Mit einem Kompromiss hat Aina Calvo, die Bürgermeisterin von Palma, am Montag (1.2.) einen vorläufigen Schlussstrich unter eine emotional belastete Debatte gezogen. Der Monolith im Sa-Feixina-Park bleibt stehen, wird jedoch einem Make-up unterzogen: Aus dem Denkmal für die Matrosen eines versenkten Kreuzers der Franco-Flotte soll ein Mahnmal gegen den Krieg werden.

Das franquistische Wappen und die Inschrift, die „die Helden des Kreuzers Balearen" besingt und ein „Viva" auf die Marine Francos anstimmt, werden entfernt. Eine Tafel mit einem neuen Text soll das Denkmal „kontextualisieren". Die Arbeiten, sagte Calvo, „beginnen heute, in diesem Augenblick". Calvo gestand zu, dass die Entscheidung trotz gesetzlicher Vorgaben eine „politische" sei. Und hatte das seltene Vergnügen, Applaus von der konservativen PP-Fraktion zu erhalten.

Zornig reagiert erwartungsgemäß die „Vereinigung zur Wiedererlangung der historischen Erinnerung auf Mallorca". Deren Präsidentin Maria Antònia Oliver sagt: „Mir ist lieber, unsere Toten liegen weiter vergessen unter den Straßengräben, bevor sie von einem Franquisten-Denkmal geehrt werden." Oliver hatte vehement auf einen Abriss gedrängt. Das vor zwei Jahren in Madrid beschlossene Gesetz zur Vergangenheitsbewältigung (Ley de la memoria histórica) schreibe klar und deutlich die Entfernung aller Elemente vor, die eine Verherrlichung des Militäraufstandes gegen die Spanische Republik und des Franco-Regimes darstellen. „Wir haben vom Rathaus lediglich die Umsetzung eines bestehenden Gesetzes gefordert," so Oliver.

Dagegen hatten sich die Denkmalschützer der Vereinigung Arca für einen Erhalt des Monolithen ausgesprochen: Er sei ein Teil des Stadtbildes, Teil der Inselgeschichte und überdies im Grunde genommen kein Denkmal Francos, sondern eine Gedenkstätte zu Ehren gefallener Soldaten.

Mehrere Organisationen wie die Llullianische Archäologische Vereinigung, der Círculo Mallorquín und eine Nachbarschaftsvereinigung hatten sich dem Aufruf zur Bewahrung angeschlossen. Und nahezu 3.000 Bürger der Stadt hatten sich an einer Unterschriftenaktion beteiligt, um das Denkmal zu erhalten.

Mit dem Beschluss der Bürgermeisterin ist somit zwar Klarheit geschaffen, doch mit Sicherheit kein Frieden. Denn am Disput um das Mahnmal im Sa-Feixina-Park – laut Oliver eines der größten noch bestehenden Franquisten-Denkmäler Spaniens – wurde ersichtlich, wie weit das Land von einer Aufarbeitung seiner Vergangenheit entfernt ist, wie erbittert die Positionen noch heute aufeinanderstoßen, wie wenig sich die Spanier darüber einig sind, wie umfassend und intensiv man die Vergangenheit bewältigen soll, kann, darf, oder was überhaupt darunter zu verstehen ist.

Die Tragödie, die am Ursprung der konkreten Debatte steht, ereignete sich in der Nacht auf den

6. März 1938: Zwei Torpedos trafen den Kreuzer „Baleares", der mit einer Franco-treuen Flottille zwischen Murcia und Ibiza unterwegs war, und versenkten das Kriegsschiff. Rund 750 Matrosen starben. „Die Betroffenheit auf der Insel war gewaltig", erzählt Stadtchronist Bartomeu Bestard, „denn die 'Baleares' hatte einige Male im Hafen von Palma angelegt, und ein Teil der Besatzung stammte von der Insel."

Tatsächlich hatte sich unter anderen ein Dutzend Schiffsjungen der faschistischen Jugendorganisation „Flechas Navales" freiwillig zum Dienst auf dem Schiff gemeldet, Jungen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren. Nur drei überlebten die Katastrophe.

Im Unterschied zu anderen Denkmälern, erklärt Bestard, sei das im Sa-Feixina-Park nicht von den Behörden errichtet worden, sondern das Produkt einer Privatinitiative. Der damalige Chefredakteur der Tageszeitung „La Última Hora" setzte eine Kampagne in Gang, um das nötige Geld aufzutreiben. Bankhäuser und Sparkassen, aber auch Privatpersonen sowie Betriebe – so die Bar Bosch und das Hotel Victoria – standen auf der Geberliste. Dass Franco das Denkmal höchstpersönlich einweihte, mache den Monolithen nicht automatisch zu einem Franquisten-Monument: „Auch heute erscheinen Politiker bei der Einweihung privater Projekte und vereinnahmen sie politisch für sich."

