Von Frank Feldmeier

Am Anfang stand die Frage: Wie viele Rentner leben überhaupt auf der Insel? Weil keine offizielle Stelle weiterhalf, wählten Projektleiter Friedrich und sein Team mangels Alternativen den Weg über das Telefonbuch. ­Darin fanden sich gut 10.000 deutsch klingende Namen. Dann wurde telefoniert. Die Forscher filterten alle Landsleute heraus, die 55 Jahre oder älter waren und sich mindestens drei Monate im Jahr auf der Insel aufhielten. Es folgten Interviews mit 360 ­Senioren sowie Expertengespräche.

Die Ergebnisse füllen unzählige Statistik-Tabellen, sagen lässt sich bereits: Es handelt sich bei den befragten Senioren fast ausschließlich um Westdeutsche im Alter von 55 bis 70 Jahren, die nicht mehr im Berufsleben stehen. Unter ihnen sind überdurchschnittlich viele Selbständige sowie höher qualifizierte Angestellte und Beamte. Die meisten leben mit ihrem Partner zusammen. Hinter den immer wieder zitierten Motiven für die Destination Mallorca - Mittelmeerklima, leichte Erreichbarkeit, mediterrane Lebensweise - fanden sich auch „Motivstrukturen, die Ausdruck größerer Individualisierung einer zunehmend multioptionalen Gesellschaft sind", wie es die Forscher formulieren. Will heißen: Unter den älteren Deutschen auf Mallorca befänden sich sowohl solche, die mit ihrem Wohnsitz ihre Zugehörigkeit zu einer wohlhabenden Statusschicht demonstrieren, als auch Aussteiger, die ein alternatives Leben als Kontrast zum deutschen Alltag führen wollten. „Zwischen diesen Gruppen existiert eine Vielzahl anderer nuancenreicher Lebensentwürfe."

Die Mobilität der Senioren lässt sich in Zahlen festmachen: Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer auf Mallorca beträgt 8,6 Monate pro Jahr. Von zehn Residenten verbringen im Schnitt vier nur drei bis sechs Monate auf der Insel, zwei bleiben sieben bis zehn Monate, die restlichen vier wohnen mindestens elf Monate auf der Insel.

Insgesamt 51 Prozent der älteren Deutschen leben in einer Wohnung oder einem Apartment, 36 Prozent in einem Einfamilienhaus und 12 Prozent in einem Doppel- oder Reihenhaus. Zur Miete wohnen nur 14 Prozent. Je nach Siedlungstyp ordneten die Forscher die Mallorca-Senioren drei Gruppen zu (s.u.). Abhängig davon, ob Residenten in Küsten­orten, Urbanisationen oder auf dem Land wohnen, ergeben sich auch Unterschiede bei den soziodemographischen Merkmalen, Orientierungen und Aktivitätsmustern. So wohnen in den Küstenorten die ältesten Deutschen, die Finca-Bewohner sprechen im Schnitt am besten Spanisch.

Die Forscher fanden keine Rentnersiedlungen nach ­US-Vorbild: Adult communities, die ausschließlich von zugezogenen Senioren bewohnt werden. Auch wenn manche Mallorca-Urba­nisation Züge einer Rentnersiedlung trage, entspräche sie nicht dem Konzept der Alterssegregation - sprich Gettos. „Die Residenten leben in den Urbanisationen vor allem gemeinsam mit statusgleichen Zuzüglern, ihr Aufenthalt ist in der Mehrzahl saisonal und nicht auf Dauer angelegt und mit einer Rückkehroption nach Deutschland verbunden", so der Forscher.

Die Ergebnisse der Studie sollen auch praktische Anwendung finden, kündigt Friedrich an. Vergangene Woche traf er sich deswegen mit Konsul Wolfgang Wiesner, um soziale Probleme deutscher Rentner zu besprechen. Das Konsulat bemüht sich derzeit um die Finanzierung einer Sozial­arbeiter-Stelle, sei es durch öffentliche oder private Mittel, wie Wiesner sagt. Der Diplomat und der Wissenschaftler wollen an einem Strang ziehen: „Die Arbeit soll nicht nur im Bücherregal stehen", sagt Friedrich, „sie soll auch den Betroffenen helfen." In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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