Es ist einer der ältesten Schandflecken von Port de Sóller im Norden von Mallorca: Das Hotel Rocamar steht seit 1999 leer. Damals ließ das Tourismusministerium das Haus schließen, nachdem ein jugendlicher Gast wegen der maroden Balkongitter fast in den Tod gestürzt war. Seitdem verfällt das siebenstöckige Gebäude, dient als illegale Müllkippe und Zufluchtsstätte für Ratten.

Im September vergangenen Jahres nun beschloss der Vorstand des „Consorcio Bolsa de Alojamientos Turísticos", der sogenannten ­Betten-Bank der Balearen-Regierung, einstimmig, die Ruine zu erwerben und abreißen zu lassen. Die Kosten sollten aus dem Topf bezahlt werden, in dem die zur Legalisierung von Hotelbetten fälligen Gebühren gesammelt werden.

Ganz koscher aber scheint dieses Geschäft nicht gewesen zu sein. Bezahlt wurden 971.671 Euro - obwohl ein von der Vorgängerregierung in Auftrag gegebenes Gutachten des renommierten katalanischen Architekten Pedro González Nebreda einen Kaufpreis von 284.631 Euro empfahl. Oder genauer: Tatsächlich sei das Grundstück mitsamt Gebäude eine knappe Million Euro wert, so der Architekt. Nach Abzug der Abrisskosten von 687.040 Euro, die vom Eigentümer übernommen werden müssen, blieben aber nur diese 284.631 Euro.

Doch in den Gutachten, welche die jetzige Regierung von ihren Beamten erstellen ließ, ist von der niedrigen Summe nichts mehr zu lesen: Zwei Schriftstücke empfehlen den angeblich vom Gutachter empfohlenen Kaufpreis von über 900.000 Euro. Also zahlte die Regierung mehr als dreimal so viel für den Erwerb des Hotels - und will nun zusätzlich auch noch Abrisskosten von jetzt 729.000 Euro übernehmen.

Doch damit nicht genug: einer der Hauptbegünstigten des Aufpreises war der Vater eines hohen Beamter des Tourismusministeriums. Um das zu erklären, muss man einige Jahre zurückgehen. 2005 beschloss der Inselrat unter Maria Antònia Munar einen Bebauungsplan für Mallorca, der den Tausch von Übernachtungsmöglichkeiten vorsah: Ein Abriss des schon seit sechs Jahren leer stehenden Hotels Rocamar mit seinen 190 Plätzen sollte den Bau einer Anlage mit 5.175 Betten in Sa Ràpita ermöglichen. Drei Monate nach Inkrafttreten dieses später von der Staatsanwaltschaft für nichtig erklärten Bebauungsplans erhielt Francisco Castañer, Besitzer des Hotels Rocamar, einen Privatkredit von 990.000 Euro aus den Händen des einflussreichen lokalen Unternehmers Jaume Ensenyat, übrigens auch ehemaliger Besitzer des Grundstücks, auf dem heute das Luxushotel Jumeirah steht. Ensenyat versprach sich wohl ein lohnendes Geschäft, denn als Sicherheit ließ er sich das an sich wertlose Hotel Rocamar überschreiben. Doch Wahlen, ein Wechsel der Regierungsparteien und die beginnenden

Korruptionsermittlungen gegen Munar machten den Deal hinfällig.

Dank familiärer Kontakte scheint sich Ensenyat sein Geld jetzt vom Tourismusministerium wiedergeholt zu haben. Sein Sohn, Josep Ensenyat Alcover, ist dort Abteilungsleiter. Der jefe de inspección argumentiert, man habe die höhere Summe bezahlt, weil das Hotelgebäude nicht offiziell als „Ruine" anerkannt wurde. Gutachter González widerspricht: Seit einer Gesetzesreform von 2011 muss ein Gebäude nicht durch langwierige administrative Vorgänge erst zur Ruine erklärt werden - es reiche der subjektive Eindruck. Und der ist für González eindeutig: „Das Gebäude muss so bald wie möglich abgerissen werden." Die Einsturzgefahr sei akut, so der Architekt zur MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca".

Interessant auch: Im Kaufvertrag zwischen Regierung und Hotelbesitzer Castañer vom 12. September 2012 wird festgehalten, dass Castañer zwei Schecks erhält: einen über 100.000 Euro und einen weiteren über 871.671,48 Euro. Am selben Tag beglich Castañer unter Aufsicht eines Notars seine Schulden bei der Familie Ensenyat. Besagte Schulden beliefen sich am Stichtag auf 871.671,48 Euro - exakt die Summe des zweiten Schecks.

Minister Carlos Delgado (PP) hatte auf die Nachfragen der Sozialisten in den vergangenen Monaten stets alles abgestritten. In der vergangenen Woche machte er plötzlich eine 180-Grad-Wendung. Zunächst verwies er darauf, dass die im Vorstand der Betten-Bank Vertretenen - darunter Gewerkschaften, die Bank Sa Nostra, der Hoteliersverband und der Verband der Hotelketten - für den Kaufpreis gestimmt hätten und somit mitverantwortlich seien. Die Betroffenen hingegen weisen darauf hin, dass sie nur anhand der vom Minister vorgelegten Gutachten hätten entscheiden können.

Nachdem der Vorstand des ­Betten-Konsortiums eine Erklärung für den vermeintlichen Aufpreis verlangte, machte Delgado wenige Tage später die Beamten seines Ministeriums verantwortlich: Diese hätten den Kaufpreis errechnet und festgeschrieben, er selbst habe keinerlei Einfluss auf die Preisgestaltung gehabt.

Abteilungsleiter Josep Ensenyat kann an dem ganzen Vorgang nichts Seltsames finden. Ein Treffen bei ihm zu Hause mit Jaime Martínez (Nummer zwei des Tourismus­ministeriums), Carlos Simarro (Bürgermeister von Sóller) und Gabriel Darder (für Baufragen zuständiger Stadtrat) habe rein privaten Charakter gehabt. Zwei Wochen später kaufte die Regierung das Hotel.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 20. Juni (Nummer 685) lesen Sie außerdem:

- Zwei Jahre Regierung Bauzá: Durchwachsenes Zwischenzeugnis

- Einzelhandel: Längere Öffnungszeiten und noch mehr Handel

- Verirrte Deutsche auf Mallorca: Rufo, der Retter