„Ein gestreiftes Pferd ist kein Zebra" – mit diesem Befund hat das Verwaltungsgericht der Stadt Palma vergangene Woche dem Gesa-Hochhaus den Status als denkmalgeschütztes Gebäude entzogen. Das Gericht bezog sich dabei auf die Frage, ob der Bau ein schützenswertes Beispiel moderner Architektur auf Mallorca sei oder nicht. Einzelne Elemente des als Funktionalismus bekannten Baustils, so die Begründung, machten das Gebäude eben nicht zwangsläufig zu einem Architektur-Denkmal.

Jetzt ist die Zukunft des Bürogebäudes wieder völlig offen. Auf den ersten Blick wäre der Abriss des Baus, der schon 2003 im Zuge der Neugestaltung des Ufer­bereichs beschlossen worden war, die einfachste Lösung. Doch eben nur auf den ersten Blick. Denn das Gebäude beschäftigt mittlerweile nicht nur Architekten, sondern auch Justiz und Politik.

Am ästhetischen Wert des 1967 erbauten orange-braunen Klotzes scheiden sich die Geister. Viele finden das Gebäude an der Einfahrt nach Palma einfach hässlich. Doch Schönheit ist bekanntlich subjektiv und liegt im Auge des Betrachters. Zudem birgt das Innere des Hochhauses tatsächlich Besonderheiten. Architekt Josep Ferragut setzte hier die Idee der freien Grundrissgestaltung des legendären Le Corbusier um. Es gibt keine tragenden Mauern, nur einen zentralen Betonturm, in dem alle Einrichtungen wie Aufzüge, Klimaanlage oder Versorgungsschächte untergebracht sind. Die gläserne Fassade übernahm Ferragut von Mies van der Rohe.

Doch auch nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes ist der architektonische Wert des Baus strittig. Das Gericht hielt das Gutachten dreier Architekten aus Barcelona für „logischer, überzeugender und rationaler" als die einstigen Expertisen des Insel­rates. Architekten und Kunsthistoriker wundern sich nun, dass die Entscheidung allein auf Grundlage eines von der Klägerseite in Auftrag gegebenen Gutachtens erfolgt ist.

Der Kläger war in diesem Fall das in Barcelona ansässige Bauunternehmen Núñez i Navarro. Die Katalanen hatten das Gelände, auf dem das Bürohaus steht, sowie zwei angrenzende Grundstücke 2004 für knapp 74 Millionen Euro vom Energieversorger Endesa gekauft. Im Kaufvertrag verpflichtete sich Endesa, seinen ehemaligen Firmensitz abzureißen. Núñez i Navarro wollte 200 Luxuswohnungen mit Blick auf das Meer errichten. Doch 2007 stellte der Inselrat das Gesa-Gebäude unter Denkmalschutz, das Bauunternehmen konnte seine Pläne nicht mehr umsetzen.

Die damals gefundene Lösung: Das Gebäude ging ins Eigentum der Stadt Palma über, die darin einen Teil der Verwaltung unterbringen wollte. Die Besitzer der betroffenen Grundstücke, darunter auch Núñez i Navarro, wurden mit Ersatzgrundstücken an der Straße Joan Maragall sowie im Gewerbegebiet Polígono de Levante entschädigt, die nicht mehr direkt am Ufer liegen. Gleichzeitig ließ die damalige Bürgermeisterin Aina Calvo (PSOE) den Bebauungsplan für das Gelände am Ortseingang von Palma aufheben und setzte auf Parkanlagen rund um das Gesa-Gebäude.

Núñez i Navarro wollte sich damit nicht zufriedengeben und klagte. Ebenso verhielten sich auch mehrere andere Eigentümer. Die meisten Urteile stehen noch aus.

Die PP würde mit dem Abriss des Gebäudes ein Wahlkampfversprechen einlösen. Schon 2007 hatten die Konservativen im Inselrat gegen den Denkmalschutz gestimmt. Ob sie sich jetzt auch für diese Option entscheiden, ist trotzdem fraglich.

Stadtkämmerer Julio Martínez hat bereits beteuert, die Stadt wolle die für den Steuerzahler günstigste Lösung finden. Ein Abriss könnte um die fünf Millionen Euro kosten. Theoretisch könnte die Stadt die Kosten des Abbruchs an Endesa weitergeben, denn der Stromversorger war schon 2003 entschädigt worden.

Ebenso theoretisch: Wenn die Grundstücke wieder als Wohngebiet ausgewiesen würden, könnte die Stadt sie erneut teuer verkaufen und so die leeren Kassen füllen. Dann könnten dort, wie von der PSOE befürchtet, bald doch die ursprünglich geplanten Luxuswohnungen entstehen.

Doch gleichzeitig müsste im Falle eines Abrisses der gesamte Bebauungsplan wieder geändert werden, was vielfältige Fragen aufwirft: Können die Grundstückszuteilungen einfach wieder geändert werden? Was soll mit den Millionen Euro teuren Parkanlagen geschehen? Wo soll nun das neue Verwaltungsgebäude für die Stadt errichtet werden?

Sollte sich die Stadt gegen einen Abriss entscheiden, könnte sie dank der Aufhebung des Denkmalschutzes Veränderungen am Gebäude vornehmen. Das würde die Renovierung des seit Jahren verwahrlosten Hochhauses erleichtern. Billig wäre diese Sanierung trotzdem nicht.

Für wahrscheinlich gilt, dass die Stadt jetzt erst einmal auf Zeit spielen und die vielen noch ausstehenden Gerichtsurteile abwarten wird. „Im Moment halte ich die Abrissoption für die unwahrscheinlichste Lösung", bemerkt ein Beobachter, Juan Morell von der Architektenkammer. Die Stadt will jetzt auch mit Núñez i Navarro Gespräche aufnehmen, um eine gütliche Einigung zu erreichen. Wie diese aussehen könnte, dürfte allen Beteiligten noch viele schlaflose Nächte bereiten.

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