So hatte Jürgen Kimmel sich das nicht vorgestellt. Als er im vergangenen Sommer kurz hintereinander zwei Elektro­autos anschaffte, da war er noch euphorisch: Das Konzept überzeugte ihn, „das ist die Zukunft, gerade für die Insel", dachte sich der 75-jährige Resident in Santa Ponça. Doch die Anfangs­euphorie verflog schnell. Denn über die Insel kommt er mit seinem Renault Zoe bis heute nicht. Dabei hat das Modell immerhin eine Reichweite von 150 Kilometern. Kimmel könnte also ganz locker bis nach Alcúdia fahren - doch leider käme er am gleichen Tag nicht wieder zurück. Es fehlt, vollmundigen politischen Versprechen zum Trotz, schlicht an entsprechenden Ladestationen.

Umso glücklicher war Kimmel, als er vor wenigen Wochen unweit seines Wohnorts die neu aufgestellte Ladestation an der Tankstelle in Palmanova erspähte. Auf einer von der Balearen-Regierung online gestellten Karte war diese Stromtankstelle schon länger eingezeichnet, und zwar als eine von insgesamt sechs neuen Schnellladestationen, die in Zusammenarbeit mit dem Energieerzeuger Endesa installiert wurden: Statt der bis zu acht Stunden, die an den bisher vorhandenen öffentlichen Ladestationen für das „Auftanken" der Elektroautos nötig sind, versprechen Endesa und die Balearen-­Regierung eine Ladedauer von nur 15 Minuten.

Doch Kimmels Versuch, sein Auto an die Stromzapfsäule anzuschließen, scheiterte. Die Angestellten der Tankstelle, auf deren Gelände der Endesa-Apparat steht, waren ebenso ratlos wie Kimmel selbst. Er möge doch bitte direkt beim Energieerzeuger nachfragen. Bei Endesa wurde der Deutsche auf eine eigens eingerichtete Webseite verwiesen. Dort finden sich zwar viele Details über die verschiedenen Lade- und Anschlussvarianten - doch praktische Hinweise auf bestehende Stationen und deren Benutzung fehlen.

Auf Anfrage der Mallorca Zeitung ließ ein Sprecher des Unternehmens am Freitagvormittag (15.5.) wissen, die Stationen seien zwar theoretisch einsatzbereit- tatsächlich könne dort aber erst nach der hochoffiziellen Eröffnung geladen werden. Wann diese stattfinden soll, könne er nicht sagen - voraussichtlich erst in einem Monat.

Auch beim balearischen Wirtschaftsministerium war nichts über die angestrebte Eröffnung der Stromzapfsäule zu erfahren. Nicht einmal die konkrete Zahl derzeit funktionierender Lade­stationen auf der Insel konnte das Ministerium, dessen zuständiger Generaldirektor vor zwei Jahren „2.000 Ladestationen auf den Inseln" in Aussicht gestellt hatte, innerhalb einer knappen Woche benennen.

Das ärgert nicht nur Kimmel, der sich, man könnte sagen: verladen fühlt. Amador Garcias von der Proa Gruppe, die in Palma Elektroautos von Renault, BMW und anderen Herstellern vertreibt, findet deutliche Worte: „Der Herr hat absolut Recht. Er hat sich, wie viele, von politischen Versprechen in die Irre führen lassen." Dass die Endesa-Stationen im offiziellen Verzeichnis als einsatzbereit dargestellt werden, sei eine Frechheit. „Am Ende geht´s doch wieder nur um ein hübsches Foto bei der Eröffnung, damit die Politiker sich als Pioniere feiern lassen können."

Estanislao de Mata vom Autovermieter Sixt formuliert etwas vorsichtiger. Viele Urlauber würden sich für eines der 15 Elektro­autos, die Sixt auf der Insel im Angebot hat, interessieren. Doch die meisten schreckten im letzten Moment zurück: „Der Kunde hat Bedenken wegen fehlender Ladestationen." Dabei arbeite man gut mit diversen Hotels zusammen, die auf ihrem Gelände Ladesäulen anbieten. Doch eine Schnellladestation gäbe es eben bisher nur auf dem eigenen Firmengelände bei Palma.

Beim Fototermin mit Kimmel an der Tankstelle in Palmanova lässt die freundliche Dame hinter der Kasse am Montag (18.5.) plötzlich wissen, dass die Endesa-Säule jetzt übrigens funktioniere: „Am Freitagnachmittag kam jemand und hat sie angeschlossen." Tanken kann Kimmel trotzdem nicht: Die Bezahlung an dem hochmodernen Terminal ist nur mit einer sogenannten E-Card möglich. Wo und wie er die erhält, weiß die Tankstellen-Angestellte nicht: „Uns hat niemand was erklärt, und wir haben auch nichts damit zu tun. Ich glaube, Sie müssen erst einen Vertrag mit Endesa unterschreiben."

Auch ein erneuter Anruf bei der Pressestelle hilft nicht weiter. Der Sprecher will nichts davon wissen, dass die Station seit Freitag funktioniert. Und über den Erhalt der Bezahlkarte will oder kann er erst dann Auskunft geben, wenn die Terminals eröffnet sind. Seinen nicht eben anspruchsvollen Wunsch muss Elektro-Pionier Kimmel erneut zurückstellen: „Ich will doch nur mal bis ans andere Ende der Insel fahren." Und am gleichen Tag auch wieder zurück.