Bei Ca na Paulina hat man sich darauf eingestellt, dass die Nachfrage auch mal größer ist. Vor der Fleischtheke von Mallorcas wohl größtem Fleischereifachgeschäft in Palmas Viertel Coll d´en Rabassa ziehen die Kunden nicht nur Nummern, um an die Reihe zu kommen. Geduldig sitzen sie auf Wartestühlen, die in einer Reihe installiert sind, in der Ecke hängt ein Fernseher. Langeweile kommt auch deswegen nicht auf, weil transparente Plastiklamellen den Blick freigeben auf Mitarbeiter, die im Hintergrund dafür Sorgen, dass der Nachschub nicht ausgeht - für den mehr als 300 Quadratmeter großen Laden, den die Kunden mit riesigen Plastik­tüten verlassen, aber auch für die Hotels und Restaurants, die täglich mit bis zu 25 Tonnen Fleisch­produkten beliefert werden.

„Wir haben hier öfters Besuch von Firmen vom Festland, die schauen, wie wir das machen", erzählt Juan Ramón Peláez, Leiter des Betriebsablaufs. Auch die Innovations-Scouts der Supermarktkette Mercadona, bekannt für ihre große Entwicklungsabteilung, hätten schon „spioniert". In Ca na Paulina gibt es Fleisch jeden Typs, in jeder Menge und in jeder Preisklasse - vom Massenprodukt Hühnchenbrust mit rund 200 Tonnen pro Jahr über Steaks, Schnitzel und Würste aller Art bis hin zu Sonderwünschen wie Krokodil oder Känguru.

Die mallorquinische Firma mit der freundlich dreinschauenden Kuh im Logo existiert bereits seit dem Jahr 1929, als Paulina Crespó - nach ihr ist das Geschäft benannt - und Joan Más ihre Metzgerei im Carrer Cardenal Rosselló in Coll d´en Rabassa eröffneten. Die Expansion kam dann in der zweiten Generation mit dem Tourismusboom auf Mallorca. Die Hotels und Restaurants mussten beliefert werden. Das gerahmte Porträt des „Visionärs" Sebastián Más, Sohn von Joan und Paulina, schmückt denn auch die Büroräume im Obergeschoss. Heute teilen sich in dritter Generation die Geschwister Juan, Lorenzo und Paulina die Führung der Firma - ein Familienunternehmen, das je nach Saison 90 bis 100 Mitarbeiter beschäftigt.

Der Umsatz hat längst eine Größenordnung erreicht, für die Mallorca als Fleischlieferant nicht mehr ausreicht. „Mit der gesamten Produktion des Schlachthofs von Palma kämen wir nicht mal einen Tag aus", meint Peláez - ganz zu schweigen von den Schlachthöfen in Inca und Felanitx. Davon abgesehen werde in diesen drei mataderos auch gar kein Geflügel mehr verarbeitet. Außer Insel-Produkten wie Lamm aus Pollença oder Spanferkel bringen deswegen Kühllaster per Fähre rund 90 Prozent der benötigten Ware vom Festland auf die Insel.

Firmendirektor Juan José Elías zeigt ein Etikett mit Strichcode auf einem der mächtigen Kälberschlachtkörper, der mit geschätzten hundert weiteren an einer gewundenen Stange in einem der Kühlräume hängt, die mehr als 2.000 Quadratmeter messen. „Geboren in Frankreich, gemästet und geschlachtet in Spanien, jetzt auf Mallorca", fasst Elías zusammen. Rund 40 Tonnen Kälberschlachtkörper kommen wöchentlich zur weiteren Verarbeitung bei Ca na Paulina an.

