Am Colegio Santa Mónica stecken drei Achtklässler mitten in einer Unterhaltung. Auf Deutsch. „Wann treffen wir uns am Kino?", fragt ein Schüler. „Am Freitag um acht Uhr", antwortet sein Klassenkamerad. Sie haben gerade mit ihrem zweiten Jahr Deutschunterricht begonnen. Die von Augustinerinnen geleitete Privatschule hat das Fach im vergangenen Schuljahr neu eingeführt, Alicia Gómez ist die einzige Lehrerin, die es unterrichtet. Von 147 Achtklässlern lernen hier 65 Deutsch als zweite Fremdsprache, von den 192 Schülern im Bachillerato, dem spanischen Äquivalent zum Abitur, sind es 27.

Laut dem balearischen Kultusministerium bieten 90 Prozent der öffentlichen und die Hälfte der privaten Sekundarschulen auf Mallorca Deutsch als Wahlfach an. Doch das Ministerium kürzt die Stunden in der zweiten Fremdsprache derzeit im Zuge der Umsetzung der spanischen Bildungs­reform Lomce. Seit diesem Schuljahr steht im Lehrplan der 7. Klasse im Colegio Santa Mónica kein Deutsch. Der Unterricht beginnt erst in Klasse 8. Außerdem hat Alicia Gómez jetzt nur noch zwei Stunden pro Woche für ihre Achtklässler statt bislang drei.

Die Schule könnte freilich auch entscheiden, der zweiten Fremdsprache eine weitere Unterrichtsstunde zuzuschanzen. Darauf weist Antoni Morante, Abteilungsleiter im balearischen Kultusministerium hin. Seit der Reform kann jede Schule frei über drei Unterrichtsstunden pro Woche und Klassenstufe verfügen. „Die Entscheidung liegt in den Händen der Schulen, das Angebot an Deutschunterricht hat sich kaum verändert", sagt Morante.

Ob das wirklich so ist, oder nicht doch die meisten Schulen lieber andere Stunden, etwa in Englisch, der ersten Fremdsprache, Sport oder Musik draufsatteln, ist derzeit schwer zu sagen. Es ist vieles im Fluss im balearischen Schulsystem. „Es ist schwierig, alle Sprachen zu koordinieren," sagt Morante, der die Bedeutung des Englischen als Lingua Franca unterstreicht. Anfang Oktober hat das ­Ministerium seine Vorschläge zu den Lehrplänen 2016/17 vorgelegt. Nun sollen die Schulen gehört werden, bis März 2016 muss entschieden werden.

Die offizielle Vorgabe für die ehemals sechs Jahre Deutschunterricht lautet, dass die Schüler B1-Niveau nach dem europäischen Referenzrahmen für Sprachen erreichen sollen. „Mit der derzeitigen Stundenanzahl glaube ich nicht, dass das möglich ist," sagt Alicia Gómez, die in München studiert und vier Jahre lang in Leipzig gearbeitet hat. Ihre Schüler im Santa Mónica animiert Gómez, indem sie einen Bezug zum Alltag herstellt. „Wenn sie merken, dass der Unterricht eine Entsprechung in der Realität hat, machen sie besser mit", sagt sie. „Wir sind doch auf Mallorca. Deutsch zu lernen, ist eine Investition in die Zukunft."

Doch die zweite Fremdsprache ist ein Wahlfach. „Wenn man zu streng ist, wählen die Schüler das Fach ab", sagt Lourdes Crespo, die an einer öffentlichen Schule Deutsch unterrichtet. Zusammen mit Virtudes García und Mensi Sanhermelando gründete sie vor drei Jahren den Deutschlehrerverein Apaseb, um sich in den Diskussionen um die Schulreform Gehör zu verschaffen. Sie sind nicht gut auf die Landesregierung zu sprechen. Der Fremdsprachen-Unterricht werde immer weniger, sagen sie, obwohl die Nachfrage steige (zumindest Letzteres räumt auch Abteilungsleiter Antoni Morante ein: in der Sekundarstufe gebe es teilweise nicht genug Plätze im Deutschunterricht).

Nur etwa fünf Prozent der Schüler, die überhaupt Deutsch lernen, nehmen das Angebot bis zum Ende ihrer Schulzeit wahr, schätzt

Crespo. „Aber gerade die Schüler, die nicht so gut sind, können Deutsch brauchen, wenn sie in Hotels oder als Kellner arbeiten", sagt Mensi

Sanhermelando. Durch den Status als Wahlfach tendierten eher gute Schüler dazu, überhaupt Deutsch zu lernen oder diejenigen, deren Eltern das Sprachenlernen fördern. Alle anderen fielen durchs Raster.

Hinzukommt, dass die Schüler in höheren Stufen teils unterschiedliche Niveaus aufweisen. „Die hören auch mal zwischendurch auf und kommen dann wieder", sagt Virtudes García. Manche Schulen lassen Schüler, die über ein oder mehrere Jahre nicht am Deutschunterricht teilgenommen haben, am Ende der Sommerferien eine Prüfung absolvieren, um sicherzustellen, dass das Niveau in den Klassen nicht zu stark divergiert.

Und Deutsch konkurriert seit Lomce für den Notendurchschnitt mit einfacheren Fächern wie „Procesos de comunicación", bei dem das Verfassen unterschiedlicher Textarten geübt wird, oder auch mit Religion. Diese Neuerung der Schul­reform trägt in ganz Spanien seltsame Früchte: Das Bildungsbündnis der Gewerkschaft CCOO teilte Mitte September mit, dass sich in vielen Schulen für das laufende Schuljahr bis zu 150 Prozent mehr Schüler für den Religionsunterricht in der 11. Klasse eingeschrieben hätten - dem ersten der beiden Jahre des Bachillerato, des spanischen Äquivalents zum Abitur.

Für die Deutschlehrerinnen wenig überraschend. „Mir haben Schüler ganz deutlich gesagt: Ich brauche gute Noten", sagt Alicia Gómez. Bei den Achtklässlern scheint der Ernst der Abschluss­noten indes noch nicht angekommen. Zum Abschied schallt uns ein fröhliches „Tschuuuuß!" entgegen. Aus einer Ecke ist aber auch deutlich ein sauberes „Tschüss!" zu hören.