In der „Associació per a la Recuperació de la Memòria Històrica de Mallorca" sieht man das anders. Schon im November 2007, als Bestard in einem Zeitungsartikel dieses und andere Argumente für den Erhalt des Denkmals auflistete, feuerte die Vereinigung eine Breitseite gegen den Stadtchronisten ab: Alleine die Tatsache, dass der Kreuzer „Baleares" am Beschuss tausender ziviler Flüchtlinge an der Küste bei Málaga teilgenommen habe – eine Aktion, mit der Bombardierung Guernikas vergleichbar –, sei Grund genug für einen sofortigen Abriss des Denkmals.

Im Gespräch mit der MZ legte Maria Antònia Oliver noch einen drauf: „Auch wenn Minderjährige unter den Besatzungsmitgliedern waren, ändert das nichts am Umstand, dass es sich um Freiwillige handelte. Das Monument ehrt diese Personen, die für die Diktatur waren, und es heißt gut, dass Kinder in den Krieg geschickt werden."

Der Prozentsatz der Insulaner unter den Besatzungsmitgliedern sei überdies gering gewesen, führt Oliver an, die den Denkmalschützern von Arca vorwirft, sie würden historische Daten manipulieren. „Die hier Geehrten waren keine Opfer, sie waren Täter, Mitschuldige an einem Kriegsverbrechen. Und während wir darüber diskutieren, ob dieses riesige Denkmal für die Besatzung eines Kriegsschiffs, das gegen eine demokratisch gewählte Regierung agiert hat, stehen bleiben soll, sind die Opfer dieser Gräuel in irgendwelchen Löchern begraben, wissen die Familien bis heute nicht, wo sie ihre Blumen hinbringen, wo sie ihre Trauer leben sollen."

Auch das Argument der privaten Spendenaktion zur Finanzierung des Sa-Feixina-Denkmals überzeugt Oliver nicht. „Mir kann doch niemand erzählen, dass hier edle Motive vorlagen. Man wollte sich vielmehr gut stellen mit dem Regime, man versprach sich Vorteile, und man hatte Angst vor Nachteilen, wenn man nicht öffentlich seinen 'Enthusiasmus' für die Sache zeigte."

Wie verheuchelt die Spendenaktion gewesen sei, zeige der Umstand, dass sogar im Gefängnis von Palma die Sammelbüchse umging, dass republikanische Häftlinge, „deren Verwandte ihnen Nahrungsmittel bringen mussten, weil sie sonst an Hunger gestorben wären", Geld für das Monument von Sa Feixina gaben. „Ein Franquisten-Monument, von dem sich alle Opfer des Regimes und deren Angehörige verhöhnt fühlen – noch heute, nach all den Jahren."

Maria Antònia Oliver argumentiert mit der Leidenschaft einer Frau, die sich und ihre Mitstreiter in einer Außenseiterrolle sieht. In der Familie der Unternehmerin fielen zwei Angehörige den Franquisten zum Opfer. Doch obwohl die Zahl der Ermordeten und Vermissten allein auf Mallorca in die Tausende geht, gehören bis dato nur 300 Personen ihrer Vereinigung an. „Bis heute", sagt Oliver, „überlegen sich viele in Spanien sehr genau, was sie zu diesem Thema sagen."

Ruhiger in seiner Argumentation, wenngleich irritiert über die Angriffe Olivers, ist Pere Ollers, Präsident von Arca, der einflussreichen Organisation für den Kultur- und Denkmalschutz. Sein Kampf für den Erhalt historischer Bauwerke ist zuweilen aussichtslos, die Öffentlichkeit oft desinteressiert, doch Sa Feixina mobilisierte die Gesellschaft auf breiter Front.

„Die Vergangenheit", sagt Ollers, „kann nicht nach Maßgabe der Meinungen und Emotionen einer Minderheit bewältigt werden, so sehr ich diese auf menschlicher Ebene nachvollziehen kann. Entscheidungen wie die über Erhalt oder Abriss eines so markanten Bauwerks wie das Denkmal von Sa Feixina müssen im gesellschaftlichen Konsens getroffen werden."