Die Lieferungen aus dem Ausland lagern auf der gegenüberliegenden Straßenseite in ­Tiefkühlkammern bei minus 20 Grad. Die Arbeiter, die auf ihren Stapelwagen palettenweise Fleisch transportieren, sind in Anoraks und Skimützen gehüllt, manch einer trägt auch jetzt im August lange Unterhosen, wie Peláez verrät. Und auch in den weiteren Betriebsräumen, wo Sobrassadas reifen, san jacobos paniert oder pinchos aufgesteckt werden, kommt der Besucher nicht ins Schwitzen.

Morgens, wenn die Lkw von der Fähre eintreffen und nach und nach die Lieferwagen von Ca na Paulina ausschwirren, wird in der Straße vor dem Geschäft fleißig manö­vriert. Zwölf Lieferwagen umfasst die Flotte, hinzu kommen zwei Fahrzeuge für eilige Notfälle. Alle Bestellungen, die bis 5 Uhr morgens eingingen, würden noch am selben Tag ausgeführt und seien ab einem Betrag von 50 Euro kostenlos, betont Peláez. Zudem sei der Anrufbeantworter die ganze Nacht in Betrieb, um die Bestellungen von Hotels und Restaurants nach Betriebsschluss in den dortigen Küchen aufzunehmen. Bis zu 400 sind es täglich, derzeit arbeite man am Limit.

Unter den Großkunden sind auch zahlreiche Deutsche, die sich von dem mallorquinischen Betrieb mit deutschen Fleisch- und Wurstspezialitäten beliefern lassen. „Bei uns hatte jahrelang ein deutscher Fleischermeister gearbeitet", erklärt Peláez - diesem verdanke man das Wissen um die Herstellung von Fleischkäse, Frikadellen, Frankfurtern sowie Bock- oder Bratwürsten.

Neben den Großabnehmern sind da aber auch noch die Kunden im Geschäft. Ca na Paulina ist in Palma eine Institution. Der Verkauf vor Ort macht weiterhin rund 40 Prozent des Firmen­umsatzes aus. Seit Mitte der 90er-Jahre wird das Fleisch auch portionsweise abgepackt - täglich frisch, wie es heißt. Viele Kunden stellen sich trotzdem lieber an der Theke an.

Auch aus den Dörfern Mallorcas kommen Kunden hierher, um sich für die Woche einzudecken. Das verraten die Postleitzahlen, die an den Kassen erfasst werden - bei Ca na Paulina denkt man derzeit über eine Expansion mit weiteren Niederlassungen auf Mallorca nach. Eine Rolle spielen dabei auch die immer zahlreicheren Discounter. Diese könnten zwar nicht bei der Qualität und oft auch nicht beim Preis mithalten, hätten aber nun einmal die für die Kunden näheren Verkaufsstellen, so Peláez.

Allerdings: Wenn Fleischliebhaber zu Spitzenzeiten wie an Weihnachten manchmal mehr als zwei Stunden Wartezeit vor einer der mehreren Theken bei Ca na Paulina in Kauf nehmen, scheuen sie wohl auch nicht die Anfahrt. Zumal sie sicher sein können, dass im Prinzip jeder Wunsch Fleisch wird - von Kutteln, Innereien und Hirn über Angusrind aus Uruguay bis hin zu Schweinehaut. „Das hatte mal ein Tätowierer bestellt, zum Üben." Solche Sonderwünsche müssen freilich vorbestellt werden.

Das Erfolgsrezept von Ca na Paulina ist wohl der Spagat zwischen Tradition und Innovation. Ein Beispiel ist der Service zum Vorbestellen über den Handy-Dienst Whatsapp, den es seit knapp einem Jahr gibt. Verweigert hat sich der Betrieb hingegen dem Trend zu vegetarischen Produkten, die wie Fleisch aussehen. Veggie-Wiener-Schnitzel dürfte wohl niemand bei Ca na Paulina vermuten - und sie vertragen sich auch nicht mit der Philosophie vieler Mitarbeiter, wie Peláez erklärt. „An einem Tag, an dem ich kein Fleisch esse, fühle ich mich seltsam."