Fisch ist gesund für den Menschen, das ist wissenschaftlich längst belegt. Leider ist aber der Mensch – und auch das ist belegbar – nicht gesund für den Fisch. Die Fischbestände unserer Meere schrumpfen dramatisch. In nur wenigen Jahrzehnten hat der Mensch ein seit Millionen von Jahren bestehendes Ökosystem aus dem Gleichgewicht gebracht. Möglicherweise sind die Schäden bereits jetzt irreparabel. Fest steht: Es ist fünf vor Zwölf, und die Uhr tickt weiter.

52 Prozent der Weltfischbestände, so eine diesjährige Studie des WWF (World Wildlife Fund), werden bis an ihr Limit ausgebeutet. 28 Prozent gelten bereits als überfischt. Kabeljau, Lachs, Thun- und Schwertfisch werden sogar so stark gejagt, dass ihre Population um 90 Prozent zurückgegangen ist. 80 Prozent davon in den vergangenen 15 Jahren. Und die Hatz auf sie geht weiter.

Rund um den Globus ist nur ein Prozent der Meere geschützt. Die verbleibenden 99 Prozent der Ozeanfläche, so die Angaben der Welt-Ernährungs-Organistion FAO, befahren um die 3,5 Millionen Boote. Diese fangen jährlich 100 Millionen Tonnen Fisch. Lediglich 1 Prozent der Schiffe sind industrielle Trawler. Die schwimmenden Fischfabriken haben jedoch 50 Prozent der Gesamtfangmenge in ihren kilometerlangen Netzen.

200 Millionen Menschen leben weltweit direkt vom Fischfang, weitere 35 Millionen arbeiten in der Fischereiwirtschaft. Würde man den Bestand bestimmter Fischarten für ein bis zwei Jahre schonen, damit diese sich regenieren können, hätte dies massive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Zehntausende Fischer hätten keinen Job mehr. Dies, so die FAO setze die Regierungen unter Druck und veranlasse sie zu sehr kurzsichtigem Handeln. Eine nachhaltige Nutzung der Meere habe bislang keine Priorität.

Besonders betroffen ist Eu­ropa. 88 Prozent der Bestände in der Nord- und Ostsee, dem Atlantik und dem Mittelmeer sind überfischt. Die alljährlich EU-weit festgelegten Fangquoten sind laut Umweltschützern viel zu hoch angesiedelt und liegen um 30 bis 50 Prozent über dem von Wissenschaftlern als gerade noch verträglich eingestuften Maß. Und selbst daran hielten sich viele Fischer nicht.

Rund 2.000 Richtlinien und Gesetze haben die EU-Agrarminister bereits erlassen, um den Fischfang zu regeln und der skrupellosen Ausbeutung der Meere Einhalt zu gebieten. Bislang ohne nennenswerte Erfolge. Im Gegenteil. Abgesehen davon, dass Gesetze nirgendwo so leicht umgangen werden können wie auf hoher See, sei die bestehende Fangquotenregelung als solche bereits ein Fehler, argumentieren Greenpeace, Oceana, WWF und viele andere Umweltverbände. Sie limitiere nur die Menge des jeweils angelandeten Fangs einer bestimmten Spezies, nicht aber die des tatsächlichen eingeholten Fisches, inklusive also des Beifangs. Dies führt dazu, dass die größten und gewinnträchtigsten Exemplare aus den Netzen aussortiert und die zu kleinen Fische und der übrige Beifang – meist tot – wieder ins Meer zurückgeworfen werden.

Dieser Fang würde nur die Laderäume blockieren und den „hochwertigen Fischen" den Platz an Bord nehmen. Dann werden die Netze erneut ausgelegt. Lediglich Norwegen verpflichtet seine Fischer, mit allem, was sie in ihren Netzen haben, in ihre Häfen zurückzukehren. 40 Prozent wird weggeworfen „Der Beifang von heute nimmt uns die Nahrung von morgen", warnt Amanda Nickson, Leiterin des Beifangprogramms des WWF. Bis zu 90 Prozent mancher Fänge, so die Expertin, lande wieder im Meer. Um ein Kilo Seezunge zu fischen, würden bis zu 13 Kilo andere Meeresbewohner weggeworfen. Weltweit belaufe sich der Beifang auf 39 Millionen Tonnen, etwa 40 Prozent aller Fänge.

Jährlich zieht die komplette EU-Flotte um die sieben Millionen Tonnen Fisch aus dem Meer. Beifang nicht mitgerechnet, 90.000 Fischkutter stechen zwischen Nordnorwegen und den Kanarischen Inseln in See. 230.000 Arbeitsplätze hängen in Europa unmittelbar am Fisch.

Die Flotte, das wissen nicht nur die EU-Minister, ist viel zu groß. Über Subventionen bekommen die Fischer schon seit Jahren viel Geld, um weniger zu fischen. Seit 1994 wurden 8,5 Milliarden Euro ausgegeben, um der Fischerei-­Krise in der Union entgegenzuwirken. Zwar ist die EU-Flotte zwischen 1999 und 2007 tatsächlich um circa 10.000 Schiffe geschrumpft, doch die Fangkapazitäten gingen nicht zurück. Die Gelder haben ihr Ziel verfehlt. Sie sind überwiegend in den Kauf von leistungsfähigeren Schiffen und für den Erwerb von Fischfang-Lizenzen in Drittländern ausgegeben worden. Manche alten Boote wurden an Fischer aus Nicht-EU-Staaten verkauft.

