Das Design ist über hundert Jahre alt - und gleichzeitig top-modern. Die porqueres, einfache Landarbeiter-Schuhe, entstanden in den 20er-Jahren aus der Not heraus: Die Materialien waren knapp, die Menschen lebten von der Hand in den Mund, aber alle brauchten Schuhe. Da kam ein Schuhmacher auf die Idee, aus alten Reifen Schuhsohlen zu schneiden und das ausrangierte, zerschlissene Verdeck der ersten Autos als Obermaterial zu nutzen. Heraus kam ein mehrfarbiger Patchworkschuh, hergestellt aus wenigen Leder- und mehreren Stoffstücken.

Die Idee des Recycling-Schuhs gefiel Modedesignerin Antònia Marques (54) so gut, dass die Mallorquinerin sich des heimischen Urmodells angenommen hat und es mit einem neuen Design versieht. Die Sohle ihrer porqueres ist ebenfalls aus alten Autoreifen gefertigt, das Obermaterial besteht aus bunten Stoff- und Lederresten, die in ihrem Schneideratelier abfallen. Während die früheren Modelle aus hellem Stoff (typische Farbe von Planen und Verdecken) sowie braunem Naturleder bestanden, kombiniert die Designerin modische Muster und Farben miteinander. Beispielsweise einen hellblauen Vichy-Stoff mit blauen Lederstücken und blauen Schnürsenkeln. Neben diesen Frauenmodellen gibt es Unisex- sowie Wintermodelle, Letztere mit hohem Schaft und einem wärmenden Innenfutter aus Leder (Modelle ab 80 Euro).

Antònia Marques lebte 20 Jahre in Barcelona, bevor sie 2012 nach Mallorca übersiedelte, um näher bei ihrer Familie zu sein. Nach Abschluss des Kunst- und Design­studiums arbeitet sie als Kostümbildnerin in Theatern in Barcelona. „Da es diesen Beruf auf der Insel nicht gibt, musste ich mich und mein Leben komplett neu erfinden", erzählt Antònia Marques. Ihr Elternhaus befindet sich im historischen Dorfkern von Alcúdia und stammt aus dem Mittelalter. Sie baute das Erdgeschoss zu einem Atelier um und richtete im ehemaligen Entrée einen Verkaufsladen ein.

Dort vertreibt sie ihre porqueres, aber nicht nur. Es gibt auch eine Espadrilles-Kollektion in Kooperation mit der Künstlerin Rosario Pérez, die Seidenstoffe von Hand bemalt. Außerdem näht Antònia Marques Taschen, Beutel und Sonnenhüte aus mallorquinischen Zungenstoffen und individualisiert die typische Mallorca-Korbtasche, hergestellt aus den Blättern der Zwergpalme, indem sie ihr beispielsweise ein Fischernetz überstreift. Ebenfalls in die Recycling-Serie fallen ihre „Zero Waste"-Taschen, aus Stoffresten gefertigt und mit gebrauchten Reißverschlüssen, die sie aus Kleidungsstücken herausgetrennt hat.

„Die Situation von vor hundert Jahren wiederholt sich nun in den Nuller-Jahren", sagt Antònia Marques. Ressourcen werden knapper und teurer, Mallorcas Leder­industrie wurde durch günstige Massenware aus China verdrängt. Trotzdem suchten die Urlauber nach einem lokalen Angebot, glaubt die Designerin. Ihr Ziel: etwas von Mallorca anbieten, das man im Laden nebenan nicht findet und das nicht austauschbar ist mit Souvenirs aus Sevilla oder Neapel. „Klar, dass solch ein handgefertigter Artikel mehr kostet als die übliche Massenware", so Antònia Marques. Sie möchte ihren Kunden nichts vormachen: „Doch auf Mallorca gibt es im Bereich Mode- und Schuhdesign kaum noch Produkte, die zu hundert Prozent lokal sind." Zu den Ausnahmen zählen die Palmito-Körbe oder Glaskunst aus Glasbrennereien wie Gordiola, hergestellt aus dem Sand der Strände.

Weil Materialien wie Stoffe und Leder längst nicht mehr auf der Insel produziert werden, spricht Antònia Marques lieber von local design. Die Entwicklung Mallorcas zur Touristendestination habe viel verändert, sagt sie. „Alles konzentriert sich auf diesen Wirtschaftszweig, statt auch andere Inselschätze und Fertigkeiten zu stärken und nicht in Vergessenheit geraten zu lassen." Auch ihre Heimatstadt Alcúdia hat sich in den vergangenen 20 Jahren sehr verändert. Die Bewohner der Altstadt sind an den Dorfrand oder ganz weggezogen, im Zentrum wurde so gut wie jedes Haus in ein Restaurant, Geschäft oder Hotel verwandelt. Antònia Marques ist eine der wenigen, die ausharren. „Ich bin eine Romantikerin", sagt sie mit dem Gedanken daran, dass sie sich den Luxus vielleicht bald nicht mehr leisten kann.

Noch geht ihr Konzept mit drei Standbeinen auf: In den Wintermonaten bietet sie Nähkurse für Residenten an, die gut besucht sind. Den Sommer über öffnet sie ihren Verkaufsladen und überlebt mit selbst entworfenen Produkten kombiniert mit originellen Geschenkartikeln von Inselkünstlern, etwa Keramikern aus dem Töpferdorf Pòrtol. Zusätzlich schneidert sie das ganze Jahr über auf Maß Kleider, Hosen und Röcke. „Ich freue mich, wenn Menschen in meinen Laden kommen und sagen, dass sie solche Produkte bisher noch nirgends gesehen haben", sagt Antònia Marques. Freilich, ein Kauf ist mit dieser Aussage nicht immer verbunden.

Antònia Marques, C/. Hostal, 4, Alcúdia, geöffnet Di.-So. 10.30-14 Uhr, 17.30-21 Uhr.

Facebook: AntoniaMarquesWorkShop.