Zwölf Jahre lang hat ein Ehepaar an der Playa de Palma gegen die laute Musik, die Nacht für Nacht aus der benachbarten Bar in sein Schlafzimmer drang, gekämpft. Immer wieder rief der Mann die Polizei. Doch jedes Mal, wenn die Beamten anrückten, wurden kurz zuvor die Lautstärkeregler zurückgedreht. Zig Mal zeigte er die Ruhestörung außerdem im Rathaus von Palma an, forderte eine Lärmmessung, sogar beim ehemaligen Chef der Kontrolleinheit Patrulla Verde sprach er vor. Vergeblich. In all den Jahren geschah nichts. „Jetzt ist mir endlich klar, warum", sagt der Anwohner, der zwar längst vermutete, dass der Barbetreiber offenbar gute Freunde bei der Polizei hatte. Das ganze Ausmaß der korrupten Machenschaften innerhalb von Palmas Policía Local wurde ihm - wie vielen anderen Bürgern und vor allem auch den Insel-Journalisten - allerdings erst im Laufe des zu Ende gehenden Jahres bewusst.

Beide Augen zugedrückt

Klar ist seit Bekanntwerden des Bestechungsskandals Ende 2014, dass Ortspolizisten, die größtenteils der Patrulla Verde angehören, Bar- und Diskothekenbetreiber an der Playa de Palma vor unliebsamen Kontrollen gewarnt oder dabei beide Augen zugedrückt haben sollen. Im Gegenzug sollen die Beamten Freigetränke sowie kostenlosen Sex in einschlägigen Etablissements, aber auch Bargeld - die Rede ist von

500 bis 1.200 Euro pro Woche und Lokal - erhalten haben.

Im Januar 2015 wurden acht verdächtige Beamte festgenommen. Im Herbst folgte der zweite große Schlag, bei dem neun weitere Beamte gefasst wurden. Dabei kam ans Tageslicht, dass die Polizisten Bar- und Diskothekenbetreibern, die keine Schutzgelder zahlen wollten, das Leben mit zusätzlichen Kontrollen und der Androhung von Bußgeldern derart erschwert haben sollen, dass manches Lokal in den Ruin getrieben wurde. Mehr als 20 Wirte gaben zu Protokoll, von den Beamten erpresst worden zu sein.

Betroffen sind Ermittlungsrichter Manuel Penalva zufolge nicht nur Lokale rund um den Ballermann, sondern auch am Paseo Marítimo, an der Plaça Gomila und in Palmas Gewerbegebieten. Inzwischen wurden rund 30 Beschuldigte ausgemacht, elf Beamte sitzen derzeit in Untersuchungshaft. Ob Zusammenhänge zum 2014 publik gewordenen Polizeiskandal von Calvià bestehen, wo der ehemalige Leiter José Antonio Navarro und weitere Beamten im Verdacht stehen, im großen Stil Nachtlokalbetreiber an der Partymeile Punta Ballena in Magaluf erpresst zu haben, ist noch unklar.

Kein Zweifel besteht in den Augen des Ermittlungsrichters dagegen daran, dass die Beschuldigten - er spricht von einer kriminellen Vereinigung - von der Chefetage der Policía Local sowie von politischen Amtsträgern gedeckt wurden. Bereits im Januar 2015 erklärte er den damaligen Polizeichef Joan Mut und den ehemaligen Stadtrat für ­Bürgersicherheit Guillermo Navarro wegen Amtsmissbrauch und Nötigung zu Beschuldigten. Beide sollen versucht haben, die kriminellen Machenschaften zu verschleiern - etwa indem sie gegen einen Beamten, der gegen seine mutmaßlich korrupten Kollegen aussagte, ein Disziplinarverfahren einleiteten.

Und wehe, einer plappert!