Für Ollers stellt sich die Frage: Wenn man Sa Feixina entfernt, wo kann die Abrissbirne dann noch haltmachen? „Steine haben keine Ideologie. Nur wenige historische Gebäude würden einen Test bestehen, der die Umstände ihrer Entstehung zum Inhalt hat. Viele unsere kulturhistorisch wichtigsten Bauten könnte man als repräsentativ für Absolutismus und Unterdrückung ansehen."

Die Frage, ob Sa Feixina nun ein franquistisches Monument sei, verneint er nach längerem Zögern. „Hier findet keine Verherrlichung der Diktatur statt, sondern wird der Opfer eines Krieges gedacht." Genauso wie an anderen Orten Spaniens, aus denen Matrosen des Kreuzers „Baleares" stammten, und wo diese Denkmäler bis heute stünden. Eines zum Beispiel im baskischen San Sebastián. Dass Oliver die Matrosen des Kreuzers als Mitschuldige an einem Kriegsverbrechen bezeichnet, geht Ollers zu weit. „Darüber, was Kriegsverbrechen sind und was nicht, können nur Gerichte entscheiden."

Ollers erwähnt nicht, dass alle Versuche spanischer Gerichte, die Verbrechen der Franco-Zeit zu untersuchen, von politischer Seite bislang abgeblockt wurden. Die Vergangenheit ist und bleibt ein heikles Thema. Bevor die Bürgermeisterin ihre Entscheidung traf, bewaffnete sie sich mit einem Rechtsgutachten zweier Professoren der Balearen-Uni, das unter anderem aussagt, das Gesetz zur Vergangenheitsbewältigung sehe nicht zwingend die Entfernung aller Symbole des Franquismus vor, sondern nur jene, die als Verherrlichung des Regimes oder als Aufruf zur Konfrontation verstanden werden können.

Der Text lässt Schlupflöcher für praktische Lösungen offen. Etwa wenn Gutachter dem Bauwerk kulturhistorischen Wert zumessen. Oder indem eine teilweise Umgestaltung erlaubt wird, damit nicht wegen eines Franco-Wappens ein ganzes Gebäude niedergerissen werden muss. Genau diese Regelung wird nun auf das „Baleares"-Monument angewandt.

Nach der Entfernung der „verherrlichenden Elemente" wird die Stadtverwaltung eine Tafel anbringen, die in fünf Sprachen – Katalanisch, Spanisch, Englisch, Deutsch und Französisch – den folgenden Text wiedergibt: „Dieses Denkmal wurde im Jahr 1948 im Gedenken an die Opfer des Untergangs des Kreuzers 'Baleares' während des Bürgerkriegs (1936-1939) errichtet. Heute ist es für die Stadt ein Symbol des demokratischen Willens, niemals die Schrecken der Kriege und Diktaturen zu vergessen. Palma 2010."

Der Text wurde bereits 1998 einstimmig von allen Rathausfraktionen beschlossen und lag seither in einer Schublade. Erst das im Dezember 2007 beschlossene Gesetz der Zentralregierung und eine Klage der Vereinigung „Memoria Histórica" zwangen die Stadt zum Handeln, 35 Jahre nach Francos Tod.

Wappen und Inschrift sollen im städtischen Lager aufbewahrt werden. Die Spannungen mit der Vereinigung „Memoria Histórica" werden schwieriger zu entsorgen sein. Calvo empfing deren Vertreter, um ihnen die Lösung und ihre Grundlagen persönlich mitzuteilen. Die Reaktion war ein Kommuniqué, in dem Maria Antònia Oliver die Forderung nach dem Abriss bestärkt und unter anderem darauf hinweist, dass auf dem Friedhof von Palma noch immer Opfer von Franquisten-Morden namenlos „in einem Loch" begraben sind und die Stadt trotz wiederholter Aufforderungen keinen Finger gerührt habe, um eine würdige Gedenkstätte zu schaffen.

Während Bürgermeisterin Calvo sagt, dass die Opfer beider Seiten Respekt verdienen, bekämpft Oliver jeden Anschein von Gleichstellung und beklagt, dass bis heute „mehr Rücksicht auf die Gefühle der Täter genommen wird als auf die der Opfer".

In der Printausgabe vom 4. Februar (Nummer 509) lesen Sie außerdem:

- Spanien diskutiert über Rente ab 67

- Wieder eine Hausverlosung: Diesmal staatlich garantiert

- Sa Feixina: Franquisten-Denkmal mit neuem Etikett

- Erdbeben offenbart Defizite: Notfallpläne fehlen

- Zahltag in Andratx: Infrastruktur kann gerichtet werden

- Thema Überfischung: Die Stiftung Mar Viva

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