Seitdem Toni Rabassa als Angestellter in einem Wach- und Schließdienst arbeitet, hat er sich von seiner Freizeit verabschiedet. "Ich gehe zur Arbeit, komme nach Hause, esse etwas, schlafe und gehe wieder zur Arbeit." Die Schicht des 33-Jährigen beginnt täglich um 21 Uhr abends und endet um 8 Uhr morgens. Obwohl Rabassa (Name v. Red. geändert) 20 Wochenstunden in seinem Vertrag stehen hat, kommt er auf sechs Arbeitstage pro Woche. Trotz der Schufterei kann er mit seinem Monatsgehalt keine großen Sprünge machen: Pro Stunde verdient der Mallorquiner 5 Euro, für Überstunden in der Nacht 5,50 Euro.

Baltasar Piñeiro kann von solchen Fällen ein Lied singen. Der Gewerkschaftler von CC.OO. (Comisiones Obreras) kennt den Trick: Obwohl der Tarifvertrag einen Stundenlohn von 8,70 Euro vorsieht, erhielten diesen nur wenige Angestellte. Denn viele Sicherheitsleute seien als Hilfskraft eingestuft - obwohl sie nachts arbeiten, dem Risiko gefährlicher Situationen ausgesetzt sind oder mit größeren Summen Geld zu tun haben.

Den Tariflohn in Anspruch nehmen darf nämlich nur, wer einen staatlich anerkannten Kurs durchlaufen hat. Das sei aber bei den wenigsten Angestellten der Fall, sagt Piñeiro. So kommt die Branche zu einer großen Zahl billiger Arbeitskräfte. Rabassa hat zwar die Ausbildung absolviert. Da er allerdings zwischendurch andere Jobs hatte, wird der Titel nicht mehr anerkannt.

Die Insel wie ganz Spanien ist im Vergleich zu Deutschland noch immer ein Billig-Lohn-Land. Auch wenn in der Bundesrepublik die Situation von immer mehr Angestellten prekär wird, liegen die spanischen Gehälter noch deutlich unter deutschem Niveau, laut Schätzungen rund ein Drittel - bei oft genauso hohen Lebenshaltungskosten. So genau lässt sich das allerdings nicht sagen, da es in vielen Jobs als völlig normal gilt, einen Teil des Gehalts schwarz zu kassieren.

In Spanien heißt die Generation billiger Arbeitskräfte mil-

euristas - weil sie in der Regel nicht über monatlich 1.000 Euro hinauskommen. Am Ende des Monats bleibt so bei vielen nichts über, und statt Sparen steht Verschulden auf dem Programm. Höhere Lebensmittel- und Benzinpreise oder Hypothekenraten werden besonders schmerzlich empfunden - und der Kampf um Gehaltserhöhungen besonders heftig geführt.

In den vergangenen Monaten ist eine Streikwelle über Spanien wie auch Mallorca hinweg gerollt. Nach Justizangestellten, Lehrern und Lkw-Fahrern gehen auf der Insel nun die Kranken- und Altenpfleger in Palma auf die Straße. Sie verdienen derzeit bei einer 40-Stunden-Woche rund 900 Euro netto. Die Stadtverwaltung lehnt die Forderung nach neun Prozent mehr Gehalt ab. Um ihre Ziele durchzusetzen, haben die Angestellten zwar nicht die Pflege eingestellt, jedoch die Erledigungen hauswirtschaftlicher Aufgaben.

Das unterste legale Gehalt liegt in Spanien bei 600 Euro pro Monat für eine durchschnittliche 40-Stunden-Woche - das sei der Referenzwert für die 37 Prozent der Angestellten auf den Balearen, die nicht nach Tarif bezahlt würden, sagt Piñeiro von CC.OO.

Auch nachdem die sozialistische Zapatero-Regierung Beschränkungen für Zeitverträge erlassen hat, macht der Gewerkschaftler den spanischen Staat für die große Zahl der Billig-Jobs verantwortlich: Das Gehalt sei ausschließlich Verhandlungssache, und es werde immer noch zugelassen, dass rund zwei Fünftel aller Arbeitsverträge zeitlich begrenzt seien. ?In schwierigen Zeiten mit steigender Arbeitslosigkeit müssen die Angestellten das schlucken, was ihnen vorgesetzt wird."

Das weiß auch Wachmann Toni Rabassa. ?So viele Stunden für so wenig Geld", sagt er mit müder Stimme. Alt werden möchte er in dem Job nicht. Aber mit beruflichen Alternativen sehe es derzeit nicht gut aus.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem:

- Flugzeugkatastrophe: Unglücks-Jet hatte Panne in Palma / Sturzflug in die Depression / Mehr als hundert Opfer identifiziert / Sicherheit ist Chefsache

- Personalnot hinter Klostermauern: Orden droht Auflösung

- Neue Töne im Pfarrheim: Centro Católico setzt auf Kultur

- Strandliegen: Das Geschäft mit dem Platz im Schatten

- Mordfall Katharina Büchler: Haftverschonung für Verdächtigen?