Dass Störenfriede, die die kriminellen Machenschaften anprangerten, unter Repressalien litten, vermuteten die Ermittler schon im Dezember 2014. Inzwischen bestätigten mehrere Betroffene, dass sie offen bedroht wurden; einer berichtete von einem Sabotageakt in seinem Wohnhaus, während die Autos mehrerer Kollegen unter anderem mit Zielscheiben beschmiert wurden. Die vier Polizisten, die derzeit mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten, kritisierten indes, dass sie innerhalb der eigenen Reihen Jahre lang auf taube Ohren stießen und nicht einmal die in der Hauptwache tätigen Gewerschaftsvertreter den aufrichtigen Beamten Rückendeckung gaben, sondern sich hinter die verdächtigen Kollegen stellten. In einem Schreiben an Richter Penalva wiesen sie außerdem auf die „schweigende Mehrheit" in Palmas Ortspolizei, der etwa 900 Beamte angehören, hin. Das Gros der Polizisten schaue immer noch weg, statt angesichts der kriminellen Machenschaften einiger weniger Stellung zu beziehen.

Damit die kriminellen Geschäfte jahrelang tadellos weiterliefen, musste allerdings noch an anderer Stelle nachgeholfen werden: Im Vorfeld der internen Zugangs- und Beförderungsprüfungen im Jahr 2012 sollen laut Ermittlungsrichter mindestens zwei Beamten Fragen zugeschanzt worden sein. Auf diese Weise sollte sichergestellt werden, dass Schlüsselpositionen innerhalb des korrupten Apparats mit den passenden Kandidaten besetzt werden. In dem Skandal, der im September 2013 erstmals zu einer Durch­suchung der Hauptwache führte und dem damaligen Polizeichef Antonio Vera sowie dem damaligen Amtsleiter für Bürgersicherheit im Rathaus, Enrique Calvo, das Amt kostete, wird nach wie vor ermittelt. Erst im Oktober 2015 wurden drei Beamte der Stadtverwaltung wegen Amtsmissbrauch zu Beschuldigten erklärt: Ihre Namen tauchen in zahlreichen E-Mails auf, die beweisen, dass es bei der Stellenvergabe zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist.

Aufgeflogen sind sowohl das Gemauschel bei den Polizeiprüfungen, als auch der Bestechungsskandal im Sommer 2013 im Rahmen der Ermittlungen gegen die Hells Angels auf Mallorca. In abgehörten Telefonaten waren die Ermittler auf Hinweise gestoßen, dass einige Polizisten die Rocker gegen Geld vor Kontrollen in deren Lokalen warnten oder Anzeigen verschwinden ließen. Wenige Wochen später wurde bei der Großrazzia gegen die Hells Angels, denen unter anderem Bildung einer kriminellen Vereinigung, Geld­wäsche, Drogen- und Menschen­handel zur Last gelegt werden, auch ein Beamter der Policía Local als mutmaßlicher Komplize festgenommen. Nach Zahlung einer Kaution, für die seine Kollegen von der Policía Local zusammengelegt haben sollen, kam er wieder auf freien Fuß - bis im Januar 2015 erneut die Handschellen klickten.

Klima vergiftet, Ruf ruiniert

Das Klima in der Hauptwache San Fernando in Palma ist vergiftet, seit der Skandal ins Rollen kam. Es wurden Schlösser ausgetauscht und alle Winkel nach Wanzen abgesucht. Der Ruf der Ortspolizei indes ist schwer angeschlagen - und man fragt sich: Welchem Beamten kann man eigentlich noch über den Weg trauen? Ist der Sumpf vielleicht noch viel tiefer? Und inwieweit stecken namhafte Unternehmer, die die Partyhochburgen beherrschen, mit den korrupten Polizisten unter einer Decke? Flossen auch in den Lokalen der Cursach-Gruppe oder im Bierkönig, dessen Besitzer wegen genau dieses Verdachts im März 2015 bereits vorübergehend festgenommen wurde, Schmiergelder und Freigetränke? Antworten hierauf müssen die Ermittlungen bringen, die Richter Penalva noch lange beschäftigen werden - und die womöglich erst in Jahren in einen Prozess münden.

Das lärmgeplagte Paar aus Arenal immerhin kann inzwischen auf­atmen. Die Bar wurde geschlossen.