Maties Rebassa muss mit dem Dienstwagen ein bisschen weiter rausfahren, um zu zeigen, wie es um die s´Albufera steht. Er stoppt kurz vor dem Ende des Weges, dort, wo im Hintergrund das Heizkraftwerk Es Murterar die Idylle des wichtigsten Feuchtgebiets von Mallorca zerstört. „Vor zehn Jahren wuchs hier Schilfgras", erklärt der Direktor des Naturparks, „vier bis fünf Meter hoch." Jetzt duckt sich um das trübe Wasser nur noch Salzkraut. Und mit dem Schilf sind auch jede Menge Wasservögel verschwunden.

Es war ein schleichender Prozess. Erst verlor das Schilfgras an Höhe, wuchs nur noch bis auf ein oder zwei Meter. Dann lösten Binsengewächse es allmählich ab. Und schließlich fühlten sich auch diese eigentlich ausdauernden Gräser mit ihren starren, borstigen Blättern nicht mehr wohl. Mehrere Hundert der insgesamt 1.700 Hektar der s´Albufera seien von diesem Prozess betroffen, so Rebassa.

Um das Feuchtgebiet in der Gemeinde Muro in der Nordostküste Mallorca muss man sich also schon länger Sorgen machen. Und jetzt droht auch noch eine Dürre auf Mallorca. „Unser Problem ist aber nicht die Trockenheit", erklärt der Parkdirektor, „sie sollte uns keine Sorgen machen, schließlich ist das ein natürliches Phänomen." Der über Monate ausgebliebene Regen verschärfe vielmehr die ohnehin chronischen - und durch den Menschen verursachten - Probleme des ersten Naturschutzgebiets Mallorcas.

Problem Nummer eins ist der zunehmende Salzgehalt. Floss früher der Großteil des Süßwassers aus den umliegenden Grundwasserreservoirs in das Feuchtgebiet, wird inzwischen ein Großteil durch Brunnen gefördert und so der s´Albufera entzogen. Landwirtschaft, Neubaugebiete, Hotels - je mehr Wasser der Mensch abzapft, desto weniger bleibt für die Flora und Fauna, und desto leichter kann Meerwasser in das Feuchtgebiet vordringen. Der geologische Fachbegriff lautet Salzwasserintrusion: Mit der Verringerung des hydrostatischen Drucks fließt Meerwasser von der nahen Küste zu - und aus der Süßwasser- wird schleichend eine Salzwasserlagune.

Problem Nummer zwei ist die Wasserqualität, und an ihr sind vor allem zwei nahe gelegene Kläranlagen schuld. Zum einen reinigt die depuradora von Sa Pobla das Wasser nur unzureichend. Über Sturzbäche und Kanäle gelangt das fäkalienhaltige Nass dann in das sensible Ökosystem der s´Albufera. Da es außerdem kein getrenntes Leitungssystem für Ab- und Regenwasser in der Gemeinde gibt, fließt das ungeklärte Wasser bei starken Niederschlägen mangels Kapazitäten der Anlage ins Feuchtgebiet.

Direkt neben dem Naturpark liegt zudem die Kläranlage von Playa de Muro, die auch die Abwässer des Touristenorts Can Picafort reinigen muss. Doch das hier ­angewandte sogenannte Schlammteichverfahren - die Reinigung erfolgt in Lagunen durch naturähnliche Oxidationsprozesse - ist langsam und kommt in der Hochsaison regelmäßig an seine Grenzen. Zudem seien die Rohre, die auch durch das 1988 unter Schutz gestellte Feuchtgebiet verlegt seien, in schlechtem Zustand, kritisiert Rebassa.

Die zwei Hauptprobleme der s´Albufera haben also erst einmal nicht direkt mit der Niederschlagsmenge zu tun. „Wenn es nicht regnet, bekommen wir die Fäkalien aber konzentrierter ab", erklärt der Parkdirektor. Zwar könne man die Schleusen schließen und das Wasser so länger im Feuchtgebiet halten, damit nehme man aber eine immer schlechtere Wasserqualität in Kauf. Rebassa steht auf einer Brücke und zeigt auf das trübe Wasser. „Schauen Sie, eigentlich müsste man hier bis auf den Boden schauen können." Derzeit erst recht: Ein Pegelmesser zeigt statt der für die Jahreszeit üblichen 50 nur 20 Zentimeter Wassertiefe an.

Die s´Albufera wird so immer unattraktiver für viele Wassertiere. Das zeigt die jährlich im Januar vorgenommene Vogelzählung. Die Werte sind seit 2010 fast kontinuierlich rückläufig. Wurden vor sechs Jahren noch 17.073 Exemplare registriert, waren es in diesem Jahr nur noch 6.405 - ein Rückgang von mehr als 60 Prozent. Betroffen seien vor allem seltene und heimische Arten: Purpurreiher, Blässhühner und Rohrammern, Wasserschildkröten, Frösche oder Aale, so Rebassa. „Wo früher heimische Enten zu sehen waren, gibt es heute Flamencos." Und die könne man schließlich auch woanders beobachten, genauso wie Brandgänse, Stelzenläufer oder Fluss-Seeschwalben, die ebenfalls häufiger geworden sind.

Der Niedergang vollzieht sich bislang jenseits der Blicke der ­meisten Parkbesucher. Denn die 16 Mitarbeiter kümmern sich vor allem um die zentralen Beobachtungsposten, machen das Habitat etwa mit Inselchen attraktiver, die zum Nisten einladen sollen, werfen im Hochsommer Pumpen an, um den Wasserstand zu erhöhen, oder halten mit den derzeit 56 Kühen und 19 Pferden die Vegetation so gut es geht in Schuss. Der Großteil der Besucher merke dank dieser „Oasen" nichts vom Artenschwund. Während die Fauna schwindet, steigt die Zahl der vor allem internationalen birdwatcher - in den vergangenen vier Jahren um rund 30 Prozent auf inzwischen 120.000 pro Jahr.

Die Parkverwaltung kann aber nur Kosmetik betreiben - auch deshalb, weil das Budget in den vergangenen Jahren zusammengestrichen wurde, von einem mehrstelligen Millionen-Betrag auf derzeit 200.000 Euro im Jahr. Gekürzt wurde dabei nicht in der Betreuung der Besucher, sondern bei Wartung und Forschung.

Aber auch mit mehr Personen könnte der Park wenig ausrichten. „Die Lösung kann nur von außerhalb des Parks kommen", sagt Rebassa. Und sie kostet viel Geld. Die Linksregierung hat sich bislang nur mit Absichtserklärungen hervorgetan, nicht mit konkreten Maßnahmen. Eine wäre die systematische Schonung des Grundwassers, eine andere die Nachrüstung der Kläranlagen mit zusätzlichen Filtern für die Fäkalpartikel. Im Fall der Kläranlage von Sa Pobla soll das nun geprüft werden. Im Fall der Anlage von Playa de Muro ist die Situation vertrackt. Eigentlich ist ein Neubau in Can Picafort geplant, dagegen wehrt sich aber die Gemeinde Santa Margalida.

Aber statt über die Politiker redet Rebassa lieber über die Vögel und zeigt nach oben. Über Salzkraut und trübem Wasser dreht ein Fischadler seine Runden.