Immer mehr Menschen leiden unter chronischen Erschöpfungszuständen. Sie werden ambulant in Therapiesitzungen oder auch in Kliniken behandelt. Und immer öfter auch auf Mallorca. Eine Marktlücke der Tourismuswirtschaft? Nicht nur Mediziner, auch Naturheilkundler und Coaches entdecken die Insel als idealen Therapie-Platz.

Während einige noch bei der Planung sind, behandelt der Psychotherapeut Dr. Mario Scheib schon seit sechs Jahren Burn-out-Patienten auf der Insel: „Es ist unsere zweithäufigste Diagnose bei der Aufnahme. Tendenz: steigend." Was auch an einem veränderten Bewusstsein liege. Der Selbstmord von Torwart Robert Enke im vergangenen Jahr hat eine wahre Diskussions-Lawine ausgelöst. Immer mehr Menschen geben sich seither als Burn-out-Betroffene zu erkennen: von Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel über Autor Frank Schätzing bis hin zu TV-Koch Tim Mälzer.

Dirk Lange von Life Balance Consulting aus Hamburg bestätigt: „Seit dem vergangenen Jahr ist die Zahl derer, die zugeben, einen Burn-out zu haben, deutlich gestiegen. Früher haben sich viele nicht getraut, es zuzugeben." Seit zehn Jahren bietet er Coachings für Burn-out-Patienten an, auch auf Mallorca. Bisher reiste er allerdings meist als Privat-Coach an. Eine seiner Klientinnen: die Autorin Judith Cramer. Er besucht sie regelmäßig zu oft tagelangen Gesprächen und Sitzungen. Weil die Nachfrage steigt, will er auf der Insel künftig auch Gruppenreisen anbieten: „Noch vor einem Jahr war der Markt dafür nicht da. Die beste Therapie ist: raus aus dem Alltag." Und Abstand gewinnen ginge am besten in einer anderen Umgebung. „Der Zusammenhang von Klima, Temperatur und mediterranem Flair ist extrem hilfreich." Viele seiner Mandanten wollen außerdem nicht, dass ihre Firma oder irgendwer davon erfährt, dass sie in Behandlung sind.

Ein Aspekt, den Dr. Scheib aus Palma bestätigt. Auch seine Patienten schätzen es, hier diskret behandelt zu werden: „Sie können einfach sagen, sie führen für drei Wochen in den Urlaub nach Mallorca. Sie sind in ganz normalen Hotels untergebracht, haben täglich Einzeltherapien und einen Sportcoach." Die durchschnittliche Behandlungsdauer beträgt bei Scheib drei Wochen. Kosten: Hotel plus 250 bis 300 Euro pro Tag: „Das ist wesentlich kürzer und günstiger als in deutschen Kliniken. Viele private Kassen zahlen die Therapie deshalb."

Auch Ifabb Residential Coaching hat schon Erfahrung in der hiesigen Burn-out-Behandlung. Das Berliner Institut bietet seit zwölf Jahren Coachings an, seit zwei Jahren auf einer gemieteten Finca bei Llucmajor. Geschäftsführer ­Sascha Neumann bestätigt ebenfalls vermehrte Anfragen. Warum sich Ifabb für eine „Filiale" auf Mallorca entschieden hat? „In Berlin kommen die Klienten für ein paar Stunden zu uns – und sind danach wieder in ihrem Alltag. Die Nachhaltigkeit, wenn sie weg sind von zu Hause, ist auf Mallorca einfach viel höher. Dort können sie sich ganz auf sich konzentrieren, ohne jede Ablenkung. Eine Woche hier bringt mehr, als Monate zu Hause." Das Ifabb-Team betreut nie mehr als vier Personen auf einmal: „Wir haben uns zwar vergrößert, und sicher wäre auch noch mehr drin. Aber wir wollen ja auch keinen eigenen Burn-out bekommen", sagt er. Kosten für eine Woche: ab 1.800 Euro.

Diplom-Psychologin Gita Chaudhuri aus Palma findet eine Initialbehandlung auf Mallorca ebenfalls sinnvoll. Sie erklärt den Trend: „In Zeiten der Krise ist die Zahl von Burn-out Patienten besonders hoch. Menschen, die ihren Alltag unter normalen Umständen noch bewältigen, haben angesichts vermehrter Probleme keine Energie mehr. Solche Patienten gab es auch früher schon. Sie waren aber eher bei Internisten oder Orthopäden wegen körperlicher Beschwerden in Behandlung. Heute sind mehr Mediziner auch auf der psychischen Ebene aktiv."

Doch wie seriös sind Coachs und Naturheilkundler? Gernot Langs, Chefarzt der Klinik Bad Bramstedt, empfiehlt eine psychotherapeutische Behandlung bei ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten. Dirk Lange verteidigt sich: „Viele Menschen, die zu mir kommen, wollen gar nicht zu einem Therapeuten. Sie schätzen es, dass alle unsere Mitarbeiter selbst langjährige Berufserfahrung haben, die Probleme nicht nur in der Theorie kennen." Außerdem würde er einen Rund-um-die-Uhr-Service bieten, den Therapeuten gar nicht leisten könnten. Und auch Dr. Mario Scheib bestätigt: „Es kommt auf das Konzept an."

In der Printausgabe (Nr. 517) lesen Sie außerdem:

- Die Akte Matas: Rekord-Kaution für Ex-Premier

- Neue Initiativen gegen die Korruption

- Der Sicherheitsmann Primo

- Strand ohne Sand: Streit um Aufschüttung von Cala Barques

- Razzia gegen Hahnenkampf

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