Wenn Joan Bauzá zeigen will, dass Mallorcas Waldbrände gar nicht so groß sind, dann ruft er aktuelle Satellitenbilder auf. „Hier ist eine große Rauchsäule“, sagt der Geograf und deutet auf Zentralamerika. Auch in Kanada und Asien wird er fündig. "2.000 Quadratmeter zerstörte Fläche sind nichts gegen solche Feuer", so Bauzá in Anspielung auf den großen Waldbrand von Andratx im Jahr 2013.

Mallorca hat ein großes Pro­blem mit Waldbränden, aber nach dem Studium der Satellitenbilder der vergangenen 30 Jahre im Auftrag des balearischen Umweltministeriums sieht Bauzá das Problem anders. Die Ergebnisse zeigen, dass es erstens zu oft brenne, zweitens immer an denselben Stellen und drittens zum falschen Zeitpunkt. Davon abgesehen reduziere sich die Bekämpfung von Bränden in der Praxis auf das akute Eingreifen. Die Prävention hingegen wird vernachlässigt.

Es brennt - na und?

Um das zu verstehen, muss man zunächst etwas in der Zeit zurückgehen. „Waldbrände gehören zur Mittelmeer-Region, es hat sie immer schon gegeben“, so Bauzá. Sie seien sogar nötig für einige Spezies. So bleibt manch reifer Kieferzapfen jahrelang geschlossen am Baum hängen und öffnet sich erst bei den Temperaturen eines Waldbrands. Die Samen fallen dann auf einen von Zweigen gereinigten, gedüngten Boden und haben bessere Wachstumsbedingungen.

Im Unterschied zu heute konnten sich die Brände früher allerdings weniger schnell ausbreiten: Da das Holz für den Schiffsbau und die Kohleherstellung gebraucht wurde, war die Baumdichte geringer und der Wald sauberer. Wo der dichte Baumbestand heute an bewohnte Häuser heranreicht - etwa in der Gegend von Andratx - bildeten früher Wald, Lichtungen, Ackerland und Terrassen ein Mosaik, das für natürliche Brandschneisen sorgte.

Dies änderte sich mit dem Strukturwandel infolge des Tourismusbooms in den 70er-Jahren: Die traditionelle Landwirtschaft wurde vielerorts aufgegeben, Jobs im Tourismus waren rentabler. Der Wald eroberte sich vor allem solche landwirtschaftlichen Flächen zurück, die schwer zugänglich und

unrentabel waren - eine Chance vor allem für die schnell wachsende und leicht entzündbare Aleppo-Kiefer. Diese Entwicklung sei vor allem auf Ibiza zu beobachten gewesen, während Menorca sein landwirtschaftliches Mosaik weitgehend erhalten habe, erklärt Bauzá.

Was in den Jahren des Strukturwandels geschah, haben die Landsat-Satelliten der NASA festgehalten, die seit 1972 in rund 700 Kilometern Höhe die Erde umkreisen. Bei einer Geschwindigkeit von 27.000 Stundenkilometern dauert das 99 Minuten. Erfasst werden jeweils Streifen von 2.400 Kilometern, sodass der Satellit alle 16 Tage die Balearen überfliegt. "Der große Vorteil ist, dass nicht nur das sichtbare Licht, sondern auch UV-Strahlung erfasst wird", erklärt Bauzá. Und diese Werte geben bis auf 30 Meter genau Aufschluss darüber, wie es um die Vegetation bestellt ist - ein zuverlässiger Indikator für Waldbrände.

Wo es immer wieder brennt

In die Studie gingen nun alle Waldbrände der vergangenen 30 Jahre mit einer Fläche von mehr als 50 Hektar ein - insgesamt zählte Bauzá 56 Brände, die mit mehr als 18.600 Hektar rund 80 Prozent der zerstörten Fläche ausmachten. Viele kleine Feuer dagegen konnten rechtzeitig gelöscht werden.

