Der Blick aus dem Büro von Vicenç Vidal ist privilegiert: Da im selben Gebäudekomplex im Gewerbegebiet Son Rossinyol in Palma der Nóos-Prozess abgehalten wird, defilieren direkt vor dem Bürofenster des balearischen Umweltministers fast täglich die Angeklagten und Zeugen. Eine noch bessere Aussicht dürfte der 35-Jährige aber im Gebirgsdorf Esporles gehabt haben, das er in seiner Zeit als Gemeinderat zum inselweiten Vorbild für Mülltrennung machte. Der studierte Umweltmanager, der in seiner Masterarbeit die Verwaltung von Naturschutzgebieten erforscht hat, war unter Mitte-Links (2007-2011) Generaldirektor für Artenvielfalt.

Haben Sie schon ausgerechnet, wie viel Geld der geplanten Touristensteuer für Mallorcas Naturschutzgebiete abfallen dürfte?

Wir müssen erst einmal abwarten, dass sie anläuft. Es ist aber ganz klar, dass der Umweltschutz ganz oben auf der Empfängerliste stehen wird.

Die große Zahl der Schutzgebiete steht im Gegensatz zu den mangelnden personellen und finanziellen Ressourcen. Fließt jetzt wieder mehr Geld?

In den vergangenen Jahren wurden mehr als 30 Stellen abgebaut. Auf Dragonera zum Beispiel hatten wir im Sommer überhaupt niemanden vor Ort. Das können wir nicht von heute auf morgen wiedergutmachen. Im Laufe der Legislaturperiode werden die Naturschutzgebiete aber wieder aufgewertet.

Das heißt konkret in Euro?

Für dieses Jahr haben wir zunächst 1,5 Millionen Euro für Investitionen in den balearischen Naturschutzgebieten bereitgestellt, das ist drei Mal so viel wie bislang.

Wie sieht es im Feuchtgebiet s´Albufera aus? Mallorcas erster Naturpark kämpft mit Wasserknappheit und Verschmutzung.

Es gibt andere Parks, die schlimmer dran sind - die s´Albufera hat zumindest einen Parkdirektor mit Team. Anders sieht es in der Tramuntana aus, hier brauchen wir mehr Personal und ein koordiniertes Vorgehen der zuständigen Institutionen. Hier müssen wir mehrere Millionen Euro investieren. Es reicht nicht, die Tramuntana als Welterbe zu bewerben, wir müssen auch Wanderhütten bauen, Wege ausschildern und Auflagen kontrollieren. Aber es ist nun einmal so, dass die Landesregierung Prioritäten im Gesundheits- und Sozialsystem gesetzt hat.

In der Tramuntana sind private Initiativen für Schutzgebiete am Start - auf der Route zum Pla des Pouet wird die Zahl der Wanderer auf 50 pro Tag beschränkt. Was halten Sie davon?

Die Landesregierung hat beschränkte Mittel, von daher müssen die Finca-Besitzer in die Verwaltung des Gebirges eingebunden werden. Abkommen zwischen Organisationen und der öffentlichen Hand halte ich für durchweg positiv.

Welche Priorität hat der Schutz des Naturstrands Es Trenc?

Der Besucheransturm setzt Es Trenc massiv zu, der Strand degradiert zusehends. Wir wollen die Gegend offiziell zum Naturschutzgebiet erklären - das gibt uns Mittel in die Hand, um die Nutzung zu regulieren und das balearenweit einzigartige Dünensystem zu schützen.

Das haben Ihre Amtsvorgänger schon so ähnlich angekündigt.

Es Trenc sollte eigentlich schon Anfang der 90er-Jahre Naturschutzpark sein, seit damals gibt es die gesetzlichen Möglichkeiten. Dieses Jahr werden wir das umsetzen.

Was bedeutet das für die Besucher - Zugangsbeschränkungen?

Nein, aber wir werden dafür sorgen, dass sich das Dünensystem regenerieren kann. Schauen Sie, in der s´Albufera wurde auch reguliert, welche Wege zugänglich sind, und die Zahl der Besucher ist enorm. Es gibt auch Parkwächter, die das kontrollieren. Es ist weniger eine Frage der Zahl der Gäste, als ihres Benehmens. Endlich geklärt werden muss am Es Trenc zudem das Chaos um die illegalen Parkplätze.

