40 Jahre ist es her, dass sechs Mallorquiner Ende 1973 einen Verein für Vogelkunde, die „Grupo de Ornitologia Balear", besser bekannt als Gob, gründeten. Der Name ist immer noch derselbe, doch bei Mallorcas größtem Umweltverband geht es längst nicht mehr nur um Vögel. Miquel Ángel March, der 1978 zum Gob kam und viele Jahre lang als dessen Sprecher und Vorstandsmitglied fungierte, betont sogar explizit, dass er kein Vogelkundler ist. Wir sprachen mit dem Lehrer darüber, wie es um den Gob und den Umweltschutz auf Mallorca bestellt ist.

Herr March, war den Gründervätern des Gob bewusst, was für ein Potenzial in ihrem Ornithologieverein stecken könnte?

Ich glaube schon, denn es ging ihnen von Anfang an auch um den Lebensraum der Vögel und dessen Schutz. Bei der ersten großen Kampagne des Gob wollte man die weitere Bebauung des Feuchtgebiets Albufera verhindern und dessen Ernennung zum Naturpark erwirken. Außerdem setzte man sich für die Rettung des Mönchs­geiers ein, der in den Anfangsjahren so etwas wie das Aushängeschild des Gob war. Doch darum kümmert sich nun eine eigene Stiftung. Der Gob indes wandelte sich. Man erkannte, dass auch Themen wie der sparsame Umgang mit Ressourcen wie Wasser, Energie und Boden wichtig sind. Entscheidend war dabei, dass der Gob sein Handlungsfeld stets ausweitete und nicht verlagerte. Der Vogelschutz etwa ist nach wie vor ein Thema.

Wieso wurde eine der damals größten Umweltbewegungen ausgerechnet auf Mallorca geboren?

Gegen Ende der Diktatur entstanden in Spanien einige Gruppen dieser Art. Der Gob war aber aus mehreren Gründen besonders erfolgreich: Erstens trafen die Gründer mit ihren Forderungen ins Schwarze, zweitens hatte damals bereits ein Teil der Gesellschaft erkannt, dass Naturschutz essentiell für den Tourismus ist. Und drittens ist Landschaftsschutz auf einer kleinen Insel besonders wichtig. Die Bevölkerung konnte ja hautnah miterleben, wie sich die Küste mit der zunehmenden Bebauung immer mehr veränderte.

Inzwischen zählt der Gob rund 5.500 Mitglieder. Sind darunter viele Ausländer?

Der Großteil sind immer noch Mallorquiner. Aber gerade zu Beginn wurden auch viele Briten Mitglied, die ja große Fans des Vogelbeobachtens sind. Die Deutschen kamen später, ab den 90er Jahren, als die Themen vielfältiger wurden.

Was waren ihrer Ansicht nach bisher die größten Erfolge?

Zweifelsohne dass die Erschließung von Sa Dragonera, wo ein Hotel, Luxusvillen und ein Casino geplant waren, und die Bebauung von Es Trenc verhindert wurden. Und ein Meilenstein war natürlich auch das Ende der militärischen Nutzung des Cabrera-Archipels und dessen Erklärung zum Nationalpark 1991.

Hat der Gob im Laufe der Jahre seine Strategien geändert?

Auf jeden Fall. Seit Ende der 70er wurde der Umweltschutz zunehmend zur sozialen Bewegung, der Gob verlagerte den Protest auf die Straße. In den 90er Jahren fingen wir dann an, auch auf juristischem Wege zu kämpfen, Klagen einzureichen und Gerichtsurteile anzufechten. Der Abriss der Bauruinen von Ses Covetes etwa, der zu Unrecht errichteten Apartment-Blocks am Es Trenc-Strand, ist das Ergebnis eines jahrelangen Rechtsstreits. Auch die Schwarzbau-Skandale von Andratx sind ein Beispiel, wobei hier großer Erfolg noch auf sich warten lässt.