Die Satelliten-Bilder zeigen zudem, dass sich die Waldbrände auf bestimmte Gebiete konzentrierten. "Auf mehr als 30 Prozent der betroffenen Fläche hat es mehr als einmal gebrannt", so der Geograf - drei Mal, vier Mal, an einigen Orten sogar bis zu fünf Mal. Das war vor allem im Gemeindegebiet von Capdepera der Fall. Auf fünf Gemeinden mit zusammen weniger als zehn Prozent der Gesamtfläche der Balearen entfallen drei Viertel der verbrannten Fläche - neben Capdepera sind das Artà, Andratx, Calvià sowie Sant Joan de Labritja auf Ibiza. Die Bilder sagen nichts über die Ursachen - oft ist Brandstiftung im Spiel -, doch den betroffenen Gebieten ist beispielsweise gemein, dass das Gelände eher abschüssig ist, der Wind also besonders gut das Feuer anfachen kann.

Ein Waldbrand alle 30 Jahre mag sein Gutes haben. Wenn es jedoch so oft brennt wie in Capdepera oder Artà, kann sich die Vegetation nicht mehr erholen. Wo früher hohe Bäume wuchsen, ist dort heute fast nur noch niedriges Buschwerk auszumachen - auch das zeigen die Satellitenbilder.

Diese Entwicklung verschärfen zwei weitere Faktoren. Da es meistens im Sommer brennt - am höchsten ist die Brandgefahr laut der 30er-Faustregel bei Temperaturen über 30 Grad, Wind über 30 Stundenkilometern und einer Luftfeuchtigkeit unter 30 Prozent -, ist die verbrannte Erde kurz nach dem Feuer den gewöhnlich heftigen Herbstunwettern ausgesetzt. Der Regen schwemmt das Erdreich weg und beschleunigt die Erosion.

Faktor zwei sind die verwilderten Ziegen - auch sie eine Folge des Strukturwandels in den 70er-Jahren. Die Haltung in Herden wurde mangels Rentabilität aufgegeben, die Tiere konnten sich ohne Kontrolle im gesamten Gebiet der Tramuntana vermehren. Dass die Ziegen ausgerechnet die frischen, grünen Triebe am liebsten fressen, erweist sich für die Wälder als besonders verhängnisvoll.

Teure Prävention

Geograf Bauzá ist wichtig, dass seine Studie als Bestandsaufnahme, aber nicht als politische Handlungsanweisung gesehen wird. Aber die Schlussfolgerungen sind offensichtlich. "Wir haben uns auf das Löschen der Brände konzentriert und erst vor Kurzem die Bedeutung der Prävention entdeckt", so der Wissenschaftler. Aber das ist einfacher gesagt als getan - schon allein, weil 80 Prozent der Fläche im Tramuntana-Gebiet in Privatbesitz sind, also die Eigentümer selbst ihren Wald sauber halten müssten.

Darüber hinaus ist das Anlegen von Brandschneisen oder gar die Restaurierung der Terrassen teuer - in dem unzugänglichen Gelände ist in der Regel kein Maschineneinsatz möglich. Das Säubern der Wälder würde außerdem nicht nur dem Brandschutz dienen - mit dem Holz ließe sich auch klimaneutrale Biomasse gewinnen, die zur Energiegewinnung eingesetzt werden könnte. „Aber solange die Kohle aus Afrika billiger ist …“, seufzt Bauzá.

Der Geograf verweist auch auf die Möglichkeit von kontrollierten Bränden im Winter, um den Wald rechtzeitig zu "säubern". Aber das freilich ist eine heikle Angelegenheit, nicht nur wegen des Widerstands von Umweltschützern, sondern etwa auch wegen der Nähe zu bewohnten Häusern. Und was passiert, wenn systematisch Jagd auf die schädlichen Ziegen gemacht wird, zeigte die Aufregung um das "Massaker" auf Ibiza im Februar.