Spaniens konservative Regierung hat sich bislang nicht unbedingt als Verfechter der Solarenergie einen Namen gemacht, im Gegenteil. Mit der Einführung einer „Sonnensteuer“ im vergangenen Jahr - einer Art Netzgebühr für die erzeugte Energie von Photovoltaikanlagen - hat sie die Installation von Anlagen zum Eigenverbrauch gebremst statt gefördert. Da passt es ins Bild, dass diese umstrittene Abgabe zum neuen Jahr noch erhöht wurde - auch auf den Balearen, die eigentlich ähnlich wie die Kanaren wegen der hohen Energieerzeugungs­kosten infolge der Insellage einen Ausnahmestatus haben.

Von einer „Abstrafung“ der Inseln sprach der balearische Energieminister Marc Pons: Während die Landesregierung versuche, alternative Energieformen zu fördern, arbeite Madrid dagegen und mache die Bemühungen zunichte. Ähnlich äußerte sich der Branchenverband der spanischen Photovoltaikfirmen (UNEF), bei dem von einem „unentschuldbaren Fehler“ die Rede ist, der viele Interessenten an Photovoltaikanlagen abschrecken werde. Mit dem Beschluss in Madrid verdopple sich die fällige Abgabe auf Mallorca und Menorca und werde erstmals auch auf Formentera und Ibiza fällig, so Sprecherin Elisa Noli gegenüber der Mallorca Zeitung.

Ausnahme bis zehn Kilowatt

In der Aufregung über die Entscheidung in Madrid, die sich keiner in der Branche so richtig erklären kann, geht allerdings unter, dass viele Anlagen auf Mallorca gar nicht davon betroffen sind. Wer höchstens zehn Kilowatt Leistung installiert hat („tipo 1“), für den bleibt alles wie bislang: In dieser Größenordnung sind die Balearen weiterhin von der Abgabe ausgenommen.

Eine solche Anlage mit etwa 60 Quadratmetern Solarmodulen sei in der Regel ausreichend, um den Energiebedarf eines Einfamilienhauses zu decken, so Heinz Torwie, Geschäftsführer des Unternehmens Solarta. Im Mallorca-Sommer würden 50 bis 60 Kilowattstunden Strom pro Tag erzeugt. Für mehr Module wären die meisten Privatdächer ohnehin nicht groß genug.

Die Ausnahmeregelung ist Teil des Ende 2015 verabschiedeten Real Decreto 900/2015, das zwar in der Photovoltaikbranche stark umstritten ist, aber zumindest die jahrelange Zeit der Ungewissheit beendete. Die Einspeisung ist zwar prinzipiell möglich, wird aber nicht staatlich gefördert und hat jede Menge ­bürokratischen Aufwand zur Folge, etwa infolge der verlangten Mehrwertsteuererklärung. Im Fall von Kleinerzeugern erweist sich der Verkauf des Stroms als unrentabel und in der Praxis irrelevant.

Die jetzt erhöhte Gebühr wird nun nicht für die Einspeisung ins öffentliche Netz berechnet - auch wenn die Abgabe peaje de respaldo heißt, also wörtlich Deckungsmaut. Fällig wird sie vielmehr für die Bereitstellung des öffentlichen Stromnetzes, und zwar in Abhängigkeit von der Menge der erzeugten Energie und zusätzlich zu den Fixkosten. Es gibt keine pauschale „Sonnensteuer“, sondern ein eigentlich nur für Experten verständliches Tarifdickicht, bei dem vor allem die Leistung der Anlage eine Rolle spielt.

„Die Leidtragenden sind vor allem Firmenkunden“, sagt Alex Durán von der Energiegenossenschaft Som Energia - etwa Betriebe mit energieintensiven Kühlanlagen, die mit Solarmodulen Kosten sparen wollen. Für sie sei die In­stallation nun weniger attraktiv, so Durán. Das heiße aber nicht, dass sie sich nicht mehr rentieren würde, vielmehr amortisiere sich eine Anlage eben ein oder zwei Jahre später. Das gelte auch für Unternehmen in den Gewerbegebieten Son Castelló und Can Valero, wo gerade Machbarkeitsstudien laufen.

Bei UNEF wird besonders auf den Bereich von bis 60 Kilowatt Leistung verwiesen. Wegen der jetzt fälligen Abgaben müsse mit einer zwei Jahre längeren Amortisierungszeit gerechnet werden, so Sprecherin Noli. Betroffen seien bis zu 400 Gebäude, vor allem der öffentlichen Verwaltung.

„Anlagen im Bereich von 10 bis 15 Kilowatt Leistung dürften in Zukunft kaum noch gebaut werden“, meint Torwie von Solarta. Attraktiver seien dagegen solche im Bereich von mehr als 15 Kilowatt. Als Beispiel nennt Torwie eine Anlage, die seine Firma für die Behindertenstiftung Amadip bei Son Ferriol gebaut hat. Bei einer Leistung von 60 Kilowatt dürften nun 1,3 bis 2 Cent pro erzeugter Kilowattstunde fällig werden. Das sei ärgerlich, aber immer noch besser als eine Abgabe von mehr als 6 Cent, die im Bereich von 10 bis 15 Kilowatt berechnet werde.

Die Vertreter der Branche stecken in einer Zwickmühle. Einerseits wollen sie Lärm machen gegen den Beschluss der in Madrid regierenden Volkspartei, um sie zum Einlenken zu bewegen. Andererseits wollen sie keine Alarmstimmung, die noch mehr Pessimismus verbreitet. Jürgen Holzinger, Projektentwickler für Photovoltaik­anlagen in Santa Ponça, spricht von einer Signalwirkung der Regierung, die abschrecke und verunsichere. Entscheidend sei aber letztlich, dass die Energiekosten auch in Zukunft mit einer korrekt kalkulierten Anlage deutlich sänken.

Keine Hiobsbotschaft

„Wir haben den Fehler gemacht, jahrelang von der Sonnensteuer zu sprechen, obwohl sie noch gar nicht beschlossen war“, meint Durán von Som Energia. Der jetzige Beschluss sei nur ein Hindernis mehr, das gerade in Zeiten eines niedrigeren Energiebedarfs dem Lobbyeinfluss der großen Energiekonzerne in Spanien zuzurechnen sei, aber keine Hiobsbotschaft für die Branche. Durán setzt seine Hoffnung auf den Einfluss der Oppositionsparteien auf die PP, die seit Ende 2016 in der Minderheit regiert, sowie auch auf Brüssel. Schließlich müsse Spanien laut EU bis zum Jahr 2020 einen Anteil der erneuerbaren Energien von 20 Prozent erreichen, gemessen an der Primärenergie, wozu neben der Stromerzeugung auch Heizung oder Transport zählen. Derzeit steht das Land erst bei knapp 13 Prozent.

Die Rechtsunsicherheit und fehlende Planbarkeit in der Solarbranche sei nach dem Einkassieren früher üppiger Prämien im Zuge der Wirtschaftskrise nichts Neues, meint Torwie. Für viele Interessierte stünden ohnehin nicht nur finanzielle Motive im Vordergrund. „Die meisten Kunden sagen: Wir wollen saubere Energie haben, und zwar jetzt erst recht“, so Torwie, „da mache ich mir nicht so viele Sorgen“. Die Rechnung gemacht werden muss ohnehin nicht nur mit den staatlichen Abgaben, sondern auch mit den Preisen auf dem Markt der Solarmodule. Sie dürften in einem Jahr noch einmal 10 bis 20 Prozent günstiger werden. Damit wäre dann auch die „Sonnensteuer“ ein gutes Stück kompensiert.