Gerade hat der Gob wieder den jährlichen „Zement-Preis" für mangelnden Umweltschutz verliehen. Preisträger sind Balearen-Premier Bauzá, Umwelt-Insel­rätin Catalina Soler und Immobilien­unternehmer Matthias Kühn. Sind die drei aktuell die größten Feinde von Mallorcas Natur?

Das könnte man so sagen. Frau Solers Idee mit dem Müllimport ist nicht nur für die Umwelt katastrophal, sondern auch für das Image der Insel. Herr Kühn hat vor, in Port de Sóller mit der Bebauung von La Muleta ein Stück unberührte Natur kaputt zu machen. Und Bauzás Regierung hat bereits eine ganze Reihe an Gesetzen erlassen, die die Genehmigung von neuen Siedlungen, Hotels oder Sporthäfen wesentlich erleichtern. Dabei muss all das reduziert werden. Mit der Krise sind die Investitionen stark zurückgegangen, die Landesregierung tut deshalb alles, dass wieder gebaut wird. Aber wie kann man denn in aller Welt die Erschließung eines Feuchtgebiets wie Ses Fontanelles zulassen (siehe Kasten)? Es geht hier immer nur um Quantität und leider nicht um Qualität.

Der Gob hat also nach wie vor eine Daseinsberechtigung. Was sind die großen Baustellen der Zukunft?

Mir macht vor allem der Verkehr Sorgen. Wir müssen viel mehr auf den öffentlichen Nahverkehr statt aufs Auto setzen. Doch während Ortsumgehungen und eine zweite Ringautobahn entstehen, wurde der Ausbau der Zugstrecke nach Artà eingestellt.

Ist das Landgut La Trapa, das der Gob in den 80ern kaufte und das im Juli bereits zum zweiten Mal einem Waldbrand zum Opfer gefallen ist, nicht ein Paradebeispiel dafür, dass Umweltschutz eine Art unendliche Geschichte ist?

Das zum einen. Zum anderen zeigt es aber, dass Umweltschutz keine Gemeindegrenzen kennt. Wenn in Andratx ein Brand ausbricht und sich ausbreitet, weil es keine Brandschneisen gibt, trifft es am Ende auch La Trapa, wo der Gob seit Jahren daran arbeitet, Terrassenfelder anzulegen, damit die Vegetation unterbrochen wird. Wichtig ist, dass alle eine gute Arbeit machen, auch die ­

Nachbarn.

Kopfzerbrechen dürfte dem Gob auch das Wegbrechen der Führungsspitze vor über einem halben Jahr bereitet haben. Bis Montag (16.12.) war der Verein ohne Vorstand. Was war da los?

Es gab eine Art Generations­wechsel, viele ältere Mitglieder sind ausgeschieden, viele junge kamen neu dazu. Und die scheinen gerade nicht recht zu wissen, wo die Reise hingehen soll. Sie stecken in einer Sackgasse.

Fehlt ihnen eine starke Führungs­persönlichkeit?

Der Gob ist keine Gruppe, die einen Anführer braucht, sondern seit jeher ein Kollektiv.

Was ist es dann? Haben die Jungen andere Vorstellungen von dem, was einen Umweltverband ausmacht?

Das weiß ich nicht. Ich kenne deren Vorstellungen und Strategien nicht. Sie werden sicherlich einen Lernprozess durchmachen müssen, das ist ganz normal. Und es hat sich einfach auch vieles geändert. Etwa ist der Verein heutzutage finanziell wesentlich schlechter ausgestattet als früher.

Vor allem Gegner des Gob haben in der Vergangenheit immer wieder gefordert, der Verein solle sich in eine Partei verwandeln - oder endlich schweigen.

Manche denken, man kann nur über die Politik mitbestimmen. Aber das geht auch über andere Wege, Lobbys und Interessengruppen etwa. Eine Partei wäre nicht im Sinne des Gob. In unserer Satzung steht explizit, dass wir für politische Vielfalt stehen. Unter den Mitgliedern sind alle politischen Richtungen vertreten.

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