Es gibt Gespräche für ein Park&Ride-System.

Das fällt in die Zuständigkeit der Gemeinde Campos. Im Ministerium geht es in erster Linie um die Einrichtung eines Naturschutzparks.

Aber Sie sind ja wohl über die Gespräche informiert.

Wir sind natürlich eingebunden. Es tut mir aber als Umweltminister regelrecht weh, dass die Menschen als einziges Problem von Es Trenc die Parkplätze wahrnehmen. Das Problem sind nicht die Autos, sondern das Leiden der Natur. Es Trenc verdient Respekt.

Das Bewusstsein für den Landschaftsschutz auf Mallorca ist stark ausgeprägt - und in der Regel inkompatibel mit Windkraftanlagen oder Solarparks. Wie stehen Sie zur Kohle aus Afrika, die hier verfeuert wird?

Wir müssten uns eigentlich für das Heizkraftwerk Es Murterar schämen. Unsere Hauptenergiequelle ist die Kohle, und das ist eine in jeder Hinsicht schmutzige Energie. Wir brauchen Alternativen. Ist der geplante Solarpark in Santa Cirga (Manacor) eine Alternative? Ich weiß es nicht.

Auch nicht, wenn Tausende Mandelbäume die Module verbergen?

Der Vorschlag wurde uns noch nicht vorgelegt. Ich will auch nicht der Umweltkommission vorgreifen. Ich war Sachbearbeiter und mochte es nicht, wenn der Minister vor einer Kommissionsentscheidung seine Meinung äußerte. Drei oder vier Megaparks lösen aber auch nicht unser Energie-Dilemma.

Sie haben bei der Zentralregierung die Erweiterung des Nationalparks Cabrera beantragt. Wie weit ist das Verfahren?

Wir haben leider derzeit keine Zentralregierung. Während wir auf eine Entscheidung warten, haben wir eine Erweiterungskommission gebildet und versuchen, mit einer neuen Personalstruktur dem Nationalpark neue Impulse zu geben.

Als Cabrera noch in die Zuständigkeit von Madrid fiel, lag das Budget zuletzt 2009 bei 5 Millionen Euro, fünf Jahre später waren es nur noch 1,8 Millionen Euro. Wie viel ist der Park der jetzigen Landesregierung wert?

Wir liegen jetzt bei 2 Millionen. Allerdings sind in dieser Summe Leistungen etwa der Naturbehörde Ibanat nicht berücksichtigt. Da fehlen auch uns die genauen Zahlen. Wir machen jetzt erst einmal eine genaue Aufstellung, was tatsächlich für jeden Park aufgewendet wird. Es wird zudem ein System geben, um die Besucherzahl genau zu erfassen, sowie eine bessere Ausschilderung. Wir sprechen auch mit Wissenschaftsinstituten, damit in unserem Nationalpark endlich wieder Forschung betrieben wird.

Das Interesse der Gemeinden an Naturschutzgebieten wächst - wie steht es um den Antrag von Calvià, das Meer bei Dragonera unter Schutz zu stellen?

Das Verfahren läuft. Die maritimen Schutzgebiete waren vor einigen Jahren noch die großen Unbekannten, jetzt will jede Gemeinde eines. Das ist das Ergebnis der Lobbyarbeit der Organisation Oceana und der Fischer - sie haben verstanden, dass die Schutzgebiete sehr nützlich sind. Im Fall von Sóller fällt die Ausweisung eines Meeresschutzgebiets in die Zuständigkeit der Zentralregierung, wir haben aber angeboten, das abzuwickeln. Auch in Pollença läuft ein Antrag. Bei der Genehmigung müssen wir allerdings genau prüfen, welche Gebiete wirklich Potenzial haben - da wurden in der Vergangenheit Fehler gemacht.

Dieses Jahr wird Mallorca von Urlaubern überrannt. Welches Naturplätzchen meiden Sie, wo erholen Sie sich stattdessen?

Früher war ich gerne am Strand in Caló des Moro (Gemeinde Santanyí), aber das ist schon lange kein Geheimtipp mehr. Wo ich jetzt hingehe, verrate ich nicht, nur so viel: Ich mag Felsenstrände und auch die Seegraswiesen, die viele Strandbesucher lieber meiden. /tg