Die Büroräume in der Carrer ­Menorca sind noch recht leer. Am 2. April hat Jörg Boeckmann den Sitz von „Mundo del Crucero S.L." bezogen - und erst mal die Schreibtische zusammengeschraubt. „Wenn man die Erstreinigung der Räume selbst übernimmt, hat man einen ganz anderen Bezug zum Unternehmen", sagt der 44-jährige Bremer schmunzelnd.

Boeckmann ist geschäftsführender Gesellschafter der neu gegründeten Firma, die mit zwei Internetportalen den spanischsprachigen Kreuzfahrtmarkt erobern will. Auf cruceros.es bietet sein Unternehmen Kreuzfahrten an, die von spanischen Städten aus starten. Parallel dazu betreibt Boeckmann die Seite cruceros.com, die sich an die „boomenden Volkswirtschaften" auf dem lateinamerikanischen Markt wendet.

„Kreuzfahrten.de" im Rücken

Der Kreuzfahrtanbieter fängt dabei nicht ganz bei null an: Boeckmann hat mit dem Reisebüro Nees GmbH eine etablierte Größe in Sachen Schiffsreisen im Rücken. Das aus einem Familienbetrieb entstandene Reisebüro betreibt seit 2002 die Webseite mit dem einprägsamen Namen kreuzfahrten.de, auf deren Design und umfassende Datenbank Boeckmann zurückgreifen kann.

„Die Domains kreuzfahrten.de und cruceros.es sind natürlich ein sehr großer Wettbewerbsvorteil", sagt er. Allerdings reicht es nicht, die deutsche Seite ins Spanische zu übersetzen. „Wir sind nicht die Ersten am Markt und müssen für die Kunden einen Mehrwert schaffen." Der liegt nicht nur in der Berücksichtigung spanischer Schulferien und Feiertage und dem Angebot einer spanischen Reiseleitung. Es braucht in der Kreuzfahrt erfahrenes Personal. Sowohl der Internetauftritt als auch die fachlich kompetente Beratung müssten beim Kunden Vertrauen aufbauen: „Kreuzfahrten sind auch eine emotionale Sache. Und der Kunde zahlt ja schließlich einen Betrag, ohne vorher irgendetwas anfassen zu können."

Dass die Wahl für den neuen Standort auf Palma fiel, war kein Zufall. Auch Barcelona kam in Frage, aber Mallorca sei sprachlich eben doch toleranter als die katalanische Hauptstadt.

Außerdem habe man in Palma die Kreuzfahrtschiffe eben direkt vor Augen, so Boeckmann: „Hier wird Kreuzfahrt gelebt." Allein in den vergangenen beiden Wochen haben er und seine Mitarbeiter sich fünf Schiffe angeschaut, die gerade im Hafen von Palma lagen und in das Portfolio des Unternehmens passen könnten. Zudem stünden sowohl die Medien als auch die Bevölkerung dem Kreuzfahrttourismus positiv gegenüber.

Ganz unkompliziert war die Firmengründung aber nicht. Man habe ihn schon vor der Umsiedlung auf die Insel gewarnt, aber die „behördliche Vielfalt" war doch größer als erwartet. „Das ist nicht unbedingt eine wirtschaftsfördernde Politik, die hier betrieben wird", so der Geschäftsführer. Wenn man ausländische Investoren anlocken wolle, sollte es auf den Ämtern zumindest einen Ansprechpartner mit Englischkenntnissen geben.

Die Suche nach den passenden Angestellten lief dafür umso problemloser. 400 Bewerbungen habe er auf eine einzige Anzeige im Internet erhalten. Die Mitarbeiter seines Teams stammen derzeit alle vom Festland, weil sich unter den einheimischen Bewerbern niemand mit Kreuzfahrt-Erfahrung finden ließ. Mittelfristig will der Geschäftsführer aber auch Mallorquiner beschäftigen, die Zahl der Angestellten soll in zwei Jahren bis auf 20 wachsen.

Vor seinem Umzug nach Palma war Boeckmann Marketing- und Verkaufsleiter des Flussschifffahrtsunternehmens A-Rosa. Der große Unterschied zu Kreuzfahrten: „Wer eine Flussfahrt bucht, will die Destination erleben. Denn die Schiffe sind auf Flüssen einfach baulichen Begrenzungen unterworfen. Im Kreuzfahrtbereich ist heutzutage oft das Schiff selbst die Destination, die Reiseroute spielt nicht mehr die Hauptrolle."

Das Schiff sollte denn auch das entscheidende Kriterium für Kreuzfahrtneulinge sein, empfiehlt er. Wer als Deutscher ein eher europäisches Ambiente mit französischen, englischen oder spanischen Mitreisenden suche, sei mit Costa oder MSC gut beraten. Bei anderen Anbietern sei man unter Landsleuten - für viele eine beruhigende Vorstellung.

Angebot für Residenten

Die deutschen Inselbewohner nimmt Boeckmann mit seinem Unternehmen ebenfalls ins Visier. „Die Reedereien wollen an Deutsche ­herankommen, die in Spanien leben." Deshalb soll kommende Woche die Seite kreuzfahrten-ab-palma.de online gehen, die sich speziell an Residenten wendet. Die Reedereien hätten oft Überkapazitäten und suchten deshalb Wege, Kabinen zu verkaufen, ohne den jeweiligen Hauptmarkt zu beschädigen. „Die Residenten sind eine geschlossene Gruppe, die man in solchen Fällen reinbuchen kann", erklärt Boeckmann.

Der Vorteil von Mundo del Cruceros liegt seiner Ansicht nach in der Unabhängigkeit: Das Unternehmen ist nicht an eine bestimmte Reederei gebunden. Das erlaube auch eine andere Preispolitik. Viele Reedereien würden die Preise lokal gestalten. Die Kreuzfahrten für den südamerikanischen Markt werden mittlerweile teurer verkauft als die für den spanischen.

Mitten in der Krise auf den spanischen Markt zu drängen, ist ein gewagtes Unterfangen. „Aber im ersten Jahr ist es ohnehin vor allem Aufbauarbeit, der Kostenapparat ist noch nicht so groß und wir haben noch nicht so viele Mitarbeiter. Da ist es mir lieber, die Nachfrage bricht jetzt leicht ein als später", so Boeckmann. Das Potenzial auf dem spanischen Kreuzfahrtmarkt sei groß, und ein Urlaub auf dem Schiff oft günstiger als Strandferien.

Die Insel kennt Boeckmann übrigens schon seit 1991. Damals war er hier ein Jahr lang als Reiseleiter tätig. „Die persönliche Lebensqualität war natürlich ein großes Argument für den Standort Mallorca", so der Norddeutsche.

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