anfang der 80er-Jahre begannen die ersten Bewohner mit Drogen zu handeln - und innerhalb kürzester Zeit breitete sich das Geschäftsmodell auf Dutzende der Baracken aus.

Son Banya in den frühen Jahren

Mitte der 80er-Jahre galt Son Banya bereits als Hauptumschlagplatz für Drogen auf der Insel. Wobei Mallorca zugleich eine Sta­tion auf den internationalen Handelsrouten war. Viele der damals von den Ermittlern sichergestellten Drogen waren eigentlich für Frankreich oder England bestimmt. Die Schmuggler nutzten den stark zunehmenden Reiseverkehr zwischen den Inseln und den nord- und mitteleuropäischen Ländern, um viele ihrer Transporte gewissermaßen als Urlaubergepäck zu verbergen.

Zu dieser Zeit tauchten auch die ersten international vernetzten Organisationen auf, wie etwa die sogenannten „Libanesen". Im November 1981 nahm die Polizei vier Mitglieder dieser Bande fest. Sie hatten versucht, zehn Kilogramm Haschisch-Öl von Beirut nach Palma zu schmuggeln, von wo es dann nach Schweden gehen sollte. Noch wurden die Beschlagnahmungen eher in Kilo als in Tonnen angegeben. 1982 stellte die Guardia Civil im Garten eines Hauses nahe Santanyí 6,4 Kilogramm Kokain sicher, die zwei Dealer dort verbuddelt hatten. Die Polizei nahm einen 62-jährigen Briten und einen 23-jährigen Kolumbianer fest, mutmaßliche Vertreter eines Netzwerkes, das große Mengen Kokain von Kolumbien über Mallorca nach Großbritannien schaffte.

Handgranate aus Armeebeständen

Und dann gab es da noch die Geschichte mit der Bomben-Nachricht. Eines Tages meldete sich bei der Guardia Civil in Palma am Telefon ein kleiner Dealer, der den Ermittlern ab und an Informationen zusteckte. Er habe eine „Bomben-Nachricht", sagte er. Der Beamte wollte ihm nicht recht glauben, sagte aber trotzdem ein Treffen in einem Café an der Plaza de los Patines im Zentrum von Palma zu. Mitten im Gespräch legte der Informant dort tatsächlich einen Sprengkörper auf den Tisch - eine Handgranate aus Armeebeständen. Der Sicherungsstift steckte glücklicherweise noch drin.

Es war der Beginn einer spektakulären Ermittlung, die mit der Festnahme von zwei Unteroffizieren der Kaserne General Asensio in Palma endete. Die beiden wollten ihre Heroinsucht mit dem Verkauf von zu Ausbildungszwecken bestimmten Handgranaten bezahlen, die sie in der Kaserne klauten. Um zu zeigen, dass sie auch funktionstüchtig waren, hatten sie zuvor den Dealern deren Echtheit vorgeführt. Die Handgranaten detonierten an dem damals noch menschenleeren Strandabschnitt Es Carnatge nahe Can Pastilla im Schutz der dröhnenden Flugzeug­motoren. Ein Militärgericht verurteilte die beiden Unteroffiziere, der Fall wurde nie publik.