Eine Touristin aus Belgien mimt fürs Foto Stierhörner und hebt kichernd ein Bein. Ein älterer Herr aus Katalonien schwenkt vor der Kamera seiner Begleiterin ein rotes Handtuch. Eine Gruppe amerikanischer Austauschstudenten macht Selfies auf den Rängen der Arena und packt anschließend Sandwiches und Coca Cola aus. Während sich vor der Kathedrale und auf der Plaça Major die Urlauber gegenseitig auf die Füße treten, ist es in Palmas Stierkampfarena angenehm ruhig. Die höchstens zwei Dutzend Besucher verlieren sich in den verwinkelten Gängen und auf den schattigen Balustraden.

Auch sonst ist in dem stattlichen Bau - entworfen vom berühmten mallorquinischen Architekten Gaspar Bennàzar, 1929 eröffnet und inzwischen unter Denkmalschutz gestellt - nicht viel los. Während des Sommers finden ein paar Konzerte statt, unter anderem das von Simply Red am vergangenen und das der spanischen Sängerin Malú an diesem Samstag (27.8.). Und ab und an rückt auch mal das deutsche Fernsehen zu einer Großproduktion an, wie im Mai für „Germany´s Next Topmodel".

Hinzu kommen im Laufe der Saison gerade einmal drei Stierkämpfe. Wenn es nach den regierenden Linkspolitikern geht, sollten es dieses Jahr die letzten corridas gewesen sein: Die Stadtregierung hatte Palma bereits vor einem Jahr zur stierkampffreien Zone erklärt, einige Monate später tat es ihr der Inselrat für ganz Mallorca gleich.

Droht dem Coliseo Balear also vielleicht schon bald ein ähnliches Schicksal wie den Arenen in Barcelona? Die dortige Plaza de Toros de las Arenas, in der seit Jahrzehnten kein Stier mehr auflief, wurde bereits vor Jahren umgebaut und 2011 als Shopping-Mall wiedereröffnet. Und die Arena La Monumental soll Medienberichten zufolge für über 40 Millionen zum Verkauf stehen - gesucht wird ein Investor, der sie in ein Einkaufszentrum samt Hotel verwandelt. Bisheriger Eigentümer ist das in Barcelona ansässige Unternehmen Balañá, das statt mit Stierkämpfen inzwischen mit Multiplex-Kinos sein Geld verdient.

Der Grup Balañá gehört auch die Plaza de Toros in Palma. Trotz mehrmaliger schriftlicher Anfrage ist von ihr nichts über die Zukunftspläne für die Arena zu erfahren. „Hier bleibt alles wie gehabt, von Verkaufsplänen ist nie die Rede gewesen", versichert schließlich Miquel Gomis, der als Ansprechpartner der Firma auf Mallorca fungiert. Das Coliseo Balear könne weiterhin für Stierkämpfe, Sport-, Show- und Kulturveranstaltungen gebucht werden.

Mallorcas Denkmalschutzvereinigung Arca findet die Untätigkeit der Eigentümer gar nicht gut. Seit Jahren beklagt sie den fortschreitenden Verfall der Plaza de Toros - wo der Putz bröckelt, die Geländer vor sich hin rosten und Risse in den Wänden klaffen. „Hier wäre dringend eine große Investition nötig", sagt Xavier Terrassa von Arca. Balañá habe, „wie man deutlich sieht", offensichtlich schon seit Jahren keinen Cent mehr in den Unterhalt der Arena gesteckt. Auch wiederholte Anzeigen bei der Stadt Palma, die in den Augen von Arca auf die Eigentümer einwirken sollte, damit sie ihrer Pflicht zum Erhalt des Denkmals nachkommen, hätten daran nichts geändert.

Vor die Wahl gestellt zwischen Verfall und Verkauf, wüsste allerdings auch Xavier Terrassa nicht, für was er sich entscheiden würde. „Ein Einkaufszentrum wie in Barcelona jedenfalls brauchen wir hier nicht, dafür haben wir schon Porto Pi." Ihm schwebt eher ein Kulturzentrum à la s´Escorxador, Palmas altem Schlachthof, vor. „Ein Ort für Kultur, Workshops, Gastronomie, der den Bürgern und Nachbarn offensteht, das wäre schön."

Die Stierkampfgegner von „Mallorca sense Sang" (Mallorca ohne Blut) fordern indes die Schließung der Arena - nicht nur, damit darin keine Hetzjagd auf Tiere mehr stattfinden kann, sondern vor allem, weil der heruntergekommene Bau eine Gefahr für die Besucher darstelle. „Die Stierkampfarena von Felanitx oder das Stadion Lluís Sitjar in Palma wurden geschlossen, obwohl sie sich in besserem Zustand befanden. Muss hier denn erst ein Unglück geschehen?", poltert „Mallorca sens Sang"-Sprecher Guillermo Amengual. Die Stadt hätte längst allen Grund, den Eigentümern die Betriebserlaubnis zu entziehen, wenn sie die Arena - die immerhin bis zu 11.000 Menschen fassen kann - nicht endlich sanierten und die Sicherheitsmängel beseitigten, davon ist Amengual überzeugt.

Weil in der Arena einiges im Argen liegt, kann sie eigentlich auch nicht besichtigt werden - zumindest nicht offiziell. Manchmal aber steht eine Pforte des Coliseo Balear trotzdem einen Spalt weit offen. Zu sehen sind weder Aufseher noch ein Kassenhäuschen. Bei den Besuchern, die an diesem Vormittag in der Arena herumspazieren, handelt es sich um Kreuzfahrttouristen, die eine klassische Stadtrundfahrt gebucht haben und hier einen Halt einlegen. Hierfür gebe es ein Abkommen zwischen den Eigentümern und den Ausflugsanbietern, erklärt Miguel Gomis. Zuständig für die Organisation der Besuche seien die Inhaber des gegenüber der Arena liegenden Schmuckgeschäfts.

In der besagten „Joyeria Antonio", durch die die Urlaubergruppen vor oder nach dem Coliseo-Besuch ebenso geschleust werden wie durch einen benachbarten Souvenirladen, nimmt sich eine Mitarbeiterin allerdings auch einzelner Besuchern an. „Wer reingehen möchte, soll sich am besten Freitagvormittags bei uns melden, dann bekommt er eine Autorisierung", erläutert sie freundlich. Eintritt verlange man keinen, aber ein bisschen Kontrolle sei notwendig, fügt sie fast entschuldigend hinzu. „Wegen der Sicherheit." In der Arena gebe es schließlich kein Wachpersonal, sondern lediglich Kameras.

Inzwischen erkundet eine neue Reisegruppe die Plaza de Toros. „Wow", entfährt es zwei jungen Asiatinnen, während eine Festlandspanierin sich vor allem über den kostenlosen Eintritt freut. „Es gibt tatsächlich noch Orte auf der Insel, wo sie kein Geld von uns wollen."