Es ist wieder Foto-Session. Übers Wochenende sind 51 neue Hunde im Tierauffanglager Son Reus eingetroffen, sie müssen jetzt für die Bilder-Galerie auf der Internetseite fotografiert werden. „Käfig Nr. 22, Welpe, braunes Fell", sagt Büro-Mitarbeiter Alex. Sein Kollege holt den Hund aus dem Zwinger, das Gebell der Tiere schwillt an und ab, sobald jemand den Gang der Anlage passiert. Klick, ein Foto, dann geht es weiter zu Tierarzt Rafael de Juan. Mit routinierten Handgriffen verabreicht er per Spritze die Impfung, streichelt übers Fell – und der nächste Hund ist an der Reihe.

Impfungen und Mikro-Chips, Spritzen und Tabletten – so geht das den ganzen Tag in Palmas chronisch überlaufenem Tierheim, das ein paar Kilometer nördlich der Stadt an der Straße nach Sóller liegt. „Ich komme kaum noch hier aus dem Behandlungszimmer heraus", sagt de Juan. Derzeitiger Stand: Knapp 200 Hunde und 80 Katzen teilen sich die Zwinger, hinzu kommen neuerdings auch Gänse, Schafe, Schweine, Schildkröten und ein paar fluguntaugliche Geier, die nach Unfällen oder falscher Aufzucht in der freien Natur nicht mehr zurechtkommen.

Die zwei Tierärzte, drei Büroangestellte und zehn weitere Mitarbeiter müssen ausbaden, was auf Mallorca in Sachen Tierschutz schiefgeht. 3.744 Tiere landeten von Januar bis August dieses Jahres in Son Reus. Infolge der Wirtschaftskrise würden mehr Tiere ausgesetzt, die Gemeinden schicken weiterhin ihre Findlinge nach Palma, verantwortungslose Züchter verschärfen das Problem zusätzlich. Neuerdings landeten auch viele Jagd- und Kampfhunde in Son Reus, sagt de Juan.

Und als sei das nicht genug, kämpft der Tierarzt auch noch mit den gesetzlichen Vorschriften. 15 Tage müsse man Tiere ohne Mikrochip behalten und auf einen möglichen Halter warten, bevor sie in Adop­tion gegeben werden können – Zeit genug, damit sich die oft jungen Tiere in den Zwingern trotz der Impfungen anstecken könnten.

Das Gesetz schreibe zudem vor, dass jeder sein Tier in Son Reus loswerden kann, gegen eine Gebühr von 80 Euro. Die Halter entschuldigen diesen Schritt mit einem Umzug oder einer Scheidung. „Ausflüchte", sagt de Juan, „wenn man seinen Hund mag, gibt man ihn nicht her." Besonders während der Ferienmonate und nach den Weihnachtsfeiertagen würden viele Tiere ausgesetzt.

Und noch immer trage erst einer von fünf Hunden den vorgeschriebenen Mikrochip. Er speichert einen 15-stelligen Code, der Auskunft über Name und Anschrift des Halters gibt. So könne dieser ausfindig gemacht und mit einer Strafe von 600 bis 1.500 Euro belegt werden, falls er sein Haustier nicht abholt. Und das sind laut de Juan so einige.

Heute bekommt unter anderen ein sieben Monate alter Yorkshire-Mischling den Mikro-Chip unter die Haut gesetzt. Gleichzeitig wird im Büro ein Tierpass vorbereitet, in dem alle Impfungen aufgeführt sind. „Jetzt geht es ab nach Hause", sagt Mitarbeiter David, und trägt den Hund davon.

In Empfang nimmt ihn Nicole Manzke. Die Deutsche, die mit einer Tierschutzorganisation (www.hunde-aus-mallorca.de) zusammenarbeitet, schaut einmal pro Woche in Son Reus vorbei. Auch Lillebror, wie der Yorkshire ab jetzt heißt, soll möglichst bald nach Deutschland oder Holland vermittelt werden. „Ich wollte erst nicht nach Son ­Reus kommen, weil ich Angst hatte, dass ich das nicht ertrage", sagt Manzke mit dem zitternden Hündchen in den Armen. Sie habe aber festgestellt, dass die Mitarbeiter des Zentrums gute Arbeit leisteten und täten, was sie könnten.

Kritisiert wird immer wieder, dass nicht vermittelte Tiere in Son Reus nach einer zwei bis mehrere Wochen dauernden Frist eingeschläfert werden. Für den Zeitraum Januar bis August 2010 sind in der Statistik unter „Eutanasia" 814 Tiere erfasst. Viele Hunde und Katzen seien auch krank oder wegen Verhaltensstörungen nicht vermittelbar, sagt de Juan. „Wir sind hier nun einmal keine Stiftung, sondern die Stadtverwaltung von Palma." Der Tierarzt zeigt Döschen mit einer rötlichen Flüssigkeit, Natrium-Pentobarbital. Kranke Tiere bekämen es direkt im Behandlungszimmer gespritzt, erklärt der Tierarzt. Für die sonstigen Einschläferungen verweist er auf einen weiter entfernt gelegenen Raum auf dem Gelände – so werde sichergestellt, dass die Artgenossen in den Zwingern nichts mitbekämen und kein Aufruhr entstehe.

Bis September wurden aber auch 1.419 Tiere vermittelt, Tendenz steigend. Tierarzt de Juan lobt die Kooperation mit den ehrenamtlichen Helfern. Mitglieder der Tierschutzdachorganisation Baldea holten viele Tiere rechtzeitig aus Son Reus ab und müssten dank eines Abkommens auch keine Gebühren zahlen. „Sie leisten großartige Arbeit", so der Tierarzt.

Besserung soll nun auch eine Initiative des Inselrats bringen. Dort wird nach Grundstücken im Umland gesucht, um ein weiteres Tierheim auf Mallorca zu bauen, das dann von Baldea verwaltet wird. Tierarzt de Juan macht allerdings keinen Hehl aus seiner Skepsis gegenüber der Politik. Bislang gebe es nur Ankündigungen. Weil man sich in Son Reus nicht mehr anders zu helfen weiß, droht Palmas Tierheim, Findlinge aus anderen Gemeinden nur noch unter Auflagen aufzunehmen – etwa nach einer Übergangsfrist von sieben Tagen, in denen die Kommunen selbst den Halter suchen sollen. Tiere aus größeren Gemeinden wie Marratxí will man in Zukunft ganz ablehnen.

Es gibt aber auch gute Nachrichten. So soll in Son Reus bis Ende des Jahres der Anbau mit einer neuen Tierklinik fertig sein, dank Mitteln aus Spaniens Konjunkturprogramm Plan E. Neben neuen Behandlungsmethoden wie einem Röntgenapparat erlaube die 309.000-Euro-Investition, dass Neuankömmlinge zunächst in Quarantäne bleiben könnten, sagt de

Juan und zeigt, wo in dem Rohbau die neuen Zwinger entstehen.

Einen eigenen Hund hat der Tierarzt nicht, wie er sagt – Job und Familie ließen zu wenig Zeit. Er kenne schließlich die Bedürfnisse eines Hundes aufgrund seiner Arbeit nur zu gut.

csmpa.palmademallorca.es

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