Wäre der Sóller-Tunnel ein Haus, würde man wohl von einem Dachschaden sprechen. Das Wasser dringt an mehreren Stellen durch das Gewölbe, was vor allem Motorradfahrer unangenehm zu spüren bekommen. „Auch Häuser muss man ab und renovieren", sagt denn auch Jordi Ferrer, Geschäftsführer der Konzessionsfirma, die für die Wartung des drei Kilometer langen Bauwerks im Norden Mallorcas verantwortlich ist. Arbeiter ziehen derzeit Kunststoffbahnen in das Tunnelgewölbe ein. Sie sollen dafür sorgen, dass das Wasser seitlich direkt in die Kanalisation abfließt.

Gearbeitet wird nur nachts, werktags zwischen 21 und 7 Uhr. Tagsüber ruhen die Baumaschinen neben der Tunneleinfahrt. Autos, Lkw und Busse können in dieser Zeit passieren. Vielen Anwohnern und Geschäftsleuten geht die Teilsperrung dennoch zu weit, vergeblich forderten sie eine Verkürzung der Sperrzeit. Ferrer wehrt ab: Allein beim Aufbau der Maschinen und der abschließenden Reinigung gingen täglich drei Stunden verloren, sagt er.

Der Protest zeigt: Der vor 13 Jahren eröffnete Tunnel ist für die Menschen von Sóller nicht mehr wegzudenken. Anwohner und Besucher haben sich schnell an die Abkürzung gewöhnt, mit der sie sich die elf Kilometer lange Passstraße mit 60 Kurven und 400 Höhenmetern sparen. Passierten anfangs knapp 5.000 Fahrzeuge pro Tag den Tunnel, sind es inzwischen fast 8.000. Die Zahl ging im Zuge der Wirtschaftskrise allerdings wieder leicht zurück.

„Der Tunnel hat maßgeblich den Aufschwung von Sóller ermöglicht", sagt Bürgermeister Josep Lluís Colom (siehe S. 13). Und auch Ferrer sowie seine Mitarbeiter haben in den vergangenen Jahren mitansehen können, wie das abgeschlossene Orangen-Tal Jahr für Jahr enger mit dem Rest der Insel zusammenwuchs. Ob Shopping in Palma oder Handwerkeraufträge in Sóller – was früher ein Tagesausflug gewesen sei, könne dank des Tunnels an einem halben Tag erledigt werden, sagt Ferrer. Inzwischen benutzen ihn Schulbusse genauso wie im Notfall die Verstärkung der Feuerwehr.

Sie darf kostenlos passieren, alle anderen Fahrer, die nicht in den Gemeinden Sóller oder Fornalutx gemeldet sind, müssen kräftig in die Tasche greifen – 4,45 Euro kostet die einfache Durchfahrt für Pkw. Dagegen protestiert inzwischen zum Beispiel auch eine Gruppe im sozialen Netzwerk Facebook, der rund 4.000 Mitglieder angehören.

Dass täglich neue Internet-Einträge hinzukommen, dürfte am Frust vieler Bürger mit der Korruption in der Balearen-Politik zu tun haben – die Entstehung des Tunnels ist ein Beispiel für Vettern- und Misswirtschaft. An dem bis dahin größten Bauprojekt auf Mallorca wurde kräftig mitverdient, ein entsprechender Korruptionsskandal kostete Balearen-Premier Gabriel Cañellas im Jahr 1995 noch vor der Eröffnung des Tunnels den Job. Das Gericht sah es später als erwiesen an, dass der Unternehmer Antonio Cuart Bestechungsgelder in Höhe von 50 Millionen Peseten (rund 300.000 Euro) gezahlt hatte, um im Ausschreibungsverfahren den Auftrag zu erhalten. Einer Verurteilung entging Cañellas nur, weil die Straftat 1997 bereits verjährt war.

Nun wird der Tunnel noch bis zum Jahr 2022 in den Händen der Konzessionsfirma sein. Hinter ihr steht der Konzern Globalvia, der europa- und amerikaweit Mautzahlungen für Autobahnen und Tunnel erhebt. Im Fall von Sóller darf die Maut jährlich in Höhe von 95 Prozent des Preissteigerungsindexes angehoben werden. Im Gegenzug muss die Firma den Tunnel instandhalten. Die Kosten für die jetzigen Bauarbeiten in Höhe von mehr als einer Million Euro habe man ohnehin einkalkuliert, sagt Ferrer.

Zu den Aufgaben der Firma gehört außerdem die Sicherheit – ein umstrittenes Thema. So rangiert bei der Suche nach dem Sóller-Tunnel im Internet noch immer ein Bericht des spanischen Automobilclubs Race von 2003 auf Platz eins, wonach der Tunnel zu den unsichersten in ganz Europa gehöre. Das Ergebnis führt Ferrer auf eine Profilierungskampagne des Clubs zurück: Beim Thema Sicherheit habe man inzwischen aufgerüstet, der Sóller-Tunnel könne sich durchaus mit dem modernen Sa-Mola-Tunnel vergleichen lassen, der Sóller mit dem Hafen der Gemeinde verbindet.

Inzwischen 44 Kameras – im Tunnel im Schnitt alle 150 Meter – senden ihre Bilder ins Kontrollzentrum neben der Tunneleinfahrt. Es sei Tag und Nacht besetzt, betont Toni Ramis, bei der Konzessionsfirma für Wartungsarbeiten verantwortlich ist. Auch wenn bislang ein ernsthafter Unfall ausgeblieben sei, gibt es auf den Bildschirmen immer wieder etwas zu sehen: Autofahrer zum Beispiel, denen mitten im Tunnel das Benzin ausgeht. „Wir haben schon so einige zur Tankstelle begleitet", so Ramis. Die sechs Kassierer schütteln zudem regelmäßig über Urlauber den Kopf. Statt eines Geldscheins zeigten Touristen schon mal ihr farbiges All-inclusive-Bändchen am Handgelenk vor – im Glauben, auch die Maut sei im Preis für den Pauschalurlaub enthalten.

Bevor die Urlaubssaison richtig losgeht, soll der Tunnel auch nachts wieder geöffnet sein. Man liege im Zeitplan, bis spätestens 16. Mai seien die Arbeiten beendet, verspricht Ferrer. Am Wochenende sei ohnehin erst ab 23 Uhr gesperrt, und vom 2. bis 5. April (Semana Santa) und am 10. Mai (Stadtfest firó in Sóller) würden die Arbeiten ganz ausgesetzt.

Nicht unterbrochen ist unterdessen die Verbindung unter dem Asphalt in Form eines 1,20 Meter dicken Leitungsrohrs. Dort fließt seit wenigen Monaten das Wasser der Sa-Costera-Quelle von der Nordküste ins Inselinnere. Die Leitung wurde beim Tunnelbau einkalkuliert – sonst wäre man um eine Totalsperrung nicht herumgekommen, sagt Ferrer. „Ich möchte nicht wissen, was dann passiert wäre."

In der Printausgabe vom 25. März (Nummer 516) lesen Sie außerdem:

– Trendwende zu Ostern: Mehr Urlauber als im Vorjahr erwartet

– Rewe-Chef Sören Hartmann über All-inclusive, Spätbucher und Politik

– Einschreibefrist an Mallorcas Schulen läuft

– Der Sóller-Tunnel 2: Bürgermeister Colom im Interview

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