Der Ausblick von der Terrasse hat sich für Marisol Fiedler von heute auf morgen gewandelt. Am Hang gegenüber, wo sie und ihr Mann vor kurzem noch auf Bäume schauten, sind in mehreren Reihen Metallstreben in die Höhe gewachsen. Arbeiter roden auf dem Gelände von Es Pujols weitere Bäume, Bagger rumpeln über die Baustelle, metallisches Hämmern tönt herüber.

Die Fiedlers wohnen zur Langzeitmiete in der Finca bei s´Alqueria Blanca, im Süden von Mallorca. Eigentümerin Antònia Mas fürchtet aber, dass die Familie bald das Weite suchen wird. „Schauen Sie doch selbst, das ist unbeschreiblich", sagt die Mallorquinerin mit Tränen in den Augen. „Hier wird der kostbarste Teil Mallorcas kaputt gemacht." Mas befürchtet, dass ihre Finca nun beträchtlich an Wert verlieren wird – genauso wie im Fall der umliegenden Häuser, die zum Großteil Deutschen gehörten. „Viele von ihnen sind gerade nicht da und wissen noch gar nichts."

Die Aufregung ist groß in den sogenannten Hamburger Hügeln in der Gemeinde Santanyí. Die Anwohner versammeln sich auf dem Kirchplatz, beratschlagen über Anwälte und versuchen, aus Bauplänen und amtlichen Genehmigungen schlau zu werden, zum Beispiel in der Frage, wie viel Prozent der Grundstücksfläche ein Solarpark überhaupt einnehmen darf. „Niemand ist gegen Solarenergie", betont Anwohner Bernd Schweitzer. Es sei jedoch unverständlich, dass die Landesregierung eine solche Anlage in einer der schönsten Gegenden Mallorcas erlaube, die etwa auch für ihre Mandelblüte bekannt sei. „Wie verträgt sich so etwas mit der Förderung von Qualitätstourismus?"

Genehmigt wurde die Anlage von der Mitte-Links-Vorgängerregierung im September 2008, die Bauarbeiten auf Es Pujols begannen vor rund vier Wochen. Hinter dem Projekt steht das deutsche Unternehmen BayWa AG, das in die Anlage mit einer Modulfläche von 0,77 Hektar insgesamt rund 3 Millionen Euro investiert.

Im Unternehmenssitz in München ist man um die Beruhigung der Anwohner bemüht. Sprecherin Marion Danneboom verweist auf neueste technische Standards zum Umweltschutz. So werde die Unterkonstruktion fast ausschließlich gerammt, um Erdbewegungen auf ein Minimum zu reduzieren. Zudem würden als Sichtschutz rund 635 Zypressen mit einer Höhe von bereits drei Metern auf einer Länge von 720 Metern gepflanzt. „Der Wert der Aufforstung beträgt 53.100 Euro." Die Weideflächen blieben erhalten, und die sogenannten Modultische mit einem Aufstellungsgrad von 29 Grad seien ähnlich wie Brillengläser entspiegelt, um störende Reflektionen zu vermeiden.

Es ist nicht das einzige Projekt der BayWa in Spanien. Zuvor hatte das Unternehmen über die Beteiligungsfirma Aufwind-Nuevas Energías S.L. in eine 3,3-Megawatt-Anlage im Hafen von Barcelona investiert. Auf Mallorca entsteht derzeit außerdem ein weiterer Solarpark bei Porto Cristo mit einer Kapazität von 1,6 Megawatt. Das Unternehmen verweist zudem auf weitere drei geplante 5-Megawatt-Anlagen in der Gemeinde Muro – in diesem Fall jedoch außerhalb der Sichtweite von Anwohnern.

Zum Einsatz kommt deutsches Know-how auf der ganzen Linie. Neben der BayWa ist die Planungsfirma Wirsol AG aktiv, die Unterkonstruktion liefert Metallbau Schletter. „Die Firmen arbeiten dort, wo es geht, mit regionalen Handwerksbetrieben zusammen", betont jedoch Danneboom. Zustande gekommen seien die Projekte, nachdem ein Vermittler auf die BayWa zugekommen sei und das Interesse der Landesregierung an einer unabhängigen Energieversorgung bekundet habe. Die Anlage von Es Pujols soll in Zukunft Energie für rund 320 Haushalte liefern.

Auf wenig Begeisterung stößt das Projekt im Rathaus von Santanyí. Bürgermeister Miquel Vidal (Volkspartei, PP) betont gegenüber der MZ, dass er am Genehmigungsverfahren in keiner Weise beteiligt gewesen sei. Den aufgebrachten Anwohnern hat er nun Schützenhilfe versprochen, wenn sie bei der inzwischen PP-geführten Landesregierung (Govern) vorsprechen.

Dort wird darauf verwiesen, dass im Rahmen des Genehmigungsverfahrens im März 2008 auch das Rathaus Santanyí informiert worden sei. Die Gemeinde habe aber keine Einsprüche geltend gemacht. Auch die balearische Umweltkommission habe das Projekt genehmigt, so ein Sprecher. Während der Phase der öffentlichen Auslegung habe es keine Einwendungen gegeben. Der Solarpark nimmt laut Umweltkommission 14 Prozent der Grundstücksfläche ein, eine prozentuale Begrenzung gebe es aber nicht.

Die Anwohner in den Hamburger Hügeln wollen jetzt vor allem auf die Hilfe von Anwälten setzen, um die Auflagen für das Projekt zu überprüfen. Erfolgreich war Bernd Schweitzer immerhin hinsichtlich der Arbeitszeiten auf dem Baugelände. Nach einem Gespräch begännen die Arbeiter morgens nun zu späterer Stunde – und legten zumindest am Wochenende eine Pause ein.

In der Printausgabe vom 30. Juni (Nummer 582) lesen Sie außerdem:

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