Auf dem Bildschirm des Laptops kreisen zwei schwarze Kugeln umeinander. Den Hintergrund bildet ein buntes Farbspektrum. Es reicht von Tiefrot am Rand bis Dunkelblau im Zentrum, wo sich zwei Trichter unter den beiden schwarzen Punkten abzeichnen. „Die Kugeln sind schwarze Löcher, und die Farbe zeigt, wie schnell die Zeit vergeht", erklärt Sascha Husa, Physikprofessor an der Balearen-Universität (UIB). Die beiden Punkte verschmelzen miteinander, auch die beiden Trichter darunter - und die Störung der Raumzeit macht sich durch Gravitationswellen bemerkbar, die sich ausbreiten.

Das Video von Student Rafel Jaume basiert auf Berechnungen, die 200 Prozessoren zwei Wochen lang im Untergeschoss der Balearen-Universität bewerkstelligt haben. Es ist sozusagen der Film zur vergangene Woche bekannt gegebenen Sensationsmeldung über eine nobelpreisverdächtigen Entdeckung, die als Beginn einer neuen Ära der ­Astronomie gefeiert wird: der wissenschaftliche Nachweis der von Albert Einstein vorhergesagten Gravitationswellen. Daran beteiligt waren auch Astrophysiker auf Mallorca, genauer gesagt die Forschungsgruppe „Gravitation und Relativität" an der UIB - übrigens die einzige in ganz Spanien.

Gravitationswellen entstehen insbesondere, wenn große Objekte beschleunigt werden, zum Beispiel bei der Explosion eines Sterns am Ende seines Lebens. Sie stauchen und strecken den Raum - eine Theorie, die Albert Einstein vor genau 100 Jahren in seinem Konzept der Raumzeit entwickelt hatte. Die Wellen breiten sich dabei in alle Richtungen aus und verwirbeln den Raum, „ähnlich wie ein ins Wasser geworfener Stein die Oberfläche", erklärt Husa - der noch ein anderes Bild parat hat: „Das Signal ist wie eine Glocke, die man anschlägt und die langsam verklingt."

Um die komplexe Forschungsmaterie in visuelle und sprachliche Bilder zu packen, hatten der Österreicher und seine Kollegen seit September Zeit. Denn bereits am 14. September hatte der gerade in Betrieb genommene sogenannte aLigo-Detektor in den USA mit seinen Standorten in Hanford und Livingston Signale registriert, die von der Verschmelzung zweier schwarzer Löcher in 1,3 Milliarden Lichtjahren stammten. Sie fusionierten binnen Sekundenbruchteilen zu einem neuen, 62 Sonnenmassen großen schwarzen Loch, wobei die Energie von drei Sonnenmassen über Gravitationswellen abgestrahlt wurde - stark genug, um auf der Erde gemessen zu werden.

Die Forscher hatten somit auch genug Zeit, sich auf den „Medientsunami" einzustellen, der vergangene Woche losbrach: Reporter und Kamerateams geben sich an der UIB dieser Tage die Klinke in die Hand. Kommuniziert wurde die Entdeckung erst jetzt, da man zunächst alle anderen Erklärungen für die Messung ausschließen wollte - etwa sogenannte Blind-Injektionen, die als eine Art Trockenübung im Gravitationswellendetektor dienen. An der UIB jedoch wusste man von Anfang an über die sich anbahnende Sensation Bescheid: Doktorand Miquel Oliver war als externer Mitarbeiter gerade vor Ort in Hanford und meldete sich nach der Messung des Signals per Skype bei den Kollegen auf Mallorca. „Das ist keine Übung", zitiert Husa den Doktoranden.

In zunächst stillschweigender Euphorie machten sich die ­Insel-Forscher an die Arbeit, um im Rahmen der weltweiten Kooperation bei der eindeutigen Identifikation des Signals zu helfen. Auch hier liefert Husa ein hilfreiches Bild: Man stelle sich vor, man habe mit dem Handy eine Melodie aufgenommen, und versuche nun, den Titel und den Interpreten zu identifizieren. Übertragen auf die Physik bedeutet das, dass die UIB-Forscher Modelle von Wellenformen erstellt und zur Verfügung gestellt haben, um so die Quelle möglichst eindeutig zu identifizieren: „Wir haben viele Wochen darauf verwendet, die Modelle bis ins letzte Detail abzuklopfen." Die Vorhersagen werden dabei mit den tatsächlich gemessenen Daten verglichen.

Die Programme berücksichtigten als Parameter einerseits Rotationsgeschwindigkeit und -richtung, andererseits die Masse der schwarzen Löcher, die der 48-Jährige als „erstaunlich einfache Objekte" beschreibt. Bei den Berechnungen halfen dann Superrechner wie Mare Nostrum in Barcelona. Ergebnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass der beobachtete Effekt nur Zufall war, liegt bei etwa 1?:?3,5 Millionen.

Mit den Modellen beschäftigte sich Husa bereits am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam. Wie auch seine Frau Alicia Sintes, die ebenfalls zum heute zehnköpfigen Ligo-Team an der Balearen-Uni gehört, hat er dort bis 2008 gearbeitet. Zuletzt dazugestoßen ist im Oktober vergangenen Jahres David Keitel, der zuvor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover seine Doktorarbeit geschrieben hatte. Ihn habe die Forschung in der kleinen, renommierten Arbeitsgruppe gereizt, auch wenn man beim Wechsel von Deutschland nach Spanien finanzielle Abstriche machen müsse, so Keitel.

In Spanien wurde im Zuge der Haushaltskrise in der Forschung kräftig der Rotstift angesetzt. Auch wenn nun alle stolz sind auf die Einstein-Forscher von der UIB, haben diese keine Hoffnungen auf große finanzielle Sprünge etwa bei Personal- oder Reisekosten. Aber bei der Beantragung von Forschungsgeldern helfe durchaus das wachsende wissenschaftliche Standing. Und auch mehr Einladungen zu Vorträgen dürfte es künftig geben.

Die Arbeit geht nun erst richtig los. Noch ausgewertet werden müssen die seit Oktober gemessenen Ligo-Daten, die vielleicht noch die eine oder andere Überraschung bereithalten. Zudem wird es darum gehen, die bisherigen Modelle weiter zu verbessern, so Husa. „Da wird es jetzt einen weltweiten Wettbewerb geben."

Alicia Sintes und Sascha Husa sprechen am Montag (22.2., 19 Uhr) im Club des Diario de Mallorca (Puerto Rico, 15, Palma) über das Ligo-Projekt (auf Spanisch).