Spanien ist in Sachen Fischerei die Nummer eins in Europa (weltweit ist es China) und hat mit über 13.000 Fischkuttern auch die größte Flotte in der EU, wenngleich die allermeisten Boote nicht für Fischzüge außerhalb der spanischen Hoheitsgewässer ausgelegt sind. 558 Schiffe, so die letzte Zählung des Spanischen Statistikamtes (INE), können weltweit agieren, und tun dies auch. Die meisten von ihnen widmen sich der Schleppnetzfischerei. Dabei werden lange Netze, die mit mächtigen, tonnenschweren Metallschlitten versehen sind, über den Meeresboden gezogen. Der Grund wird dabei mehrere Zentimeter tief umgepflügt. Alles, was dort lebt und nicht durch die Maschen fällt, verheddert sich im Netz. Moderne Trawler können mit ihren Netzen in Tiefen von bis zu 2.000 Metern vordringen und sind im Begriff, auch noch die Tiefsee abzugrasen und immense Zerstörungen zu hinterlassen.

Vertreter der Fischereiindustrie wiegeln dennoch ab. „Wir tun nichts Unrechtes", verteidigt sich Javier Garat, Generalsekretär des spanischen Fischereiverbandes Cepesca, immer wieder in den Medien. Die Bestände würden optimal genutzt. „Wir wollen ja auch in Zukunft noch fischen."

Als ob die legale Fischerei nicht schon genug Schaden und Probleme in den Weltmeeren verursachen würde, werden die Bestände auch noch von anderen dezimiert. Diese Fischer fahren unter Flaggen, deren Länder keine Fischereiabkommen haben und deklarieren ihre Fänge nicht. Weltweit werden nach Greenpeace-Informationen mit illegaler Fischerei zehn Milliarden Dollar umgesetzt. Immer wieder werden auch spanische Schiffe aufgebracht, weil sie sich nicht an internationales Recht halten und in fremden Gewässern wildern. Hauptsächlich in Westafrika, zunehmend aber auch auf der Ostseite des schwarzen Kontinents. Somalische Piraten rechtfertigen ihr Handeln neuerdings mit der Argumentation, dass die Spanier die größeren Räuber seien und den somalischen Fischern mit ihren hochmodernen Schiffen den Lebensunterhalt stehlen würden. Dies berechtige sie moralisch, spanische Trawler, wie zuletzt vor zwei Wochen das Fabrikschiff „Alakrana", zu kapern.

Aber wo auch immer die 31.000 spanischen Fischer auf den Ozeanen der Welt nach Fischen suchen, sie finden immer weniger.

Wurden nach INE-Angaben 2003 noch 845.000 Tonnen frische oder gefrorene Fische und Meeresfrüchte von spanischen Kuttern angelandet, waren es 2006 nur noch 710.00 Tonnen.

Da die Nachfrage nach Fisch aber weiter steigt, wird verstärkt auf Fischzucht gesetzt. Etwas mehr als 260.000 Tonnen Fisch und Meeresfrüchte (INE) stammten 2007 in Spanien von diesen Stationen. Vor allem Doraden und Miesmuscheln.

Doch auch diese Fischzuchten stehen in der Kritik. Für jedes Kilo Zuchtfisch, so Greenpeace, werde ein Mehrfaches an wild gefangenem Fisch verfüttert. Die Überfischung werde somit nicht verhindert, sondern sogar noch gefördert. Auch sei es bedenklich, wenn Zuchtfische aus den Bassins ausbrechen und sich mit natürlichen Populationen mischen, da genetische Schäden zu befürchten seien.

Nur eine Reduzierung des Fischkonsums, so Greenpeace weiter, ein völliger Verzicht auf besonders gefährdete Arten, die in der sogenannten Roten Liste aufgeführt sind (siehe Kasten), die Ausweitung von Meeresschutzgebieten und eine auf Nachhaltigkeit setzende globale Fischereipolitik können verhindern, dass der letzte Fisch bald gegessen sein wird. Und da könne der Endverbraucher mit seinem Kaufverhalten ein Machtwort sprechen.

Rote Liste

Finger weg von diesen Fischen

Generell sollte Fisch bewusster gegessen und regional gefangene Arten bevorzugt werden.

Auf Mallorca ist unter anderem der Verzehr von sardinas (Sardinen), llampugas (Goldmakrelen) und caballas (Makrelen) noch unbedenklich.

Der Bestand folgender Fischarten ist laut Greenpeace-Spanien wegen Überfischung und Zerstörung seines Lebensraums hingegen stark gefährdet.

Einige Arten sind bereits vom Aussterben bedroht:

atunes (Thunfische), bacalao del Atlántico (Atlantik-Kabeljau), bacalao de profundidad (Tiefsee-Kabeljau),

fletán de Atlántico (Atlantik-Heilbutt), fletán negro (schwarzer Heilbutt), gallineta (Rotbarsch), merluza (Seehecht), pez espada (Schwertfisch), platija (Scholle), rape (Seeteufel), raya (Rochen), salmón del Atlántico (Atlantik-Lachs), tiburones (alle Haifische) sowie langostinos (Garnelen) und lenguado (Seezunge).

Beim Kauf von weltweit gefangenem Fisch sollte darauf geachtet werden, dass die Fischer ein Zertifikat vom Marine Stewardship Council (MSC) haben, das nachhaltige Fangmethoden garantiert. Die Ware ist mit einem entsprechenden MSC-Aufkleber gekennzeichnet. Zuchtfische sollten ein Biosiegel nachweisen können.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem

- Letzte Chance für den Roten Thun