Wer in Paris eine Immobilie sein Eigen nennt und wissen möchte, ob sich eine Photovoltaikanlage auf dem Dach lohnt, muss nicht erst einen Ingenieur beauftragen. Es reicht ein Blick auf die Website des „Cadaistre solaire de Paris“, einer Art Sonnenkataster, der auf den ersten Blick aussieht wie Google Maps. Beim Heranzoomen allerdings färben sich die Hausdächer in verschiedenen Farbtönen ein, die von dunkelbau bis knallrot reichen. Die Rottöne versprechen eine lohnende Investition. Wie in einer Skala abzulesen ist, können hier voraussichtlich mehr als tausend Kilowattstunden Energie pro Quadratmeter und Jahr erzeugt werden.

Joan Bauzà ist ein Fan der Website - und kann sich eine ähnliche Anwendung auch für Mallorca vorstellen. Zumindest für Palmas Gewerbegebiet Can Valero mit seinen 50 Hektar hat der Geograf inzwischen ähnliche Rechnungen angestellt. Die Karte, die er im Auftrag von Mallorcas Industriellen-Vereinigung Asima angefertigt hat, zeigt die Flachdächer ebenfalls in Farbtönen - und gibt Aufschluss darüber, wie viele Quadratmeter die Firmen für Photovoltaik nutzen können, wie viel sie dafür investieren müssen - und nach wie vielen Jahren sich die Kosten amortisiert haben werden. „Die Entscheidung liegt jetzt bei den Unternehmern“, so Bauzà.

Bei der Berechnung hat der Geograf nicht nur die astronomischen Bedingungen - das heißt die Entfernung zur Sonne und den Einstrahlwinkel in Abhängigkeit der Jahreszeiten - und die atmosphärischen Konditionen - also zum Beispiel die Luftfeuchtigkeit - bedacht, sondern auch die Topografie. Dabei waren die Daten eines Vermessungsflugs von 2014 hilfreich, den das Geologische Institut Spaniens ausgeführt hat. Zum Einsatz kam dabei LIDAR, ein Radarverfahren, das auf dem Echophänomen beruht: Ein von einem Sender im Flugzeug ausgesandtes Wellenpaket wird an Hindernissen auf der Erdoberfläche reflektiert oder gestreut. Aus der Laufzeit zwischen dem Aussenden und der Ankunft des Echos am Standort des Senders lässt sich die Entfernung zwischen Sender und Hindernis bestimmen.

Die Karte der „solaren Skyline“ auf der Basis von zwölf Millionen Pixel pro vier Quadratkilometer ist die Grundlage für alle weiteren Berechnungen. „Wir wissen jetzt um die Neigung der Dächer und Hindernisse, die Schatten werfen“, so Bauzà. Mit dieser Information und zusammen mit Ingenieur Javier Vela hat Bauzà ein digitales Modell errechnet, das zumindest für die rund 400 Firmen in Can Valero technische Planungssicherheit schafft.

Beispiel: Das 2.138 Quadratmeter große Dach eines Gebäudes, das auf der Karte in Orange- und Rottönen erscheint, bietet eine Nutzfläche hinsichtlich der Energiegewinnung von 1.709 Quadratmetern. Mit durchschnittlich 1.555 Sonnenstunden pro Jahr und einer Investition in Höhe von knapp 290.000 Euro ließen sich 408.490 Kilowattstunden pro Jahr erzeugen. Wird diese Energie durch die Firma selbst genutzt, ergibt sich eine Ersparnis von knapp 41.000 Euro im Jahr und damit eine Amortisa­tionszeit von sieben Jahren.

Auch wenn die Studie inzwischen vorliegt, will man bei Asima zunächst weitere Analysen abwarten - auch die solare Skyline des deutlich größeren Gewerbegebiets Son Castelló wird nun errechnet. Erst dann wolle man die Ergebnisse den Firmen vorstellen, so eine Sprecherin des Verbands, der sich schon jetzt im guten Ruf der Solarenergie sonnt.

Gleichzeitig hat das balearische Ministerium für Energie und Mobilität eine Ausschreibung für eine Studie gestartet, die ebenfalls das Potenzial für Photovoltaik in Son Castelló errechnen soll. Die Studie solle zusätzliche Erkenntnisse erbringen, heißt es im Ministerium. Asima distanziert sich aber von diesem Vorhaben. Es gab Ärger hinter den Kulissen, so viel wird klar.„Wir sprechen lieber nur über die technischen Aspekte“, heißt es bei Asima.

Die Investitionen wären ein wichtiger Schritt, um Mallorcas bislang verheerende Energiebilanz zu verbessern - derzeit werden weniger als zwei Prozent der verbrauchten Energie durch erneuerbare Energien erzeugt. Der Strom stammt vor allem aus der Verbrennung von Kohle und Erdgas, aber auch von Atomkraftwerken vom Festland, an dessen Stromnetz die Insel per Unterseekabel angeschlossen ist.

Die Sonnenenergie im polígono wäre eine für praktisch alle Seiten ideale Lösung: Hier werden weder Naturräume mit Solarpaneelen zugestellt, was auf Mallorca stets auf erbitterten Widerstand stößt, noch denkmalgeschützte Gebäude in Mitleidenschaft gezogen. Die Dächer der Firmen sind groß und flach, und der Strombedarf hält sich, mal abgesehen von energieintensiven Betrieben wie etwa Wäschereien oder Produktionsbetrieben, in Grenzen - schließlich dreht sich in Mallorcas Wirtschaft fast alles um Dienstleistungen.

Mit der Eigenversorgung fände sich zudem auch ein Weg, um trotz der bürokratischen Hindernisse in Spanien für die Einspeisung von Solarstrom die Sonnenenergie zu nutzen. Aber auch für die Variante, den Strom zu verkaufen, liefert das Modell Zahlen. Im Fall unseres Beispieldachs beliefen sich die jährlichen Einnahmen auf knapp 29.000 Euro.

Für Bauzà liegt aber auch auf der Hand, dass die Photovoltaik auf dem Dach nicht ausreicht für eine echte Energiewende. „Wir brauchen trotzdem die großen Solarparks“, so der Geograf, „mit unserer Lösung könnten sie aber kleiner als bislang geplant ausfallen.“ Die zwei derzeit größten Projekte auf Mallorca in den Gemeinden Manacor und Llucmajor, die auf eine Genehmigung durch die Insel-Behörden warten, wurden von Anwohnern und Umweltverbänden scharf kritisiert - und inzwischen deutlich verkleinert.

Um möglichst viele Bewohner Mallorcas von den Modulen auf dem Dach zu überzeugen, setzt Bauzà auf die Gemeinden - sie könnten die kommunale Skyline vermessen lassen und mit Initiativen vor Ort das Bewusstsein schärfen - in der Hoffnung, dass sich die Nachbarn dann ein Beispiel nehmen.