Die Ansiedlung eines Servicecenters für das deutsche Kommunikationsunternehmen 1&1 ist so gut wie beschlossene Sache. Die letzte Hürde – die bisher in dieser Branche sehr starren Tarifverträge – ist mit einer in der vergangenen Woche verkündeten Arbeitsmarktreform aus dem Weg geräumt worden. Mit 250 bis 400 Jobs wird das Servicecenter einer der größten deutschen Arbeitgeber auf der Insel.

Die Firma 1&1 prüft schon seit Monaten die Einrichtung des ­Servicecenters, hielt sich aber bislang im Hintergrund und wollte nicht genannt werden. Mit der Ausarbeitung des Projektes war die Consulting-Firma Servilium beauftragt. Zunächst war noch die Rede von einem „Callcenter". Als man jedoch bemerkte, dass dieser Begriff auf der Insel wegen schlechter Erfahrungen „sehr negativ" besetzt ist, entschied man sich für den Ausdruck „Servicecenter". Mehr als 700 deutschsprachige Interessenten bewarben sich bis dato auf die entsprechenden ­Stellenausschreibungen, erklärt Stefan Wächter von Servilium.

Wächter nahm den Standort Mallorca unter vier Gesichtspunkten unter die Lupe. Erstens: Gibt es geeignete Gebäude, um innerhalb von kurzer Zeit ein Center mit 250 bis 400 Mitarbeitern aufzubauen? Wächters Antwort: Ja, gibt es. Drei Gebäude im Raum Palma kamen in die engere Auswahl. Schließlich entschied man sich für zwei Etagen in einem Gebäude in Palmas Gewerbegebiet Son Castelló.

Zweitens: Bieten die Telefongesellschaften genügend gesicherte und stabile Bandbreite, um so viele Mitarbeiter mit modernen Arbeitsplätzen und Internettelefonie auszustatten? Antwort: Kein Problem. Die rund 3.000 Quadratmeter Bürofläche sollen nun mit den entsprechenden Leitungen und Rechnern ausgestattet werden.

Drittens: Gibt es genügend potenzielle Arbeitskräfte mit muttersprachlichem Deutschniveau, die den Kundenstamm von 1&1 in Deutschland betreuen könnten? Um diese Frage zu klären, die ursprünglich den Anstoß für die Idee gab, nach Mallorca outzusourcen, überprüften Wächter und sein Kollege Markus Geisert (der die Geschäftsführung in dem Center übernehmen soll) mehr als 700 Bewerbungen.

Die Antwort der beiden: Rund 90 Prozent der interviewten Personen kämen für die Arbeit in Frage. „Wir waren überrascht, dass sich sogar hochqualifizierte Akademiker beworben haben", meint Geisert. Solche Leute würde man in Deutschland mit so einer Ausschreibung nicht erreichen.

Überrascht sei man auch von der „Leidensfähigkeit" der Bewerber gewesen. Anscheinend würde es auf der Insel viele Leute geben, die bereit sind, in Schichten und sehr flexibel zu arbeiten, um im Gegenzug ein festes Gehalt zu verdienen, das nicht von der Tourismussaison abhängt.

Dabei kommen nicht nur Deutsche für die Jobs in Frage. Oft seien es junge Leute, die deutsche Eltern haben und auf Mallorca aufgewachsen seien, erklärt Wächter. Außerdem gebe es viele spanische Rückkehrer, die in Deutschland aufgewachsen und häufig sogar dort studiert hätten. Mallorca bietet im Vergleich zu anderen spanischen Regionen wie Valencia oder Andalusien den Vorteil, dass die potenziellen Mitarbeiter alle inselbedingt in der Nähe wohnen. So viele qualifizierte deutschsprachige und arbeitssuchende potenzielle Mitarbeiter auf so engem Raum finde man sonst im Ausland nirgends.

Außerdem biete Mallorca eine ganze Bandbreite an Sprachkenntnissen: „Viele Bewerber konnten außer Deutsch nicht nur Spanisch und Englisch, sondern häufig auch Französisch, Russisch, Japanisch oder baltische Sprachen", meint Geisert. Das böte interessante Perspektiven für eine mögliche spätere Erweiterung des Servicecenters. Schließlich wolle man mittelfristig auch spanischen Unternehmen der Telekommunikations- und Energiebranche anbieten, ihre Arbeit in das Servicecenter auszulagern, das unabhängig von 1&1 als eigenständige spanische Aktiengesellschaft aufgebaut werden soll.

Nun hing alles von dem vierten Faktor ab: den rechtlichen Rahmenbedingungen. Sorgen machten die starren Tarifverträge, die bislang für Callcenter in Spanien galten. „Bei Vollzeitverträgen brauchen wir eine 40-Stunden-Woche, die nach spanischen Tarifverträgen für die Branche nicht vorgesehen sind", meinte Geisert im Gespräch mit der MZ, kurz bevor am vergangenen Freitag die Arbeitsmarktreform bekannt gegeben wurde.

Auch sah der bis dato geltende Tarifvertrag vor, die Schichtdienste mehrere Wochen im Voraus festzulegen. Das sei nicht „europatauglich", beklagte Geisert. Schließlich müsse man mit vergleichbaren Service­centern in Deutschland konkurrieren, die keine solch starren Vorschriften hätten.

Die Bindung an solche Tarifverträge wurde nun durch die Arbeitsmarktreform gelockert. „Der geplante Aufbau unseres neuen Unternehmens hat in der vergangenen Woche entscheidende Hürden genommen", teilte Wächter darauf am Montag mit. „Im Bereich der rechtlichen Fragestellungen sind wir zuversichtlich, dass uns die Reformen im Bereich des spanischen Arbeitsrechts helfen, unser Unternehmen erfolgreich hier auf Mallorca aufzubauen." Und so heißt es in einem Schreiben an die Bewerber: „Der Start der Schulungen für die ersten Kundenberater wird Anfang April erfolgen."

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 16. Februar (Nummer 615) lesen Sie außerdem:

- Port Adriano: Zwangsräumung trotz Mietvertrag

- Arbeitslose Verkäuferin ist die Heldin der Kreditopfer

- Fünf-Sterne-Hotel Jumeirah: In Söller läuft der Countdown

- Pfiffe gegen die Kälte: Schülerprotest in Santanyí

- Generalprobe fúr Urdangarin: Nebenangeklagte verweigern Aussage

- Das Geschäft mit dem Müll: Der weite Weg der Wertstoffe

Hier geht's zum E-Papier: epaper.mallorcazeitung.es.