Rund 30.000 Deutsche leben laut Statistik auf den Balearen - und wenn sich alle ordnungsgemäß anmelden würden, wären es noch viele Tausend mehr. In der klassichen Parteienlandschaft, dominiert von der konservativen PP und der sozialistischen PSOE, spiegelt sich Mallorcas Deutschen- beziehungsweise Ausländeranteil allerdings bislang kaum wider. Nur vereinzelt findet man mal einen von ihnen auf den hinteren Listenplätzen für die Kommunalwahlen, aktuell gibt es auf der ganzen Insel mit Elke Wilhelm in Calvià exakt eine deutsche Gemeinderätin.Mit der neuen, am linken Rand anzusiedelnden Partei Podemos, die sich auf Mallorca in diesen Tagen offiziell formiert, könnte sich das ändern. Laut Sprecher Eduardo Zúñiga sind inselweit inzwischen ein Dutzend Deutsche in den verschiedenen Arbeitsgruppen („círculos") engagiert. Dazu kommen knapp zwei Dutzend weitere Nordeuropäer, darunter vor allem Briten und Skandinavier. Da von ihnen niemand für ein Interview bereit war - noch nicht! -, nahmen wir mit Carlos Saura Vorlieb: 26 Jahre alt, Geisteswissenschaftler und Kandidat für das Amt des Generalsekretärs bei „Podem per Palma". In Palma geboren, hat er bereits in Barcelona, Granada, Grenoble und Berlin gelebt.

Ist Podemos für ausländische Inselresidenten attraktiver als die traditionellen Parteien?

Ich glaube schon. Viele Ausländer, die teils seit Jahren hier leben, fühlten sich bisher politisch nicht integriert oder besser gesagt nicht repräsentiert. Das würden wir gerne ändern. Podemos soll ein Querschnitt durch die Gesellschaft sein, bei uns kann jeder, egal wo er herkommt, Vorschläge und Ideen einbringen. In meinem Arbeitskreis Palma-West gibt es zwar keine Deutschen, aber eine Schwedin, die sich bereits in ihrem Heimatland bei den Linken engagiert hatte. Auf der Kandidatenliste von „Podem per Palma" stehen außerdem Venezolaner, Argentinier oder Uruguayer, die zum Teil schon in Südamerika in sozialen Bewegungen aktiv waren.

Gehen wir mal davon aus, Podemos tritt, unter welchem Namen auch immer (siehe Kasten), bei den Kommunalwahlen im kommenden Mai an: Könnte das die Wahlbeteiligung unter den ausländischen Residenten steigern?

Auch das halte ich für realistisch. Ich kenne viele Europäer, aber auch Südamerikaner, die in all den Jahren, die sie hier lebten, noch nie wählen gegangen sind und nun aber frühzeitig anfangen, sich um den Behördenkram zu kümmern, damit sie im Mai mitbestimmen dürfen. Ich gehe außerdem davon aus, dass die Wahlbeteiligung bei den Spa­niern höher ausfallen wird. Wobei zu hoffen ist, dass die vielen Spanier, die derzeit aufgrund der wirtschaftlichen Lage im Ausland leben, am Ende tatsächlich wählen können. Gerade in dieser Gruppe haben wir viele Sympathisanten - aber man weiß ja nie, was sich die regierenden Parteien einfallen lassen, um ihnen die Wahlteilnahme durch irgendwelche bürokratischen Hürden zu erschweren.

Auf den Kandidatenlisten für die Bürgerräte, die sogenannten „consejos cuidadanos" fanden sich noch keine ­deutschen Namen. Halten Sie es für möglich, dass sich für die Kommunalwahlen sogar Deutsche aufstellen lassen?

Das wäre ideal. Um ein Abbild der Gesellschaft zu erhalten, sollte es auch einige deutsche oder britische Kandidaten geben, die die Interessen ihrer auf der Insel lebenden Landsleute vertreten. Wir haben nicht mehr viel Zeit, aber wir wollen versuchen, möglichst alle Gesellschaftsschichten zu beachten. Was wir nicht wollen, sind Leute, die nur scharf auf ein Amt sind. Kurz bevor wir die Kandidatenlisten für die consejos schlossen, tauchten auf einmal ganz neue Gesichter in den Arbeitskreisen auf, das kam uns verdächtig vor.

Der Name „Podem per Palma" allein ist ein Bekenntnis zur Inselsprache Katalanisch, zudem hat sich die Partei auf Mallorca bereits klar für das Beibehalten der „inmersió lingüistica", also des Schulunterrichts auf Katalanisch, ausgesprochen. Könnte das Ausländer nicht eher abschrecken, viele sprechen schließlich kein Mallorquinisch?

Nein, denn wir machen das Thema Sprache nicht zum Problem. Wir stehen zur katalanischen Sprache, aus Respekt vor den Menschen hier. Aber wir verpflichten niemanden, sie zu sprechen. Ich selbst kann besser Spanisch als Katalanisch. Und welche Sprache in den Arbeitskreisen benutzt wird, ist den Mitgliedern überlassen. Wenn die Wahl auf Katalanisch fällt, übersetzen wir für diejenigen, die es nicht 100 Prozent verstehen, notfalls simultan. Wer glaubt, dass die Sprache ein Problem ist, hat Podemos nicht verstanden.

Podemos will auch Transparenz groß schreiben. Vor diesem Hintergrund waren wir ehrlich gesagt etwas enttäuscht, dass keines der deutschen Arbeitskreis-Mitglieder mit uns sprechen wollte.

Viele haben noch Angst, oder zumindest Respekt vor den Medien. Aber die müssen wir alle, die wir uns bei Podemos engagieren, verlieren. Jeder Mensch hat das Recht, öffentlich über Politik zu sprechen. Das ist nicht Leuten mit Krawatte vorbehalten, die seit 30 Jahren im Geschäft sind.

So funktioniert Podemos: Auf dem Weg zu einer richtigen Partei

Arbeitskreise: Die sogenannten círculos bilden die Basis von Podemos. Es gibt lokale Zirkel, in denen sich die Bürger eines Stadtteils oder einer Gemeinde organisiseren. Dazu kommen thematisch geordnete Arbeitskreise, etwa für Gesundheit oder Kommunikation, die teils auf nationaler Ebene fungieren. Auf Mallorca gibt es inzwischen mehrere Dutzend Arbeitskreise, wobei sich immer noch neue bilden.

Parteistruktur: Mit der Wahl der consejos ciudadanos und des Generalsekretärs, die Ende Dezember in zwölf Inselgemeinden per Online-Abstimmung gewählt wurden, bekommt Podemos ­Mallorca eine richtige Parteistruktur. Obwohl viele diese klassische Organisationsform kritisch sehen, ist sie gesetzlich erforderlich, um an Wahlen teilnehmen zu können.

Kommunalwahlen: Dass Podemos bei den municipales im Mai 2015 antritt, scheint so gut wie sicher. Aufgrund einer Vorgabe der Parteiführung darf Podemos allerdings nicht unter diesem Namen teilnehmen. Denkbar sind Carlos Saura zufolge derzeit zwei Varianten: Dass sich Podemos mit Guanyem, einem linken Bündnis aus Parteien und Bürgerbewegungen, zusammentut. Oder dass man eine Wählergemeinschaft und damit eine eigene Marke schafft.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 31. Dezember (Nummer 765) lesen Sie außerdem:

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